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ertönte vom anderen Ende des Platzes. Erschrocken spähten Munuel und Gelmard in die Dunkelheit. Das Haus gegenüber brannte lichterloh, so dass der Lichtschein sie blendete. Scharfe Konturen vor den Flammen; ein schwarzes Ross, darauf eine Gestalt mit wehendem rabenschwarzem Haar und blitzenden Augen, hoch aufgerichtet im Sattel mit einer schimmernden Lanze in der rechten Hand. Eine dunkle Herrscherin, bereit, sich zu holen, was sie wollte. Sie gab ihrem schnaubenden Pferd die Sporen und schoss nach vorn, direkt auf die beiden Magier zu. Sie legte die Lanze an, wie auf einem Turnier, die Spitze direkt auf Gelmard gerichtet. Beide Magier schossen Blitze ab, die von ihr abprallten, als trüge sie eine Rüstung gegen Magie. Sie richteten nichts aus. Rusch, der stämmige Leibwächter Limloras, warf sich tapfer in ihre Bahn und hob sein Schild. Er wurde niedergetrampelt, als wäre er ein Grashalm.

      »Rein mit dir!«, schrie Munuel und ballte seine Eisenfäuste. »Ins Haus!«

      Gelmard drehte sich auf dem Absatz um und zögerte nicht lange. Er rannte ins Gasthaus. Munuel hob die Arme vors Gesicht. Gerade rechtzeitig, denn die Hufe des Pferdes hätten ihn zermalmt. So aber warf ihn die rohe Muskelmasse des Streitrosses zu Boden, wo er sich geistesgegenwärtig in eine Schutzwolke hüllte. Der Ansturm ließ ihn benommen zurück. Pferd und Reiter krachten durch die Tür, durchbrachen sie, als sei sie aus Papier. Munuel stemmte sich hoch und wandte sich um. Er sah in die Gaststube hinein. Dort stand Gelmard, wie vom Donner gerührt, Limlora links von ihm und starrte ebenso erschrocken. Dahinter die Dörfler, die sich hinter umgekippten Tischen und anderem Mobiliar verschanzt hatten. Die Reiterin holte mit der Lanze aus und warf sie direkt auf Gelmard. Das schwere Wurfgeschoss sauste zischend auf Gelmard zu, der keine Zeit mehr hatte, seinen Schild zu beschwören. Munuel setzte zu einer Luftmagie an, die auf die Lanze einwirken sollte, doch war ihm klar, dass er nicht schnell genug sein würde. Gelmard war so gut wie tot. Doch da hörte er einen Laut von Limlora, die eine unvollkommene Luftmagie herausschrie. Und sie hatte Erfolg, die Luft links von der Lanze verdichtete sich, wirkte wie ein fester Gegenstand, an dem das Wurfgeschoss entlang schrammte, einen Drall nach rechts bekam, haarscharf an Gelmard vorbei, in den Raum dahinter. Dort stand Islin.

      Munuel schrie auf. Wie von einem Katapult geschossen, warf er sich nach vorn, die Arme ausgestreckt, doch es war zu spät. Hilflos sah er mit an, wie die Lanze Islin durchbohrte und dann in der Wand dahinter steckenblieb. Seine Freundin riss in Agonie die Augen auf, Blut schoss aus ihrem Mund, als sie zusammensackte. In Munuel explodierte etwas. Blanke Wut, Schmerz und Trauer vereinten sich in vernichtendem Zorn, der sich gegen die Reiterin richtete. Der Boden tat sich auf, Planken stachen hervor, als sie aus ihrer Verankerung gerissen wurden, das Ross kippte, die Kriegerin schien zu fallen, als sie geistesgegenwärtig ihr Pferd herumriss und mit einem gewaltigen Sprung über Munuel hinwegsetzte. Aus dem Stand sprang ihr Reittier über ihn hinweg, durch die zerstörte Tür. Munuel wirbelte herum und schrie eine Beschwörung heraus. Flammen schossen auf die Reiterin zu, doch sie schafften es nicht, sie zu berühren.

      »Du …!«, rief sie mit scharfer Stimme, die in den Ohren hallte, »du bist der Magier, den ich suche! Wir kommen wieder. Und holen uns was wir wollen!«

      Erneut riss sie ihr Ross herum und galoppierte in die Dunkelheit, schrille Befehle ausstoßend, die ihre Truppe zusammenriefen. Weitere Schatten huschten vorbei, die Angreifer verließen das Dorf. Fürs Erste …

      ooOoo

      Sekunden später war er bei ihr. Hielt sie im Arm. Sie konnte nicht sprechen, ihr Mund war voller Blut, das ihr die Brust hinab lief, sich dort mit dem riesigen Fleck vereinte, der sich um die Lanze herum gebildet hatte. Sie war von der Kriegswaffe regelrecht an die Wand genagelt. Sie streckte die Arme nach ihm aus, und sah ihn mit brechenden Augen an.

