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mal, Saint-Po­tin, um wel­che Zeit willst du un­se­re Leu­te in­ter­view­en?«

      »Um vier Uhr.«

      »Dann kannst du hier den jun­gen Du­roy mit­neh­men und ihn in die Ge­heim­nis­se des Be­ru­fes ein­wei­hen.«

      »Sehr gern.«

      Nun wand­te sich Fo­res­tier zu sei­nem Freund und fuhr fort:

      »Hast du die Fort­set­zung über Al­gier mit­ge­bracht? Der An­fang hat heu­te einen großen Er­folg ge­habt.«

      Du­roy stot­ter­te ver­le­gen: »Nein … ich dach­te, es hät­te Zeit bis heu­te Nach­mit­tag … ich hat­te die Hän­de voll zu tun … ich bin noch nicht dazu ge­kom­men …«

      Der an­de­re zuck­te miss­ver­gnügt die Ach­seln.

      »Wenn du nicht zu­ver­läs­si­ger bist als jetzt, wirst du dir dei­ne Zu­kunft ver­der­ben. Va­ter Wal­ter rech­ne­te auf dein Ma­nu­skript. Ich sage ihm, du bringst es mor­gen. Du bist sehr im Irr­tum, wenn du glaubst, du wirst hier be­zahlt, um nichts zu tun.«

      Nach ei­ner Pau­se setz­te er hin­zu. »Zum Teu­fel, man muss das Ei­sen schmie­den, so­lan­ge es heiß ist.«

      Saint-Po­tin stand auf.

      »Ich bin fer­tig!« sag­te er.

      Dann lehn­te sich Fo­res­tier in sei­nen Stuhl zu­rück, nahm eine fei­er­li­che Hal­tung an, um sei­ne Wei­sun­gen zu ge­ben und be­gann, sich an Du­roy wen­dend:

      »Also: wir ha­ben in Pa­ris seit zwei Ta­gen den chi­ne­si­schen Ge­ne­ral Li-Theng-Fao, der im Ho­tel Con­ti­nen­tal ab­ge­stie­gen ist, und den Ra­jah Ta­po­sa­hib Ra­ma­derao Pali, der im Ho­tel Bris­tol wohnt. Ihr wer­det die bei­den um eine Un­ter­re­dung er­su­chen.«

      Dann wand­te er sich zu Saint-Po­tin:

      »Ver­giss nicht die haupt­säch­lichs­ten Punk­te, die ich dir an­ge­ge­ben habe. Fra­ge den Ge­ne­ral und den Ra­jah nach ih­rer Mei­nung über die po­li­ti­sche Hal­tung Eng­lands im fer­nen Os­ten, nach ih­rer Auf­fas­sung über das Re­gie­rungs­sys­tem und die Ko­lo­ni­sa­ti­on, und nach ih­ren Hoff­nun­gen auf ein Ein­grei­fen Eu­ro­pas, ins­be­son­de­re Frank­reichs, in ihre An­ge­le­gen­hei­ten.«

      Er schwieg, dann setz­te er, ins Lee­re spre­chend, hin­zu:

      »Für un­se­re Le­ser wird es na­tür­lich un­ge­heu­er in­ter­essant sein, zu er­fah­ren, wie man in Chi­na und In­di­en über die­se Fra­gen denkt, die au­gen­blick­lich bei uns die öf­fent­li­che Mei­nung so leb­haft be­schäf­ti­gen.«

      Und zu Du­roy ge­wen­det:

      »Ach­te ge­nau auf al­les, was Saint-Po­tin tut; er ist ein aus­ge­zeich­ne­ter Re­por­ter, und von ihm kannst du ler­nen, wie man in fünf Mi­nu­ten aus ei­nem Men­schen al­les her­aus­holt, was man wis­sen will.«

      Dann be­gann er wie­der höchst wür­dig zu schrei­ben, mit der of­fen­ba­ren Ab­sicht, die Di­stanz zu wah­ren und sei­nem ehe­ma­li­gen Ka­me­ra­den und jet­zi­gen Kol­le­gen den rich­ti­gen Platz an­zu­wei­sen.

      Kaum wa­ren sie über die Schwel­le, so sag­te Saint-Po­tin la­chend zu Du­roy:

      »Das ist ein Wich­tig­tu­er. Er spielt uns Thea­ter vor, als ob wir sei­ne Le­ser wä­ren.«

      Sie gin­gen den Bou­le­vard hin­ab und der Re­por­ter frag­te:

      »Trin­ken Sie et­was?«

      »Ja, gern, es ist sehr heiß heu­te.«

      Sie gin­gen in ein Café und lie­ßen sich et­was Er­fri­schen­des brin­gen; und Herr Saint-Po­tin be­gann zu re­den und wuss­te über die Zei­tung und über je­der­mann eine Fül­le er­staun­li­cher Ein­zel­hei­ten zu er­zäh­len.

