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sie stark gemacht, für meine Leute.

      Mike Perkins … Soll das ein Witz sein? Keiner kann ihn ausstehen. Er ist der totale Egoist. Und kommt immer mit den dämlichsten Sachen an. In jeder Abteilungsbesprechung räuspert er sich ungefähr hundert Mal, bevor er fragt: „Hat jemand Interesse an der neuesten Folge von Xena, die Kriegerprinzessin? Ich hab sie aufgenommen.“ Jede Woche. Der Typ macht mir Angst.

      Ich höre ein leichtes Klopfen. Als ich aufschaue, steht Veronica schon in der Tür.

      „Lucy, ich ruf dich zurück“, belle ich in den Hörer und lege schnell auf.

      Aha. Da ist die feige Socke. Ich drehe Veronica den Rücken zu und wische mir ein letztes Mal mit dem durchweichten Organigramm über die Augen, bevor ich mich mit einem leisen Lächeln umdrehe und meiner Exchefin einen Stuhl anbiete.

      „Und? Was sagst du dazu?“ Sie zieht sich den Stuhl heran und greift mit einer perfekt manikürten Hand nach dem Organigramm. Dann verzieht sie das Gesicht. „Das ist ja ganz nass.“

      „Wasser. Ich hab’s als Unterlage benutzt.“

      „Oh.“ Sie lässt das Blatt wieder auf den Schreibtisch fallen. „Und?“ Veronica schlägt die Beine übereinander und wippt mit einem Fuß.

      „Ich versteh’s nicht.“ Meine Kopfschmerzen werden immer schlimmer und ich lehne mich haltsuchend an den Schreibtisch. Ich könnte mich auch setzen, aber zu stehen gibt mir das Gefühl, die Dinge im Griff zu haben – ob das nun stimmt oder nicht.

      „Umschwung, Rebecca. Wir bringen den Kundendienst damit einen großen Schritt weiter.“

      Aus den dunklen Wolken vor meinem Fenster ertönt leises Donnergrollen. Ich werfe einen Blick nach draußen. Ein Blitz zuckt zu Boden wie die Zunge einer Schlange. Dann prasselt Regen an die Scheiben.

      „Was für einen Schritt?“, will ich wissen und sehe Veronica direkt an. „Wovon redest du?“

      „Mike Perkins hat eine neue Struktur entwickelt, in der Ausbildung und technischer Support enger mit der Produktentwicklung verflochten sind. Er hat ein paar neue Ebenen in die Gesamtstruktur eingezogen. Jonathan findet es gut. Ich auch.“

      Ein paar neue Ebenen? Managergefasel.

      „Mir fehlen die Worte.“

      „Sag einfach, du bist im Boot.“ Veronica lächelt. Immer noch wippt sie mit dem Fuß.

      Mit Todesverachtung frage ich: „Warum hast du nicht mit mir darüber gesprochen, dass du etwas ändern willst, Veronica? Ich war nämlich die Leiterin dieser Abteilung.“

      „Ach, Rebecca, eine rein geschäftliche Entscheidung. Nimm’s nicht persönlich.“ Sie zuckt die Achseln, als ginge es um irgendeine Kleinigkeit.

      Rein geschäftliche Entscheidung? Ist das alles, was sie mir an Respekt zollt? „Veronica, ich habe mir diese Position erarbeitet. Ich kenne die Branche, ich kenne unsere Produkte und unsere Kunden. Ich verdiene eine bessere Position.“ Ich verkaufe mich noch einmal, in der Hoffnung, dass ich eher selbstbewusst klinge als verzweifelt.

      „Wenn du nicht an Bord kommen willst …“ Sie beendet den Satz nicht, während sie mir direkt in die Augen sieht.

      Ich verdaue die leise Drohung. Das Blut strömt von meinem Hirn direkt in meine Füße und ich fürchte, dass ich gleich zu Boden gehe. Ich darf es nicht übertreiben. Mein neues Cabrio hat mein Konto geplündert und die Kreditkarte wurde schon mit den Weihnachtseinkäufen belastet.

