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      Sie war mein Freund, dachte er, während er sie schweigend betrachtete, ein guter, zuverlässiger Freund, den man achtet und ehrt.

      Und dann war plötzlich alles anders geworden. Er entsann sich ganz genau. Es hatte an jenem Tag begonnen, als Ulrike aus dem Sprechzimmer Doktor Langelohs herausgekommen und strahlend auf ihn zugetreten war.

      »Es ist wahr, Rainer«, hatte sie leise gesagt, »wir werden ein Baby haben!«

      Da hatte er sie in die Arme genommen und stumm an sich gepreßt, und aus dem kleinen Kameraden, den er beschützen und umsorgen wollte, war eine Frau geworden, die zu ihm gehörte – seine Frau! Und in diesem Moment hatte sich der eiserne Reif, der sein Herz bis dahin immer noch umklammert hielt, gelockert, und ein Gefühl heftiger Zuneigung für diesen tapferen kleinen Kameraden war in ihm aufgewallt.

      Erstaunt hatte er es festgestellt und nicht begriffen, was mit ihm vorgegangen war.

      Doch später merkte er, daß er Ulrike mit anderen Augen ansah. Er verfolgte ihre Bewegungen nicht nur mit dem Blick der Sorge, sondern er wurde von der schwebenden Leichtigkeit ihrer Handbewegungen angerührt, er bemerkte zum erstenmal die zart ansteigende Linie ihres Halses, und immer öfter versank er in dem tiefen Blick ihrer dunklen Augen.

      Und wenn sie sich nachts an ihn schmiegte, hielt er sie oft fest an sich gepreßt und fragte sich, ob das zitternde Glücksgefühl, das ihn erfaßte, wenn er ihre Nähe spürte, dem kleinen Wesen galt, das Ulrike zur Welt bringen würde, oder nur der Frau, die er in den Armen hielt.

      Von Monat zu Monat wurde diese Empfindung stärker, und jetzt, da er ihr gegenübersaß und sanft ihren Arm streichelte, wurde ihm klar, was er noch nie bewußt zu Ende gedacht hatte: Er liebte Ulrike, liebte sie mit einer tiefen, alles umfassenden Liebe, die sein ganzes Herz durchdrang und ihn in diesem Augenblick fast erstickte.

      Er sah sie lange und tief an. »Ich liebe dich, Ully«, sagte er leise.

      In fassungslosem Staunen richtete sie sich langsam auf. »Das – das hast du noch nie gesagt«, murmelte sie.

      »Vielleicht habe ich es bisher selbst noch nicht gewußt«, entgegnete er zögernd. »Aber jetzt weiß ich es! Ich liebe dich!«

      Sie lächelte, während Tränen in ihre Augen traten. »Ich kann nichts sagen«, stammelte sie mit einem unterdrückten Schluchzen. »Es ist so wundervoll – bitte, verzeih!« Die Tränen lösten sich von ihren Wimpern und tropften über ihre Wangen.

      Er küßte sie fort. »Weine nicht«, sagte er zärtlich, »vielleicht wird alles gut!«

      »Ich bin glücklich«, erwiderte Ulrike, »und wenn ich glücklich bin, habe ich keine Angst vor der Zukunft! Auch du solltest keine Angst haben, Rainer!« Sie fuhr ihm zärtlich über das blonde Haar.

      *

      Schon eine Woche zuvor war Rainhart Arundsen mit seiner jungen Frau in die Stadt gefahren, wo sie in der besten Privatklinik ihr Kindchen zur Welt bringen sollte. Beinahe täglich suchte er den Arzt auf.

      »Wie ist der Gesundheitszustand meiner Frau?« fragte er besorgt.

      »Ich kann nichts darüber sagen, Herr Arundsen«, antwortete Professor Schliebach, der Klinikchef. »Den Umständen entsprechend geht es Ihrer Frau gut.«

      »Das sagt mir nichts«, erwiderte Rainhart unruhig. »Ich will wissen, ob sie den Strapazen der Geburt gewachsen ist!«

      Der Professor zuckte die Achseln. »Ich kann nicht voraussagen, ob es eine schwere oder einfache Geburt werden wird, Herr Arundsen. Die Lage des Kindes ist normal. Von dieser Seite sind keine Schwierigkeiten zu befürchten.«

      Rainhart musterte mit einem aufmerksamen Blick die undurchdringliche Miene des Arztes. »Aber Sie haben Bedenken wegen des Allgemeinzustandes meiner Frau. Ist es nicht so?«

      »Sie wußten, was Ihrer Frau zugemutet wird, als Sie sich entschlossen, ein Kind zu haben«, erwiderte der Professor knapp.

