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Spezifika von WikipediaartikelnWikipediaartikel liegen in den für die Wikisoftware typischen Funktionalitäten, welche die Artikelansicht, den BearbeitungsmodusBearbeitungsmodus, den Quelltext, die VersionsgeschichteVersionsgeschichte und eine DiskussionsseiteDiskussionsseite beinhalten. Diese Funktionalitäten lenken den Blick weg vom statischen Produkt des Enzyklopädieartikels hin zu seiner dynamischen Entstehung und Veränderung. Aufgrund des größeren Platzangebots, aber auch durch die Rezeption am Bildschirm weist ein WikipediaartikelWikipediaartikel mehr textstrukturierende Elemente wie ein einleitendes Resümee, ein Inhaltsverzeichnis oder Tabellen und Grafiken auf. Oft wird lediglich das einleitende Resümee rezipiert, oder Artikel werden kursorisch auf einige Schlagwörter und Daten hin gelesen. Die dynamischen Links erlauben ein schnelles Nachschlagen unbekannter Lexeme. Jeder WikipediaartikelWikipediaartikel besitzt am Ende einen Verweis auf die aktuelle Version. Zudem findet sich häufig eine umfangreiche Bibliografie, die als Nachweis für die Informationen fungiert und die Glaubwürdigkeit der OnlineenzyklopädieEnzyklopädie– Online-~ untermauern soll. In sprachlich-stilistischer Hinsicht fallen in WikipediaartikelnWikipediaartikel der ausformulierte KopulasatzKopulaverb, der Verzicht auf Abkürzung des Lemmas, Wortwiederholungen und überdeutliche Erläuterungen auf. Die Erscheinungen sind zum einen auf ein vermehrtes Platzangebot, zum anderen aber auch auf eine stärkere Leserorientierung der Artikel zurückzuführen. Insbesondere in französischen Wikipediaartikeln nutzen die Autoren Vermutungen und Hervorhebungen. In WikipediaartikelnWikipediaartikel fallen zudem Verstöße gegen die sprachliche Norm auf, wobei diese nicht in jeder Sprachversion gleich stark ausgeprägt sind. Einige englische Artikel weisen durchaus einen mit PrintartikelnPrintartikel vergleichbar hohen Grad an sprachlicher FormalitätFormalität auf, während dies beispielsweise bei italienischen Artikeln kaum der Fall ist.

      3.5 Resümee

      Die kollaborative Erstellung von Enzyklopädieartikeln in einem WikiWiki dynamisiert die etablierte Diskurstradition und führt dazu, dass sich WikipediaartikelWikipediaartikel sowohl in ihrem konzeptionellen Profil als auch in der Artikelgestaltung von gedruckten Artikeln unterscheiden.

      Diese Prozesse sind vor dem Hintergrund des Konzepts und der Dynamik von DiskurstraditionenDiskurstradition zu sehen. Schon der Terminus Diskurstradition verweist auf die Konventionalität von Diskursen, die nicht nur eine einmalige Aktualisierung von Sprache sind, sondern sich in Traditionslinien bewegen und an Modellen orientieren. Diskurstraditionen sind von vornherein auf eine spezifische Kommunikationssituation bezogen, die anhand einer spezifischen Mischung von Parameterwerten charakterisiert werden kann. Diese Konstellation prägt das konzeptionelle Profil der Diskurstradition und determiniert somit zum Teil die Auswahl sprachlicher und nicht-sprachlicher Mittel in konkreten Texten. Von der Tatsache, dass in derselben Kommunikationssituation stets auf das gleiche oder zumindest ähnliche TextmusterTextmuster zurückgegriffen wird, lassen sich Konventionen ableiten, die die Gestaltung der Diskurse leiten. Allerdings ist eine Diskurstradition nicht nur durch die KommunikationssituationKommunikationssituation geprägt, sondern sie folgt zusätzlich kulturellen Konventionenkulturelle Konvention. Deswegen können Diskurstraditionen im konkreten Fall nur in kulturspezifischer Ausprägung beobachtet werden. Diskurstraditionen werden im Gegensatz zu einer Sprache nicht von einer Sprachgemeinschaft, sondern von einer Diskursgemeinschaft getragen, die auch historisch diskontinuierlich existieren kann. Die Diskursmuster sind somit häufig auch sprachübergreifend zu finden, wenn auch teilweise mit leichten Modifikationen. Diskurstraditionen stellen einen Teil einer kulturellen Tradition dar und unterliegen dem Wandeldiskurstraditioneller Wandel. Veränderungen bei Diskurstraditionen können beispielsweise auftreten, wenn sich Veränderungen im Medium ergeben, wobei hier zu unterscheiden ist, ob sich nur der Code, oder das TrägermediumTrägermedium selbst verändert. Zudem ist zu überprüfen, ob die Veränderungen im Medium auch zu Verschiebungen im konzeptionellen Profilkonzeptionelles Profil beitragen, denn lediglich in diesem Fall ist es wahrscheinlich, dass sich im neuen Medium eine neue Diskurstradition entwickelt. Dieser Wandeldiskurstraditioneller Wandel findet in der Regel nicht abrupt statt, sondern kann als Anpassungsprozess an das neue Trägermedium modelliert werden. So ist davon auszugehen, dass zunächst eine sehr ähnliche Diskurstradition in einer neuen medialen Umgebung vorliegt, dann leichte Anpassungen vorgenommen werden und dass sich mit der zunehmenden Adaptation an das neue Medium und der Ausschöpfung neuer Funktionalitäten die Diskurstradition komplett vom etablierten Modell ablöst und auf diese Weise eine neue Diskurstradition entsteht.

