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Stim­men bil­de­ten ein fort­ge­setz­tes selt­sa­mes Ge­schrei, mit dem sich zu­wei­len ein lau­tes Ge­läch­ter aus der brei­ten Brust ei­nes Bau­ern oder das lang­ge­zo­ge­ne Ge­brüll ei­ner Kuh ver­meng­te, die an der Wand ei­nes Hau­ses an­ge­bun­den war.

      Al­les roch nach Stall, Milch, Rauch, Heu und Schweiß; ström­te je­nen schar­fen, halb tie­ri­schen, halb mensch­li­chen Dunst aus, der den Land­leu­ten ei­gen ist.

      Meis­ter Hauch­e­cor­ne von Bréauté war in Go­der­ville ein­ge­trof­fen und steu­er­te dem Markt­plät­ze zu, als er an der Erde ein End­chen Schnur be­merk­te. Meis­ter Hauch­e­cor­ne, ein ech­ter spar­sa­mer Nor­man­ne, dach­te, dass man al­les auf­he­ben müs­se, was noch ir­gend­wie ver­wend­bar sei. Er bück­te sich müh­sam, denn er litt stark an Rheu­ma­tis­mus. Er hob das End­chen Schnur auf und wi­ckel­te es sorg­sam zu­sam­men, als er auf der Schwel­le sei­nes Hau­ses Meis­ter Ma­land­ain, den Satt­ler, be­merk­te, der ihm zu­schau­te. Sie hat­ten we­gen ei­nes Kum­mets ein­mal Streit mit­ein­an­der ge­habt und wa­ren sich seit­dem feind­lich ge­sinnt ge­blie­ben. Meis­ter Hauch­e­cor­ne schäm­te sich et­was, von sei­nem Fein­de da­bei be­ob­ach­tet zu wer­den, wie er in der Gos­se ein End­chen Schnur auf­las. Schnell ver­barg er sei­nen Fund un­ter dem Kit­tel und dann in sei­ner Ho­sen­ta­sche. Hier­auf stell­te er sich, als su­che er auf dem Bo­den et­was, das er nicht fin­den konn­te und ging dann dem Mark­te zu den Kopf we­gen sei­ner Schmer­zen vorn­über ge­beugt.

      Er ver­lor sich un­ter der lär­men­den lang­sam auf und ab­wo­gen­den Men­ge, die sich ih­ren end­lo­sen Han­dels­ge­schäf­ten wid­me­te. Die Land­leu­te un­ter­such­ten die Kühe, gin­gen fort, ka­men wie­der, im­mer in der Furcht her­ein­ge­legt zu wer­den, nicht wa­gend sich end­gül­tig zu ent­schei­den, miss­trau­isch den Käu­fer mus­ternd, und un­aus­ge­setzt die List des Man­nes oder den Feh­ler des Tie­res zu ent­de­cken su­chend.

      Die Frau­en hat­ten die große Kör­be vor sich hin­ge­setzt und das Ge­flü­gel her­aus­ge­nom­men, das nun. an den Füs­sen zu­sam­men­ge­bun­den, mit er­staun­tem Blick und ro­tem Kamm am Bo­den lag.

      Sie horch­ten auf die ge­bo­te­nen Prei­se, be­stan­den auf den ih­ri­gen mit zä­her Be­harr­lich­keit bis sie dann schliess­lich, wenn der Käu­fer schon von dan­nen ge­hen woll­te, plötz­lich her­un­ter­gin­gen und ihm nachrie­fen:

      »Gut Meis­ter Ant­hi­me. Ich geb es her.«

      Dann wur­de der Platz all­mäh­lich lee­rer; und als es zum »An­ge­lus« läu­te­te, be­ga­ben sich die­je­ni­gen, die wei­ter wohn­ten in die ver­schie­de­nen Wirts­häu­ser.

      Bei Jour­dain war der große Saal voll von Spei­sen­den, wie der große Hof voll von Fuhr­wer­ken al­ler Art: von Kar­ren, Wa­gen, Gigs, Ein- und Zwei­spän­nern, un­nenn­ba­ren Fahr­zeu­gen, star­rend von Schmutz, un­förm­lich zum Teil, viel­fach ge­flickt, de­ren Deich­seln wie zwei Arme zum Him­mel er­ho­ben wa­ren, oder um­ge­kehrt auf der Erde ruh­ten, wäh­rend der Hin­ter­teil in die Luft rag­te.

      Den Spei­sen­den ge­gen­über warf der un­ge­heu­re, hell an­ge­fach­te Ka­min sei­ne wär­me­n­den Strah­len auf den Rücken der zur Rech­ten sit­zen­den. An dem­sel­ben brie­ten auf drei Brat­spies­sen Hüh­ner, Tau­ben und Schöp­sen­keu­len. Ein le­cke­rer Ge­ruch von ge­bra­te­nem Fleisch und saf­ti­ger Sau­ce, die aus dem­sel­ben her­vor­quoll, stieg zur De­cke em­por, mach­te den Mund wäs­se­rig und stimm­te zur Fröh­lich­keit.

