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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Ein Soldat legte das mit Fischen gefüllte Netz, welches er sorglich mitgebracht hatte, zu Füssen des Offiziers.
»Ah!« machte der Preusse »es ist gut gegangen, wie ich sehe. Aber nun von etwas anderem. Hören Sie mich ruhig an.«
»In meinen Augen sind Sie zwei Spione, die zu meiner Beobachtung ausgesandt wurden. Ich habe Sie aufgegriffen und werde Sie erschiessen lassen. Sie haben sich fischend gestellt, um ihre eigentliche Absicht zu verheimlichen. Nun sind Sie in meiner Gewalt. Umso schlimmer für Sie. Das ist nun mal im Kriege nicht anders.«
»Aber, da Sie über die Vorposten hinausgekommen sind, haben Sie für die Rückkehr sicher ein Losungswort. Geben Sie mir dasselbe, und ich lasse Gnade vor Recht ergehen.«
Die beiden Freunde standen bleich nebeneinander; ein leichtes nervöses Zittern bewegte ihre Hände. Aber sie schwiegen.
»Niemand wird etwas davon erfahren«; nahm der Offizier wieder das Wort. »Sie werden unbehelligt nach Hause zurückkehren. Das Geheimnis wird mit Ihnen wieder verschwinden. Wenn Sie sich aber weigern, so ist das Ihr Tod, und zwar sofort. Also wählen Sie.«
Sie blieben regungslos ohne den Mund zu öffnen.
»Bedenken Sie,« sagte der Offizier ruhig, mit der Hand nach dem Flusse deutend, »dass Sie in fünf Minuten auf dem Grunde des Wassers liegen werden. In fünf Minuten. Denken Sie an Ihre Angehörigen.«
Der Mont-Valerien donnerte weiter.
Die beiden Angler standen schweigend da. Der Deutsche erteilte in seiner Sprache einige Befehle. Dann schob er seinen Stuhl weiter zurück, um nicht zu nahe bei den Gefangenen zu sein. Zwölf Mann stellten sich, Gewehr bei Fuss, zwanzig Schritt vor ihnen auf.
»lch gebe Ihnen eine Minute Zeit; keine Sekunde länger.« begann der Offizier wieder.
Dann erhob er sich plötzlich, näherte sich den beiden Franzosen, nahm Morissot beim Arm, führte ihn etwas fort, und sagte ihm leise:
»Schnell das Losungswort. Ihr Kamerad wird nichts davon erfahren. Ich werde tuen, als hätte ich mich anders besonnen.
Morissot antwortete nichts.
Der Preusse wandte sich nun an Herrn Sauvage und stellte ihm dieselbe Frage.
Herr Sauvage antwortete nichts.
Nun standen beide wieder nebeneinander.
Der Offizier kommandierte; die Soldaten legten an.
Da fiel der Blick Morissot’s zufällig auf das Netz mit Fischen, welches einige Schritte vor ihnen im Grase liegen geblieben war.
Ein Sonnenstrahl ließ den Fischhaufen erglänzen, in dem sich noch Leben rührte. Morissot fühlte eine Anwandlung von Schwäche. Seine Augen füllten sich trotz aller Anstrengung mit Tränen.
»Adieu Herr Sauvage.« murmelte er.
»Adieu Herr Morissot,« antwortete dieser.
Sie drückten sich die Hände, während ein unüberwindbares Zittern ihren ganzen Körper durchlief. »Feuer!« kommandierte der Offizier.
Wie auf einen Schuss knallten die zwölf Gewehre.
Herr Sauvage fiel wie ein Klumpen vornüber. Morissot, der etwas grösser war, zuckte heftig, drehte sich um sich selbst und fiel quer über seinen Kameraden, das Gesicht zum Himmel gewandt, während das Blut aus seiner auf der Brust durchlöcherten Blouse rieselte.
Der Deutsche erteilte neue Befehle.
Seine Leute verschwanden und kamen bald darauf mit einigen Stricken und Steinen zurück, welch letztere sie an die Füsse der beiden Toten banden. Dann schleppten sie dieselben an’s Ufer.
Der Mont-Valerien hörte nicht auf zu grollen; er war jetzt wie ein Vulkan anzusehen.
Zwei Soldaten ergriffen Morissot am Kopf und bei den Füssen; zwei andere machten es ebenso mit Herrn Sauvage. Einen Augenblick schwenkten sie die leblosen Körper hin und her, dann schleuderten sie dieselben weit fort; sie beschrieben einen großen Bogen und tauchten dann aufrecht im Flusse unter, indem das Gewicht der Steine ihre Füsse zuerst herabzog.
Das Wasser klatschte laut auf, schäumte, rauschte und beruhigte sich dann wieder, während kleine Kreise, immer grösser werdend, sich bis zum Ufer hinzogen.
Ein leichter Blutstreifen färbte für einen Augenblick die klare Flut,
»Ein gutes Fressen für die Fische.« sagte halblaut der Offizier, den seine heitre Laune keinen Augenblick verlassen hatte.
Dann kehrte er ins Haus zurück.
Plötzlich bemerkte er die Fische in dem Netze wieder. Er hob sie auf, betrachtete sie lange und rief dann lachend: »Wilhelm!«
Ein Soldat mit einer weißen Schürze lief herbei. Der Preusse warf ihm das Netz mit den Fischen der beiden Erschossenen zu. »Du kannst mir gleich diese kleinen Tierchen da braten; sie sind noch ganz frisch. Sie werden köstlich schmecken.«
Dann rauchte er seine Pfeife weiter.
*
Ein Stückchen Bindfaden
An Harry Alis.
Auf allen Strassen und Wegen rings um Goderville zogen die Landleute mit ihren Frauen dem Flecken zu, wo heute Markttag war. Die Männer gingen langsamen Schrittes und beugten sich bei jeder Bewegung ihrer langen, krummen Beine vornüber. Ihr Körper trug die Merkmale schwerer Arbeit. Das ewige Aufdrücken beim Pflügen hatte die linke Schulter emporgezogen, den Leib gekrümmt; und durch das Getreide-Mähen waren die Knie geknickt, um einen besseren Schwung nehmen zu können. Ihre blauen gesteiften Kittel, am Hals und an den Ärmelbördchen mit weißer Stickerei versehen, glänzten als ob sie lackiert wären. Der Wind blähte sie um den knochigen Körper auf, sodass sie einem Luftballon glichen, der im nächsten Augenblick aufsteigen soll und aus dem ein Kopf, zwei Arme und zwei Füsse hervorragen.
Die einen zogen eine Kuh, die anderen ein Kalb hinter sich her. Die Frauen trieben von rückwärts, mittels eines abgerissenen Zweiges, an dem noch die Blätter hafteten, das Tier zu schnellerem Gange an. Sie trugen am Arme große Körbe, aus denen hier die Köpfe von Hühnern, dort von Enten herausschauten. Sie machten kürzere aber lebhaftere Schritte als ihre Männer. Ihre eingefallene