      Der Vergleich von Print- und Wikipediaartikeln zeigt, dass sich Wikipedia am Modell der PrintartikelPrintartikel orientiert und gleichzeitig neue Funktionalitäten nutzt. Das herausragende Merkmal der Wikipedia besteht in der kollaborativen Erstellung der Artikel über die WikiplattformWikiplattform. In WikipediaartikelnWikipediaartikel ist aufgrund der leichten Abänderbarkeit ein etwas höherer Grad der SpontaneitätSpontaneität möglich, punktuell kann ein erhöhter Grad an EmotionalitätEmotionalität auftreten. Dadurch, dass die Themen der Artikel nicht von einer Redaktion vorgegeben werden und es auch keine inhaltlichen Vorgaben gibt, ist der Grad der Themenfixierung etwas niedriger als in Artikeln der Printenzyklopädien. WikipediaartikelWikipediaartikel sind ebenso wie PrintartikelPrintartikel öffentlich einsehbar, die Kommunikationspartner sind einander fremd und beide Typen von Artikeln sind monologisch. Die Vielzahl der Stimmen in Wikipediaartikeln soll nicht auf der Textoberfläche sichtbar werden. Ebenso streben WikipediaartikelWikipediaartikel eine situationsunabhängige Gültigkeit ihrer Inhalte an, weswegen Handlungs- und Situationsentbindung, sowie referenzielle Distanz vorliegen. Die leichte Abänderbarkeit erlaubt es jedoch, unverzüglich auf aktuelle Ereignisse oder Erkenntnisse zu reagieren, was in gedruckten Werken nur mit größerer Verzögerung möglich ist.

      Die Makrostruktur von WikipediaartikelnWikipediaartikel selbst wird zum einen sprachübergreifend durch die Wikisoftware vorgegeben. Zum anderen orientiert sich der Artikelaufbau an traditionellen PrintartikelnPrintartikel, die über ein grafisch abgesetztes StichwortStichwort, eine Definition und einen Textkörper mit Kapiteln verfügen. Im WikipediaartikelWikipediaartikel erleichtern ein einleitendes Resümee, ein Inhaltsverzeichnis, Listentexte und grafische Elemente den Überblick und die schnelle Lektüre. Zudem weisen die Artikel zahlreiche Verlinkungen auf. Die Glaubwürdigkeit der Informationen wird durch eine Vielzahl von Nachweisen untermauert. In PrintartikelnPrintartikel finden sich dagegen häufig keine textstrukturierenden Elemente und in manchen Werken wird gänzlich auf Absätze verzichtet. Ebenso entfallen häufig die Quellenangaben, da für die Korrektheit der Informationen der Autor, der zumeist ein Experte des Faches ist, bürgt. Allerdings ist der Artikelaufbau auch bei PrintenzyklopädienEnzyklopädie– Print-~ sowohl fach- als auch kulturspezifisch geprägt, da beispielsweise Bibliografien eher in Fachenzyklopädien, aber auch in französischen UniversalenzyklopädienEnzyklopädie– Universal-~ zu finden sind.

      Die kollaborative Artikelerstellung in Wikipedia wirkt sich teilweise auf die sprachlich-stilistische Gestaltung der Artikel aus. Wikipedia- und Printartikel verfolgen das Ziel, sachlich-neutral einen gesicherten Kenntnisstand zu präsentieren. Es wird daher ein unpersönlicher StilUnpersönlichkeit bevorzugt, der auf Pronomina der 1./2. Person verzichtet und PassivformenPassivform zur DeagentivierungDeagentivierung einsetzt. Allerdings spielen in PrintartikelnPrintartikel sprachliche Verfahren der Kürze und Verdichtungnominale Verdichtung eine stärkere Rolle als in Wikipediaartikeln. Deswegen ist in Printenzyklopädien die Definition häufig elliptischEllipse und das Lemma wird im fortlaufenden Text in abgekürzter Form wiederaufgenommen. WikipediaartikelWikipediaartikel sind tendenziell länger als gedruckte Artikel, decken aber teilweise dennoch nicht alle Aspekte des Themas ab. In den untersuchten Wikipediaartikeln befinden sich häufig Wortwiederholungen und überdeutliche Erläuterungen, die die Rezeption für ein Laienpublikum erleichtern. Außerdem ist bei den Artikeln der OnlineenzyklopädieEnzyklopädie– Online-~ teilweise eine Mischung verschiedener Diskursmuster erkennbar, wie an werbenden und unterhaltsamen Elementen ersichtlich wird. Zudem sind Abweichungen von der Standardsprache in WikipediaartikelnWikipediaartikel feststellbar, die je nach Stichwort, aber auch nach Sprachversion variieren können.

      Insgesamt lässt sich festhalten, dass WikipediaartikelWikipediaartikel unter veränderten Bedingungen produziert werden und dass die Möglichkeit zur Kooperation die Diskurstradition tendenziell in die Richtung des nähesprachlichen PolsNähesprachlichkeit bewegt. Die Abänderung von Parameterwerten

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