      Die gan­ze bes­ser si­tu­ier­te Welt der Land­leu­te speis­te dort bei Meis­ter Jour­dain, Wirt und Pfer­de­händ­ler in ei­ner Per­son, ei­nem ge­rie­be­nen Bur­schen, der man­chen Ta­ler im Kas­ten hat­te.

      Die Schüs­seln wan­der­ten auf und ab, und leer­ten sich eben­so schnell wie die Fla­schen mit gold­gel­bem Ci­der. Man un­ter­hielt von der Ern­te. Das Wet­ter war für das Grün­fut­ter güns­tig, aber für das Ge­trei­de et­was zu nass. Je­der er­zähl­te von sei­nen Ge­schäf­ten, sei­nen Käu­fen und Ver­käu­fen.

      Plötz­lich tön­te im Hofe vor dem Hau­se die Trom­mel. Alle Welt stand mit Aus­nah­me ei­ni­ger Gleich­gül­ti­ger so­fort auf. und rann­te vor die Tür, an die Fens­ter, den Mund noch voll Es­sen und die Ser­vi­et­te in der Hand.

      Nach­dem der Aus­ru­fer sei­nen Wir­bel be­en­det hat­te, ver­kün­de­te er mit lau­ter Stim­me, Satz für Satz be­to­nend:

      »Es wird zur Kennt­nis der Ein­woh­ner von Go­der­ville ge­bracht – und na­ment­lich al­ler Be­su­cher des Mark­tes, – dass heu­te Mor­gen zwi­schen neun und zehn Uhr – auf der Stras­se von Beu­ze­ville – eine schwarz­le­der­ne Brief­ta­sche – mit fünf­hun­dert Fran­cs und ver­schie­de­nen Ge­schäfts­pa­pie­ren – ver­lo­ren wor­den ist. – Der ehr­li­che Fin­der wird ge­be­ten – die­sel­be auf der hie­si­gen Mai­rie oder bei – Herrn For­tu­ne Houl­brèque in Man­ne­ville ge­gen eine Be­loh­nung von 20 Fran­cs ab­zu­ge­ben.«

      Dann ent­fern­te sich der Mann. Noch ein­mal hör­te man von wei­tem das dump­fe Ras­seln sei­ner Trom­mel und schwa­chen Laut sei­ner Stim­me.

      Hier­auf be­gann eine leb­haf­te Un­ter­hal­tung über die­sen Zwi­schen­fall. Man er­wog die Aus­sich­ten, die Meis­ter Houl­brèque hat­te, sein Ei­gen­tum wie­der zu er­hal­ten oder für im­mer zu ver­lie­ren.

      Die Mahl­zeit ging zu Ende.

      Man war ge­ra­de beim Kaf­fee, als der Gen­dar­me­rie-Bri­ga­dier auf der Schwel­le er­schi­en.

      »Ist Herr Hauch­e­cor­ne von Béauté hier?« frag­te er.

      »Hier bin ich,« ant­wor­te­te Meis­ter Hauch­e­cor­ne, der am an­de­ren Ende des Zim­mers ge­ses­sen hat­te.

      »Ich er­su­che Sie, Herr Hauch­e­cor­ne,« nahm der Bri­ga­dier wie­der das Wort, »mich ge­fäl­ligst zur Mai­rie zu be­glei­ten. Der Herr Maire hät­te ein Wort mit Ih­nen zu re­den.«

      Der über­rasch­te Land­mann stiess be­stürzt sein Glas von sich und folg­te dem Bri­ga­dier in noch ge­bück­terer Hal­tung als am Vor­mit­tag; denn nach je­der Ruhe mach­ten sich sei­ne Gicht­schmer­zen dop­pelt fühl­bar. »Ich kom­me schon, ich kom­me schon,« mur­mel­te er da­bei fort­wäh­rend.

      Der Maire er­war­te­te ihn in sei­nem Ses­sel sit­zend. Es war der No­tar des Or­tes, ein di­cker erns­ter Mann, der sich stets in schwung­haf­ten Phra­sen be­weg­te.

      »Meis­ter Hauch­e­cor­ne; be­gann er, »man hat Sie heu­te Mor­gen be­ob­ach­tet, wie Sie auf der Stras­se von Beu­ze­ville die Brief­ta­sche auf­ho­ben, die Herr Houl­brèque von Man­ne­ville ver­lo­ren hat.«

      Schon der Ver­dacht der auf ihn las­te­te, ohne dass er den Grund da­für be­griff, ver­setz­te den Land­mann in Furcht. Fas­sungs­los starr­te er den Maire an.

      »Ich? Ich soll die Brief­ta­sche auf­ge­ho­ben ha­ben?«

      »Ja, Sie.«

      »Auf mein Wort, ich habe kei­ne Ah­nung da­von ge­habt.«

      »Man hat Sie be­ob­ach­tet.«

      »Mich be­ob­ach­tet? Wer will mich, ge­se­hen ha­ben?«

      »Herr Ma­land­ain, der Satt­ler.«

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