      »Wird – wird sie es überleben?«

      Die Worte kamen nur zögernd von seinen Lippen, sein Blick war unruhig und flackernd.

      »Verlangen Sie von mir keine unmöglichen Voraussagen, Herr Arundsen«, entgegnete der Arzt mit unbewegter Miene. »Ich bin Gynäkologe und Geburtshelfer, aber kein Krebsspezialist!«

      Rainhart war durch den unverblümten Ton des Arztes schockiert. »Können Sie nicht begreifen, daß ich mir große Sorgen um meine Frau mache?« rief er gequält aus.

      Der Arzt sah ihn aus kühlen Augen an. »Sie waren sich über die Folgen im klaren, als Sie Ihrer schwerkranken Frau eine Schwangerschaft zumuteten!«

      »Sie machen mir daraus einen Vorwurf?«

      Der Professor machte eine beschwichtigende Geste. »Das steht mir nicht zu. Aber ich habe Ihnen bereits bei der Aufnahme Ihrer Gattin in meine Klinik gesagt, daß ich die Sache als einen äußerst schwierigen Fall betrachte. Es ist ein Fall, der in der Geschichte der Medizin noch nicht dagewesen ist!«

      »Sie haben also wenig Hoffnung?« Rainharts Stimme war heiser. Er mußte seine ganze Beherrschung aufbringen, um die äußere Ruhe zu bewahren.

      »Ihre Frau ist sehr schwach, aber unendlich tapfer«, antwortete der Arzt mit bedächtiger Miene. »Und sie freut sich auf das Kind. Vielleicht wird ihr diese innere Einstellung Kraft geben. Ich werde jedenfalls alles tun, um Ihrer Frau die Geburt zu erleichtern.«

      »Ich danke Ihnen, Herr Professor«, sagte Rainhart, obwohl ihn die Worte des Arztes aufs neue aufgewühlt hatten.

      *

      Eine Schwester kam auf Rainhart Arundsen zu. »Sind Sie Herr Arundsen?« fragte sie.

      »Ja, ich heiße Arundsen«, stieß er keuchend hervor. »Wie geht es meiner Frau?«

      »Sie haben einen gesunden Jungen bekommen, Herr Arundsen«, verkündete die Schwester.

      Er brach nicht, wie die Schwester erwartet hatte, in einen erleichterten Jubelruf aus. Hart faßte er die Schwester am Arm. »Wie geht es meiner Frau?« wiederholte er drängend. »Lebt sie, Schwester?«

      »Ihre Frau ist zwar sehr schwach und erschöpft, aber es geht ihr gut.«

      Arundsens Miene war immer noch vor Anspannung verzerrt. »Ist das wirklich wahr?« fragte er heiser.

      »In einer Viertelstunde können Sie sich selbst davon überzeugen!« Ohne ein weiteres Wort ließ sie Rainhart stehen, der ihr wie erstarrt nachsah.

      Ulrike lebt! dachte er. Sie ist schwach und erschöpft, aber sie lebt!

      Unendliche Dankbarkeit dem Schicksal gegenüber erfüllte ihn, und er beschloß, jeden Tag, der ihm an Ulrikes Seite vergönnt war, wie ein kostbares Geschenk des Himmels zu betrachten.

      Er konnte es nicht erwarten, bis er endlich zu ihr durfte.

      Blaß und mit schweißverklebtem Haar lag sie in den weißen Kissen.

      »Nur fünf Minuten, Herr Arundsen«, warnte die Schwester, die ihren Kopf zur Tür hereinsteckte, als Rainer neben Ulrike auf den Bettrand sank.

      »Liebste«, murmelte er und bedeckte ihre Hand mit Küssen. »Meine geliebte Frau!«

      »Ein Junge, Rainer«, murmelte Ulrike. »Wir haben einen Sohn!«

      »Ich weiß, Ully«, erwiderte er. »Aber jetzt mußt du mir sagen, wie es dir geht!«

      Sie bemühte sich um ein kleines Lächeln, das ihr nicht gelingen wollte. »Gut, danke«, flüsterte sie. »Wo ist unser Sohn?«

      »Ich weiß nicht, und das ist auch im Moment nicht wichtig«, antwortete er hastig. »Fühlst du dich wirklich gut, Ulrike? War es schlimm all die vielen Stunden, in denen du dich quälen mußtest?«

      »Ich habe an dich gedacht«, hauchte sie. »Da waren die Schmerzen leichter zu ertragen.«

      Rainharts Augen brannten, und seine Kehle war trocken. »Ich danke

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