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Formular verschwand, und Randy füllte wieder die komplette Holografie aus,

      »Wie kann ich Sie erreichen, wenn es Probleme gibt?«, frage Bauza.

      Randy grinste. »Herr Bauza, ich bitte Sie!«, antwortete er. »Sie können uns nicht kontaktieren. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag! Bleiben Sie gesund!«

      Die Holografie erlosch.

       Drei Monate später …

      Das rechte Bein gab nach, nachdem sich Anton Bauza aus seinem Wellness-Sessel erhoben hatte, um sich ein weiteres Glas synthetischen Wodkas zu holen (der Gesundheitsdienst war großzügig, was die Versorgung mit Lebensmitteln und Getränken anging, bei Alkoholika gab es aber nur die billigsten Varianten) und er stürzte zu Boden. Die rechte Hüfte knirschte. Bauza fühlte, wie das Bein vom Hüftgelenk aus abwärts taub wurde.

      Gleichzeitig verschwand die VR-Show auf dem holografischen Bildschirm, die sich Bauza leicht benommen angesehen hatte, und machte dem Symbol der Deutschen Health Division Platz. Er schob sich mit dem linken Bein vor den Sessel, griff mit den Händen nach den Lehnen, stemmte sich hoch und ließ sich auf die Sitzfläche fallen.

      »Annehmen«, sagte er mit dumpfer Stimme.

      Eine Frau erschien auf der Holografie, schlank, fast dünn, schwarzhaarig und mit strengen Gesichtszügen. Bauza hatte den Eindruck, dass sie seiner Geliebten ähnelte, mit der er seine Frau in den letzten Jahren ihrer Beziehung betrogen hatte.

      »Hallo!«, sagte der Avatar. »Ich bin Anastasia. Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass das Romenna-Virus vorläufig eingedämmt werden konnte. Ihre Quarantäne ist aufgehoben. Die Deutsche Health Division übernimmt wieder die Kontrolle über Ihre MedBots. Oh!«

      Anastasias Gesicht wurde starr. Nach ein paar Sekunden schüttelte sie den Kopf und sah Bauza vorwurfsvoll an. »Wir registrierten eine massive Fehlfunktion Ihrer MedBots, als wir versuchten, sie mit einer neuen Firmware-Version zu überschreiben. Herr Bauza, Sie wissen doch, dass jegliche Manipulation der MedBots untersagt ist. Ich bedauere es, aber damit haben Sie den Anspruch auf die medizinische Versorgung im Ruhestand verloren.«

      »Aber …«, versuchte Bauza sich zu erklären. »Ohne die MedBots hätte ich es während der Quarantäne gar nicht ausgehalten.«

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      Anastasia schüttelte den Kopf. »Die Bestimmungen sind eindeutig. Ich bin nicht autorisiert, davon abzuweichen«, erwiderte sie. »Vermutlich können wir Ihre MedBots so weit instand setzen, dass wir Ihnen eine Schmerzbehandlung zukommen lassen können. Diese wäre wegen Ihres Regelverstoßes befristet auf sechs Monate.«

      »Sechs Monate …?«, echote Bauza.

      »Ja, genau, sechs Monate. Ich habe bereits gespeichert, dass Sie unser Angebot angenommen haben«, antwortete Anastasia und lächelte. »Sie können jederzeit auf die Euthanasie zurückgreifen, die jeder Bürgerin und jedem Bürger der Vereinigten Staaten von Europa unabhängig vom Versicherungsstatus zusteht. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«

      ANTIVIRUS

      von Bernhard Grdseloff

       1

      Ein scharrendes Geräusch riss Moritz Huang aus dem Schlaf. Er war Lärm nicht gewöhnt. Abgesehen jedenfalls vom vertrauten Brummen der Reinigungsmaschinen. Wegen des Gesundheitsnotstands und der Ausgangsbeschränkungen war es nachts immer sehr ruhig in der Stadt. Eigentlich auch am Tag.

      Dunkelheit umgab ihn. Huang tippte den Kommunikator an seinem Handgelenk an. Der kleine Bildschirm erstrahlte fahl. Es war kurz vor fünf. Wieder durchbrachen gedämpfte Laute die Stille. Sie kamen von draußen.

      Huang stieg aus dem Bett. Auf dem Weg zur Fensterfront griff er nach dem Bademantel und schlüpfte hinein: eine reine Vorsichtsmaßnahme, um einer möglichen Verkühlung vorzubeugen. Jede Schwächung des Immunsystems konnte unter den gegebenen Umständen fatale Folgen haben.

