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Auch wenn Prue kein Medizinstudium vorzuweisen hat; sie weiß trotzdem mehr über Heilkräfte als der gesamte Ärztestamm im St. Johns Medical Center.«

      »Prue …? Ist das Ihre Freundin?«

      »Freundin ist wohl übertrieben«, erklärte Greco. »Wir leben zusammen. Zweckmäßig sozusagen.« Er grinste süffisant und zwinkerte ihr zu. »Ich verrate dir ein Geheimnis, eigentlich heißt sie Prudence. Aber sie hasst diesen Namen und daher vermeide ich tunlichst, ihn in ihrer Gegenwart zu benutzen. Außer, ich will sie ärgern. Das wird dann jedes Mal sehr unangenehm.«

      Er lachte, ließ aber offen, für wen es unangenehm wurde.

      »Haben Sie … den Wolf getötet, der mich angegriffen hat?«

      Greco wiegte den Kopf von einer Seite zur anderen. »Sagen wir, ich habe dafür gesorgt, dass er dir kein Leid mehr zufügt. Das mit deiner Verletzung tut mir leid.« Er wirkte ehrlich betroffen darüber. Warum nur? Er konnte ja nichts dafür. »Tut es sehr weh?«

      »Es geht«, log sie, obwohl der Schmerz Übelkeit verursachte, die in Wellen kam und ging.

      »Mhm!« Er sah sie nachdenklich an, offenbar glaubte er ihr nicht. »Du solltest dich noch eine Weile ausruhen. Es wird sicher bald besser.« Er zögerte, schien zu überlegen und nickte schließlich wie zu sich selbst. »Schlaf ist immer heilsam. Also schläfst du am besten. Ich werde Prue darum bitten, dir etwas zu geben.«

      Nachdem er gegangen war, blieb eine erdrückende Leere zurück. Weiterschlafen? Es klang verlockend, weil sie damit der Wahrheit hätte entkommen können, die sie immer noch nicht verstand. Doch sie war nicht müde, nur erschöpft. Außerdem tat ihre Seite viel zu weh, um einzuschlafen. Diese komische Salbe brannte. Wenn sie still dalag, pochte es mit jedem Herzschlag. Hoffentlich hatte sich die Wunde nicht entzündet. Oder vielleicht war auch die Salbe verunreinigt? Ungeeignet? Greco hatte selbst gesagt, dass Prue keine Ärztin war. Ob sie dann an einer Blutvergiftung starb? Der Wolf könnte auch krank gewesen sein. Wenn sie nun Tollwut bekam? Oder sonst was?

      Ehe sich die Panik in ihr manifestieren konnte, kehrte Prue wieder zurück. Sie stellte einen Becher auf den Nachttisch.

      »Ich rate dir, das zu trinken.«

      »Was … ist das?« Eine leise Stimme warnte Kim davor, den Becher auch nur anzurühren.

      »Frag nicht. Wenn du es weißt, wirst du es nicht mehr trinken wollen.« Erneut dieses süßliche Lächeln, das so falsch wirkte wie die Wahlversprechungen der Politiker.

      »Ich glaube …, ich … verzichte.«

      Prue zuckte unbeeindruckt die Schultern. »Gut. Deine Wahl. Greco wird nicht begeistert sein und …« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, ehe sie mit einem weitaus boshafteren, dafür aber umso ehrlicheren Lächeln weitersprach. »Wenn die Schmerzen unerträglich werden, wirst du es sowieso trinken, glaub’ mir. Also kannst du es auch gleich tun. Wenn wir dir schaden wollten, hätten wir dich wohl kaum aufwachen lassen, meinst du nicht?«

      Ohne Kims Antwort abzuwarten, drehte sich Prue um und verließ dem Raum. Als ob es ihren Worten Nachdruck verleihen wollte, setzte umgehend der Schmerz in Kims Seite mit so viel Heftigkeit ein, dass sie sich auf den Fußboden übergab. Kalter Schweiß überzog ihren Körper und ihr Blick wurde von dem unheimlichen Gebräu auf ihrem Nachttisch nahezu magisch angezogen.

      Trotz seiner inneren Unruhe und Sorge hatte sich Proud ein paar Stunden Schlaf gegönnt, um nicht völlig durchzudrehen. Erstaunlich, wie groß die Erschöpfung unter solchen Umständen auch für einen der ihren werden konnte, obwohl sie für gemeinhin relativ wenig Schlaf benötigten.

      Sein Erwachen hielt die nächste unliebsame Überraschung für ihn bereit. Entgegen Prouds Überzeugung hatte Logan bereits mit Lillith gesprochen und sie auch gleich mitgebracht, damit sie versuchte, Beth in ihrer Bewusstlosigkeit zu erreichen und zurückzuholen. Er war fest entschlossen, sie dabei nicht aus den Augen zu lassen, denn er vertraute ihr nicht im Geringsten. Ganz im Gegensatz zu Logan. Was verband den Cherub nur mit dieser Hexe?