      »Der Chef? Der rich­ti­ge Jude! Die Ju­den kann man nie um­mo­deln. Das ist eine Ras­se!« Und er führ­te die merk­wür­digs­ten Bei­spie­le von sei­nem Geiz an, die­sen ei­gen­tüm­li­chen Geiz der Kin­der Is­raels, der sich um zehn Cen­ti­mes strei­tet, mit der Kö­chin scha­chert, in scham­lo­ses­ter Wei­se Ab­zü­ge bei Zah­lun­gen durch­setzt und auf Pfän­der leiht und wu­chert.

      »Da­bei ist er ein pfif­fi­ger Kopf, der an nichts glaubt und alle Welt übers Ohr haut. Sei­ne Zei­tung ist of­fi­zi­ös, ka­tho­lisch, li­be­ral, re­pu­bli­ka­nisch und or­lea­nis­tisch zu­gleich, ein Kram­la­den für al­les; er hat sie nur ge­grün­det, um sei­ne Bör­sen­spe­ku­la­tio­nen und sons­ti­gen Un­ter­neh­mun­gen zu stüt­zen. Da­rin ist er groß­ar­tig; er ver­dient Mil­lio­nen durch Ge­sell­schaf­ten, die nicht vier Sous Ka­pi­tal ha­ben.«

      So ging es wei­ter, wo­bei er Du­roy im­mer »Mein lie­ber Freund« nann­te.

      »Und da­bei hat die­ser Geiz­hals Aus­drücke wie Balzac. Den­ken Sie, neu­lich war ich in sei­nem Ar­beits­zim­mer, mit dem al­ten Nar­ren de Nor­bert und die­sem Don Qui­chot­te Ri­val; da kommt Mon­te­lin, un­ser Ver­wal­ter, mit sei­ner Ak­ten­map­pe aus Saf­fi­an­le­der, die ganz Pa­ris üb­ri­gens kennt. Wal­ter hob die Nase und frag­te: ›Was gibt es Neu­es?‹ Mon­te­lin er­wi­der­te ganz harm­los: ›Ich habe ge­ra­de die sieb­zehn­tau­send Fran­cs be­zahlt, die wir dem Pa­pier­lie­fe­ran­ten schul­de­ten.’ Da sprang der Chef wü­tend in die Höhe:

      ›Was sag­ten Sie?‹

      ›Ich habe eben Herrn Pri­vas be­zahlt.‹

      ›Sie sind wohl ver­rückt?‹

      ›Wie­so?‹

      ›Wie­so … wie­so … wie­so!‹ Er nahm sei­ne Bril­le ab und putz­te die Glä­ser. Dann ver­zog er das Ge­sicht zu ei­nem son­der­ba­ren Lä­cheln, das je­des Mal sei­ne di­cken Ba­cken um­spielt, wenn er ein bos­haf­tes oder kräf­ti­ges Wort sa­gen will, und dann sag­te er mit spöt­ti­schem, über­zeug­tem Ton: ›Wie­so? Wir hät­ten dar­auf noch einen Ra­batt von vier­tau­send bis fünf­tau­send Fran­cs er­zie­len kön­nen!‹

      Mon­te­lin ent­geg­ne­te er­staunt: ›A­ber Herr Di­rek­tor, sämt­li­che Rech­nun­gen wa­ren in Ord­nung. Sie wa­ren von mir nach­ge­prüft und von Ih­nen für rich­tig be­fun­den.’

      Der Chef war wie­der ernst ge­wor­den; er er­klär­te:

      ›Nicht alle sind so naiv wie Sie. Mer­ken Sie sich, Herr Mon­te­lin, man muss hohe Schul­den stets an­wach­sen las­sen, um sie nach­her her­un­ter­han­deln zu kön­nen.‹

      Saint-Po­tin setz­te mit dem er­ha­be­nen Ge­sicht ei­nes Ken­ners hin­zu:

      »Na, ist das nicht der rei­ne Balzac?«

      Du­roy hat­te nie Balzac ge­le­sen, aber er ant­wor­te­te mit Über­zeu­gung: »Weiß der Teu­fel, ja.«

      Dann er­zähl­te der Re­por­ter über Ma­da­me Wal­ter. Er nann­te sie eine dum­me Pute, Nor­bert de Va­ren­ne einen al­ten Nar­ren und Ri­val eine Neu­auf­la­ge von Fer­vac­ques.

      End­lich war er bei Fo­res­tier an­ge­langt:

      »Was die­sen Mann an­geht, er hat­te nur das Glück, sei­ne Frau ge­hei­ra­tet zu ha­ben. Das ist al­les!«

      Du­roy frag­te:

      »Was ist ei­gent­lich sei­ne Frau?«

      Saint-Po­tin rieb sich die Hän­de: »Oh, ein

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