      Er lugte durch die Lamellen des Vorhangs hinunter auf die Straße. Sie holten jemanden ab. Von seinem Aussichtspunkt im zweiten Stock sah er das Ambulanzfahrzeug vor dem Eingang des Wohnhauses schräg gegenüber stehen. Es parkte direkt vor dem Eingang, mit geöffneter Schiebetür. Vermutlich war Letztere die Verursacherin des Geräusches, das ihn geweckt hatte. Es nieselte leicht und der nasse Asphalt glänzte im Licht der eingeschalteten Scheinwerfer.

      Vier Personen mit zwei Tragbahren verschwanden im Gebäude. Sie trugen hellgrüne Schutzanzüge, die den ganzen Körper von Kopf bis Fuß einhüllten. »Antivirus« stand in großen Lettern auf dem Rücken. Der gleiche Schriftzug prangte auf den Seiten und auf dem Dach des Fahrzeugs.

      Es war Spätherbst. Zu dieser Jahreszeit brach der Tag erst später an. Trotzdem beschloss Huang, sich nicht mehr hinzulegen. Er scrollte sich am Kommunikator zur Fernbedienung des Großbildschirms. Im nächsten Augenblick leuchtete fast die volle Fläche der Stirnwand des Lofts auf. Gleichzeitig ging das Licht an und eine leise Melodie erfüllte den Raum, überlagert von Vogelgezwitscher. Sekunden später meldete sich Mireille, seine persönliche Assistentin mit französischem Akzent. »Guten Morgen Moritz, bonjour. In drei Minuten und 41 Sekunden wird das Morgenbulletin des Gesundheitsministers übertragen. Willst du es sehen, mon Chérie?«

      »Selbstverständlich.« Aus den Augenwinkeln nahm Huang wahr, dass im Haus schräg gegenüber Licht hinter zwei Fenstern im dritten Stock anging.

      Auf dem Großbildschirm plätscherte jetzt ein klarer Bach über eine herbstliche Wiese. Ein Rudel Wölfe mit putzigen Welpen erschien. Die Tiere näherten sich dem Wasserlauf und tranken, begleitet von einer weiblichen Stimme: »… keine Seltenheit mehr, sogar hier am Rand der Stadt. In den zwei Jahrzehnten seit der Ausrufung des Gesundheitsnotstands ist die Natur wieder zum Leben erwacht. Tiere und Pflanzen erobern verlorene Lebensräume …«

      Unten auf der Straße rührte sich etwas. Huang wandte seine Aufmerksamkeit vom Bildschirm ab und dem realen Geschehen zu. Die vier in Schutzanzügen waren aus dem Haustor getreten. Auf jede der beiden Bahren hatten sie jemanden festgeschnallt. Der Größe nach handelte es sich um Erwachsene. Mehr konnte Huang nicht erkennen, weil die Erkrankten in Foliendecken eingewickelt waren und Atemmasken trugen. Wie es aussah, versuchte sich einer der beiden freizustrampeln.

      Unglaublich, wie unvernünftig manche Leute waren, dachte Huang. In den QS, den Quarantänesanatorien, wurden die Patienten erstklassig medizinisch betreut und versorgt. Es ist doch nur zu ihrem Besten. Und zum Schutz der Allgemeinheit vor Ansteckung.

      Die Leute von der AVS, der Antivirusstaffel, schoben die Bahren in ihr Fahrzeug und kletterten hinterher. Die Schiebetür scharrte und fiel ins Schloss. Das Elektrogefährt rollte geräuschlos davon. Drei Häuserblocks weiter verschwand es um die Ecke.

      Auf der Straße herrschte wieder Frieden, als wäre nichts gewesen. Auch hinter den Fenstern im dritten Stock des Hauses gegenüber war es wieder dunkel. Nur der Regen nieselte weiter im fahlen Schein der Straßenlaternen.

      Huang warf einen Blick auf den Kommunikator. Kaum drei Minuten waren vergangen, seit das Ambulanzfahrzeug vorgefahren war. »Ganz schön flott die Burschen«, sagte er in Richtung Bildschirm.

      »Ja, die verstehen ihr Handwerk«, antwortete Mireille. »Erstklassig ausgebildet.«

      »Wir können stolz auf unsere Antivirusstaffel sein.« Huang trat vom Fenster weg und setzte sich auf das Sofa neben seinem Arbeitsplatz. Am Bildschirm wuchs eine kugelige Gestalt aus dem Hintergrund heraus und schwoll bedrohlich an, bis sie graugrün schimmernd die ganze Wand beherrschte. Der wabernde Ball war über und über mit winzigen, braunroten Tentakeln besetzt, die sich gierig nach dem Betrachter ausstreckten. Zu dramatischer Musik baute sich in riesigen Lettern eine Schlagzeile auf:

      »Schütze dich vor dem Virus.«

      Eine weibliche Stimme durchbrach die Tonkulisse: »Seien Sie

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