      »Islin …«, flüsterte Munuel. Vor seinem geistigen Auge entstand ein Abbild ihres Körpers. Seine magischen Augen durchdrangen das Gewebe und sahen die Zerstörung. Die breite Lanzenspitze hatte die Leber, und vor allem die große Baucharterie durchschnitten. Das hätte Munuel mit viel Glück so weit instandsetzen können, dass sie nicht verbluten würde. Doch leider steckte die Lanze auch zum Teil in der Lunge und hatte den unteren Herzbeutel durchtrennt. Islin erstickte an ihrem eigenen Blut. Alles, was Munuel tun konnte, war ihr Leid zu lindern. Zärtlich sprach er eine Heilmagie, die auf ihr Schmerzempfinden einwirkte. Er fühlte, wie sie sich entspannte. Die quälende Atemnot linderte er mit einer Illusion, die sie nicht spüren ließ, dass ihr die Luft fehlte. Mit aller Macht hielt er diese Illusion aufrecht. Sie sah ihn dankbar an. Munuel beugte sich weit hinunter, ganz nah an ihr Gesicht. Er küsste sie. Er fühlte ihre Lippen den Kuss erwidern, mit schwindender Kraft.

      »Unser … Kind«, flüsterte sie heiser. Diese Bemerkung machte Munuel ratlos. War sie etwa doch …? Er würde es jetzt wohl nie erfahren.

      Gelmard legte ihm in einer hilflosen Geste, die Hand auf die Schulter, zog sie ungelenk wieder zurück, wandte sich ab. Limlora sah nur entsetzt auf Islin.

      »Das … das wollte ich nicht …«, stammelte sie verstört.

      »Es ist nicht deine Schuld, du hast die Lanze nicht geworfen«, sagte Gelmard mit tonloser Stimme.

      »Doch«, erwiderte das Mädchen schluchzend. »Es ist meine Schuld!« Weinend lief sie davon. Gelmard gab Findhal einen Wink, der ihr sofort nacheilte.

      Islin seufzte leise und röchelte. Schließlich bäumte sich ihr Körper in Munuels Armen auf, und sackte dann in sich zusammen. Islin war tot.

      »Ich verfluche dich, alter Mann, warum musstest du in mein Dorf kommen!?«, rief Munuel. Es war nicht allein die Trauer um seine Freundin, die Munuel niederdrückte. Es war auch Reue. Schuld. Er hatte die Gefühle seiner Freundin einfach ignoriert. Jetzt war es zu spät, das Richtige zu tun.

      »Ich … ich konnte doch nicht wissen …«, stotterte Gelmard betroffen. Doch Munuel unterbrach ihn.

      »Nicht du! Lohtsé! Der alte Narr hat sie auf dem Gewissen! Ich spucke auf ihn und auf diese ganze verdammte Insel! Sollen sie doch alle zum Teufel gehen!«

      Gelmard sagte nichts. Er kniete neben seinem Freund und Neffen nieder. Alle Umstehenden taten es ihm nach. So hielten sie Totenwacht, bis der Morgen graute.

      ooOoo

      Sie bestatteten die Toten am frühen Morgen. Das Dorf hatte über fünfzig Ermordete zu beklagen, darunter Bauer Lemros, Fischer Heiner, Limloras Leibwächter Rusch, Amerilde die Dorfpriesterin und … Islin. Es hatte die ganze Nacht gedauert, sie alle zu suchen und zu bergen. Einige waren in ihren Häusern verbrannt oder erstickt, die meisten jedoch erschlagen, erdolcht oder von Pfeilen durchbohrt. Die Verluste der Angreifer hatte man der Hygiene wegen auf einen Haufen geschichtet und achtlos in Brand gesteckt.

      Die Leichname von Angadoor jedoch, hatte man ordentlich aufgebahrt. Der Anblick war schrecklich, vor allem für jene, die sich noch an den Krieg erinnerten, der vor nicht ganz zehn Jahren ebenfalls ihr Dorf heimgesucht hatte. Doch damals waren die Verluste noch größer gewesen.

      Unter den bitteren Tränen der einen oder der stummen Trauer der anderen entzündeten Gelmard und Munuel die Leichenfeuer. Die ganze Dorfgemeinschaft stand in bitterem Schmerz, bis nichts mehr übrig war, außer Asche.

      Dann kehrten alle in das zurück, was ihnen geblieben war, und begannen damit, das Dorf wiederaufzubauen, wie sie es seit jeher getan hatten.

      »Was willst du jetzt tun, mein Sohn«, sagte Gelmard, als sie nurmehr allein auf dem Friedhof waren. Nur Limlora war bei ihnen geblieben und stand teilnahmslos einfach da.

      Munuel schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, flüsterte er. »Ich weiß, dass du das jetzt nicht hören willst, aber zum Trauern ist leider keine Zeit. Dir ist schon klar, dass diese … Andura Rana … nicht aufgeben werden, bis sie das Buch haben?«

      Munuel sah Gelmard mit blicklosen Augen an. »Ja. Aber das ist mir egal.«

      Gelmard nickte. »Ja, das mag sein. Doch das ist nicht die Haltung eines verantwortungsvollen Magiers. Alle im Dorf haben Angehörige verloren. Das hindert sie aber nicht daran, ihr Zuhause wiederaufzubauen. Und dich darf es nicht hindern, das Richtige zu tun.«

      »Und was wäre das Richtige?«

      Gelmard

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