      Ich gehe zurück zu meinem Schreibtischstuhl. Nein, ich habe hier überhaupt nichts im Griff. Ich kann mich also ebenso gut hinsetzen. „Wenn Mike jetzt die Abteilung leitet – was mache ich dann?“

      „Alles, was dir Spaß macht“, erwidert Veronica begeistert, als hätte sie gerade eine Resolution zur Beendigung des Welthungers verkündet. „Direkter Kundenkontakt, Schulungen, Reisen. Wir brauchen deine Erfahrung im Team.“

      Ich bin ruckartig wieder auf den Beinen, sodass der Stuhl gegen das Sideboard kracht. „Reisen?“

      „Genau!“

      „Nein, Veronica, ganz sicher nicht. Das hab ich alles wirklich schon durch. Ich will kein Leben mehr, das von Reiseterminen diktiert wird. Ich habe nämlich auch noch ein Privatleben. Und einen Partner.“

      Ja, Chris. Ein Gedanke flattert mir durchs Hirn. Hätte ich ihn nicht anrufen sollen, ob wir gemeinsam zum Lunch gehen?

      „Denk an die vielen Bonusflugmeilen.“ Veronica steht auf und streicht ihren Wollrock glatt. „Das ist die Position, die wir dir anbieten, Rebecca.“

      Bonusflugmeilen. Die gesamte Luftfahrtbranche kann mir nicht so viele Bonusflugmeilen bieten, dass ich freiwillig in den Reisekundendienst zurückgehe. Ausgeschlossen.

      Ich brauche frische Luft. Ich angele meine sündhaft teure Handtasche aus der unteren Schreibtischschublade und schnappe mir meinen Trenchcoat (beides Teil der Weihnachtsextras auf meiner Kreditkarte) vom Messinghaken an der Wand.

      „Wo willst du hin?“ Veronica folgt mir durch den Flur.

      Durch zusammengepresste Zähne lasse ich sie wissen: „Vor allem weg von hier.“

      Kapitel 2

      Ich wähle Chris’ Handynummer und auch die im Büro, aber er geht nicht dran. Die Chancen stehen allerdings gut, dass er irgendwann an unserem üblichen Treffpunkt auftaucht, in Pop’s Diner.

      Ich parke nah am Eingang und stürme hinein, um dem Regen schnell zu entkommen. Gesprächsfetzen aus meiner Begegnung mit Attila dem Hunnenkönig spulen sich in meinem Hirn ab.

      Mike Perkins. Reisedienst. Schulungen. Das hab ich alles schon durch. Wenn du nicht an Bord kommen willst …

      Ich schiebe mich in eine Sitzecke nah am Eingang. Elizabeth entdeckt mich und kommt kaugummikauend an den Tisch.

      „Was darf’s sein?“

      „Doppelte Portion Pommes. Aber bitte heiß.“ Schließlich investiere ich gerade meine Tagesration an Weight-Watchers-Punkten – da sollen die Pommes auch richtig lecker sein.

      „Bisschen früher dran heute, was?“, fragt Elizabeth und notiert die Bestellung.

      „Und eine große Cola light.“ Ich spiele mit der Serviette. Ich hab gerade meinen Job verloren …

      Stopp mal. Wenn ich jetzt nicht mehr Abteilungsleiterin bin, was ist dann mit meinem Gehalt? Mit Bonuszahlungen und Lohnerhöhungen? Ich hatte den Bonus schon eingeplant, um mein Konto aufzufüllen und die Weihnachtsextras zu bezahlen.

      Meine Stirn senkt sich auf die Tischplatte und ich gebe mir alle Mühe, nicht in Tränen auszubrechen.

      Wenn Mike jetzt ich ist und ich, na ja, auch noch ich bin, allerdings ich als 08-15-EDV-Tante, bekomme ich dann auch nur ein 08-15-Gehalt? Und er meins? Hat man ja alles schon gehört …

      Ich glaube, ich falle gleich in Ohnmacht. Machen Frauen das heutzutage noch?

      Ich bin gerade von der Karriereleiter, die steil nach oben führt, abgestürzt – buchstäblich ins Bodenlose.

      Als Elizabeth die Cola bringt, hebe ich den Kopf. „Und, hast du einen schönen Tag?“, fragt sie.

      „Nein.“ Ich reiße das Strohhalmpapier auf.

      Mein Handy klingelt und ich gehe dran in der Hoffnung, es ist Chris. Aber es ist Lucy. Auch gut.

      „Ich bin bei Pop’s“, sage ich.

      „Becca, oh no. Das ist es nicht wert.“

      „Zu spät. Hab ’ne doppelte Portion Pommes bestellt.“

      Sie seufzt. „Bin schon unterwegs.“

      Lucy O’Brien hat seit einer Doku über ungesunde Ernährung im Jahr 1994 kein Junkfood mehr angerührt. Hätte ich gesagt, ich würde auf dem Geländer einer Brücke

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