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dass man jetzt das Blatt ver­kauf­te, ohne dass er es hat­te brin­gen se­hen. Er stürz­te dar­auf, warf drei Sous hin, ent­fal­te­te die Zei­tung und las das In­halts­ver­zeich­nis auf der ers­ten Sei­te rasch durch. — Nichts. — Sein Herz be­gann hef­tig zu klop­fen. Er schlug die zwei­te Sei­te auf und las in hef­ti­ger Er­re­gung un­ter ei­ner Spal­te dick ge­druckt: »Ge­or­ges Du­roy.« Also doch. Wel­che Freu­de!

      Ganz ver­wirrt, den Zy­lin­der aufs Ohr ge­drückt, die Zei­tung in der Hand, ging er los. Er fühl­te ein Ver­lan­gen, die Passan­ten an­zu­hal­ten und ih­nen zu er­klä­ren: »Kau­fen Sie sich das, kau­fen Sie sich das. Da steht ein Ar­ti­kel von mir!« — Am liebs­ten hät­te er wie die Stra­ßen­händ­ler abends auf den Bou­le­vards aus vol­ler Keh­le ge­schri­en: »Lest die Vie Françai­se, lest den Ar­ti­kel von Ge­or­ges Du­roy, Erin­ne­run­gen ei­nes afri­ka­ni­schen Jä­gers«.

      Und plötz­lich emp­fand er das Be­dürf­nis, selbst den Ar­ti­kel zu le­sen, und zwar öf­fent­lich in ir­gend­ei­nem Café, wo alle es se­hen konn­ten. Er woll­te ein be­such­tes Lo­kal fin­den; er muss­te aber lan­ge su­chen, bis er end­lich an eine Wein­schen­ke kam, wo sich schon ei­ni­ge Gäs­te be­fan­den. Er be­stell­te sich einen Rum in ei­nem Tone, als ob er einen Ab­sinth be­stellt hät­te, ohne an die Ta­ges­zeit zu den­ken. Dann rief er: »Kell­ner, ge­ben Sie mir die Vie Françai­se.«

      Ein Mann mit wei­ßer Schür­ze eil­te her­ein. »Wir ha­ben sie nicht, mein Herr, wir be­kom­men nur ›Le Rap­pel‹, ›Le Sie­cle‹, ›La Lan­ter­ne‹ und ›Le Pe­tit Pa­ri­si­en‹.«

      Du­roy er­wi­der­te wü­tend und ent­rüs­tet: »Das ist eine net­te Bude; kau­fen Sie mir das Blatt so­fort.«

      Der Kell­ner lief hin­aus und brach­te die Zei­tung. Du­roy be­gann sei­nen Ar­ti­kel zu le­sen, ein paar­mal sag­te er da­bei ganz laut: »Vor­treff­lich, aus­ge­zeich­net«, um die Auf­merk­sam­keit sei­ner Nach­barn auf sich zu len­ken und ih­nen den Wunsch ein­zu­flö­ßen, auch zu wis­sen, was im Blat­te stand. Dann ließ er es auf dem Tisch lie­gen und ging fort. Der Wirt merk­te es:

      »Mein Herr, mein Herr, Sie ha­ben Ihre Zei­tung ver­ges­sen.«

      Du­roy ant­wor­te­te: »Ich las­se sie Ih­nen, ich habe sie schon ge­le­sen. Üb­ri­gens steht heu­te et­was sehr In­ter­essan­tes drin.«

      Er nann­te sei­nen Ar­ti­kel nicht, aber er sah, als er fort­ging, wie ei­ner der Gäs­te die Zei­tung vom Tisch nahm.

      Er dach­te nach: »Was soll ich jetzt an­fan­gen?« Und er ent­schloss sich, auf sein Büro zu ge­hen, sich sein Ge­halt zu ho­len, und sei­nen Ab­schied zu neh­men. Er zit­ter­te im Voraus vor Freu­de bei dem Ge­dan­ken an das Ge­sicht, das sein Chef und sei­ne Kol­le­gen ma­chen wür­den. Vor al­lem freu­te ihn die Aus­sicht, sei­nen Vor­ge­setz­ten wü­tend zu ma­chen.

      Er ging lang­sam, um nicht vor halb zehn an Ort und Stel­le zu sein, denn die Kas­se wur­de erst um zehn ge­öff­net.

      Sein Büro war ein dunkles, großes Zim­mer, in dem man im Win­ter fast den gan­zen Tag Gas bren­nen muss­te. Die Fens­ter gin­gen auf einen en­gen Hof, ge­gen­über la­gen an­de­re Bü­ros. In dem sei­nen ar­bei­te­ten acht An­ge­stell­te und der Vor­ge­setz­te, der in der Ecke hin­ter ei­nem Wand­schirm saß.