      Ohne sich an seiner offensichtlichen Skepsis zu stören, zündete Lillith unzählige weiße und schwarze Kerzen an, die sie mitgebracht hatte. Anschließend streute sie Salz in einem Halbkreis um das Bett herum, ehe sie ein Stück Kreide hervorholte und mystische Zeichen auf den Boden malte.

      Nachdem sie damit fertig war, trat sie zurück und atmete tief durch.

      »Wenn Magnus davon erfährt, wird er mich umbringen.«

      Warum tat sie es dann? Ihm lag auf der Zunge, dass er sie nicht darum gebeten hatte und sie jederzeit verschwinden könnte, aber er schluckte die Worte hinunter, weil der Funken Hoffnung, dass sie Erfolg hatte, einfach mächtiger war als sein Argwohn.

      »Wenn Beth auch nur das geringste Leid bei diesem Zauber hier widerfährt, wird es nicht der Uriel sein, vor dem du dich fürchten musst, Hexe«, grollte er drohend. Logans warnende Miene mit hochgezogenen Brauen ignorierte er geflissentlich.

      Lillith begegnete seinem Blick ohne Furcht. »Ich dachte, inzwischen wüsstest du, dass ich auf eurer Seite stehe.«

      Darüber konnte er nur lachen, aber gerade fehlte ihm der Humor. Er nahm sich vor, sie später zu fragen, ob Magnus den Kontakt zu Kyle gesucht hatte. Wenn es einer wissen konnte, dann vermutlich sie.

      »Geht jetzt. Alle!«, verlangte die Strigoi.

      Kyle kam ihrer Bitte augenblicklich nach. Ebenso wie Kesha und Lloyd. Zurück blieben nur Proud und Logan. Der Herr der Gestaltwandler fasste ihn fest am Oberarm, Proud rührte sich keinen Millimeter.

      »Ich kann das Ritual nicht in eurem Beisein durchführen«, erklärte Lillith.

      Proud verengte die Augen drohend zu schmalen Schlitzen.

      »Lass sie machen«, raunte Logan. »Lillith weiß, was sie tut.«

      »Das rate ich ihr.«

      Noch immer sträubte sich alles in ihm, Beth mit ihr allein zu lassen, aber ihm blieb wohl keine Wahl, weshalb er Logan schließlich folgte. Das Geräusch der Zimmertür, die sich hinter ihnen Schloss, war wie ein Dolch in seinem Herzen.

      Über eine Stunde blieb die Hexe mit Beth allein. Jede Sekunde davon marterte Prouds Seele. Die Unruhe in ihm wuchs beständig. Nicht einmal Logan wusste, was genau Lillith dort tat. Was, wenn sie Beth etwas antat? Oder noch schlimmer: Sie entführte?

      Logan war zumindest oben vor der Zimmertür geblieben und hatte versprochen, aufzupassen. Der Rest von ihnen harrte im Erdgeschoss aus und fieberte der Rückkehr von Magnus’ Strigoi entgegen.

      Proud war bereits drauf und dran, den Ritualraum zu stürmen, als sich endlich die Tür des Salons öffnete und die Hexe an Logans Seite eintrat. Sowohl Proud wie auch Kyle sprangen augenblicklich auf die Füße und blickten Lillith angespannt entgegen.

      »Es ist kein Zauber, der auf ihr liegt«, erklärte sie ohne Umschweife. »Das ist einerseits gut, weil ich einen fremden Zauber nur bedingt aufheben kann, wie ihr wisst. Aber andererseits ist es schlecht, da ich keine Ahnung habe, was sonst der Grund für ihren komaähnlichen Schlaf ist. Daher kann ich ihr im Augenblick nicht helfen. Sofern ich das beurteilen kann, fehlt ihr weder körperlich noch seelisch etwas. Ich kann nicht sagen, was sie in diesen Träumen festhält. Die Wandlung ist es jedenfalls nicht. Sie ist fast vollendet, der Körper wehrt sich nicht dagegen. Trotzdem will sie nicht aufwachen. Keins meiner Elixiere und keiner meiner Zaubersprüche zeigt irgendeine Wirkung. Ich erreiche sie nicht. Eine seelische Verbindung, um sie aus dem Schlaf herauszurufen, kann ich nicht knüpfen, was aber nicht ungewöhnlich ist. Das ist mit einem Azrae schlicht nicht möglich und sie ist praktisch bereits einer.«

      Resigniert ließ Kyle die Schultern hängen. Diese Neuigkeit sog ihm alle Kraft aus dem Körper, das war nicht zu übersehen. Es reichte nicht einmal mehr für einen anklagenden Blick Richtung Proud, und er musste zugeben, dass er sich gerade nicht darüber freuen konnte. Er litt genauso wie Kyle; vielleicht sogar ein bisschen

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