      Du­roy ging zu­erst, sei­ne 118 Fran­cs und 25 Cen­ti­mes ab­zu­ho­len, die in ei­nem gel­ben Brief­um­schlag in der Schub­la­de des Kas­sie­rers be­reit­la­gen. Dann trat er über­mü­tig und tri­um­phie­rend in den Ar­beits­raum, wo er so man­chen Tag ver­bracht hat­te. Kaum war er ein­ge­tre­ten, da rief ihn sein Vor­ge­setz­ter, Herr Po­tel:

      »Ach, Sie sind es, Herr Du­roy? Der Chef hat­te mehr­fach nach Ih­nen ge­fragt. Sie wis­sen doch, dass es nicht ge­stat­tet ist, zwei Tage nach­ein­an­der krank­heits­hal­ber ohne ärzt­li­ches At­test fort­zu­blei­ben.«

      Du­roy stand mit­ten im Zim­mer und be­rei­te­te sei­ne Über­ra­schung vor. Er ant­wor­te­te mit lau­ter Stim­me:

      »Ich pfei­fe dar­auf, wahr­haf­tig!«

      Un­ter den Be­am­ten schlug das wie eine Bom­be ein, und das ver­blüff­te Ge­sicht des Herrn Po­tel tauch­te über dem Wand­schirm auf, der ihn wie ein Kas­ten um­gab. Er litt an Rheu­ma­tis­mus und hat­te sich aus Furcht vor Zug­luft da­hin­ter ver­baut. Er hat­te nur zwei Lö­cher durch das Pa­pier ge­bohrt, um sein Per­so­nal zu über­wa­chen.

      Es war so still, dass man die Flie­gen sum­men hör­te. End­lich frag­te der Vor­ste­her zö­gernd:

      »Was sag­ten Sie?«

      »Ich sag­te, ich pfei­fe dar­auf. Ich kom­me heu­te nur, um mei­ne Ent­las­sung zu neh­men. Ich habe eine Stel­lung als Re­dak­teur der Vie Françai­se an­ge­nom­men mit 500 Fran­cs mo­nat­li­chem Ge­halt und be­son­de­rem Zei­len­ho­no­rar. Heu­te früh wur­de schon mein ers­ter Ar­ti­kel ver­öf­fent­licht.

      Er hat­te sich zwar vor­ge­nom­men, das Ver­gnü­gen in die Län­ge zu zie­hen, konn­te je­doch nicht dem Dran­ge wi­der­ste­hen, ih­nen al­les auf ein­mal an den Kopf zu wer­fen. Üb­ri­gens war die Wir­kung groß­ar­tig; nie­mand wag­te einen Ton von sich zu ge­ben.

      Da­rauf er­klär­te Du­roy:

      »Ich wer­de Herrn Per­thuis be­nach­rich­ti­gen und mich dann ver­ab­schie­den.«

      Da­mit ging er zum Bü­ro­chef. Als die­ser ihn er­blick­te, rief er aus:

      »Ah, da sind Sie, Sie wis­sen doch, ich wün­sche nicht …«

      Du­roy un­ter­brach ihn:

      »Sie kön­nen sich Ihr Ge­schrei er­spa­ren …«

      Herr Per­thuis, ein di­cker Mann, des­sen Ge­sicht rot wie ein Hah­nen­kamm wur­de, er­stick­te fast vor Über­ra­schung. Du­roy fuhr fort:

      »Ich habe ge­nug von Ih­rer Bude, heu­te Mor­gen habe ich mich als Jour­na­list ein­ge­führt und be­reits eine glän­zen­de Stel­lung ge­fun­den. Ich emp­feh­le mich!«

      Er ging hin­aus. Er war ge­rächt.

      Er ging dann wirk­lich hin, um sei­nen bis­he­ri­gen Kol­le­gen die Hand zu schüt­teln. Sie wag­ten üb­ri­gens kaum mit ihm zu spre­chen, aus Angst, sich zu kom­pro­mit­tie­ren, denn sie hat­ten durch die of­fe­ne Tür sei­ne gan­ze Un­ter­hal­tung mit dem Chef ge­hört.

      Nun stand er wie­der auf der Stra­ße mit sei­nem Ge­halt in der Ta­sche. Er leis­te­te sich ein üp­pi­ges Früh­stück in ei­nem gu­ten Re­stau­rant zu mä­ßi­gen Prei­sen, das er kann­te. Dann kauf­te er sich wie­der die Vie Françai­se und ließ sie auf dem Tisch lie­gen, an dem er ge­ges­sen hat­te. Er ging in meh­re­re Lä­den und kauf­te sich Klei­nig­kei­ten, nur um sie sich schi­cken zu las­sen und sei­nen Na­men an­zu­ge­ben — »Ge­or­ges Du­roy«. Dann füg­te er hin­zu: »Ich bin Re­dak­teur der Vie Françai­se. Dann nann­te er Stra­ße und Haus­num­mer und ver­gaß nie, zu be­mer­ken:

      »Ge­ben Sie die Sa­chen beim Con­cier­ge ab.«

      Da er noch ge­nü­gend Zeit hat­te, ging er in eine li­tho­gra­fi­sche An­stalt, wo Be­suchs­kar­ten in ein paar Mi­nu­ten an­ge­fer­tigt wur­den, wäh­rend man dar­auf war­te­te. Er ließ sich so­fort 100 Stück her­stel­len, die sei­nen Na­men und sei­ne neue Wür­de tru­gen.

      Dann be­gab er sich in die Re­dak­ti­on.

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