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zufällig ein Typ namens Kev geschickt?« Und mit einem Teil seiner Millionen bezahlt?

      »Kev?«

      »Der große Kerl mit den Sommersprossen.«

      »Nein. Warum sollte er?«

      Ich mustere ihn, kann aber beim besten Willen nicht sagen, ob er die Wahrheit sagt oder nicht. »Weil... Das würde jetzt zu weit führen.«

      Es führt mich auf jeden Fall zu einer Entscheidung. Das hier ist Irrsinn. In der Loungeinsel des Co-Working-Space? Mit dem Pizzaboten? Habe ich da gerade ernsthaft drüber nachgedacht? Das muss an dem Gespräch mit Kev und Joscha auf der Dachterrasse und dem ungewohnten Körperkontakt vorhin liegen. Plötzlich erinnert sich mein Schwanz daran, dass er auch noch was anderes kann, als pinkeln.

      Allerdings ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Ich kann derzeit keine Ablenkung gebrauchen. Nicht vor dem Launch meiner App. Nicht so spontan aus heiterem Himmel.

      »Okay.« Er weicht wieder zwei Schritte zurück, schiebt die Hände in seine Hosentaschen und wippt auf den Fußballen. Die Münzen in seiner Jeans klimpern leise. »Dann ist das ein Nein?«

      »Ja.« Als mir aufgeht, dass das irgendwie missverständlich klingt, schiebe ich hinterher: »Ein Nein. Tut mir leid.«

      »Schade.« Er sieht ehrlich geknickt aus. Wahrscheinlich wird er nicht oft abgewiesen, erst recht nicht von Männern wie mir. »Dabei dachte ich wirklich...« Er zuckt die Schultern, bevor er wieder dieses sexy Lächeln aufsetzt. Nicht ganz so unbekümmert wie am Anfang, aber er bemüht sich. »Aber immerhin hab ich's versucht.«

      Ich lächle zurück. »Ja. Danke.«

      Er stutzt. »Dafür brauchst du dich nicht bedanken.«

      »Doch. Das war... nett.« Lehrreich wäre das bessere Adjektiv gewesen. Offenbar schlummert meine Libido nur und ist nicht vollends verkümmert. Es fehlte nur der richtige Mann. Nach dem Gespräch mit Kev und Joscha irgendwie beruhigend.

      »Scheiße.« Er verzieht gequält das Gesicht. »Bis eben bin ich noch ganz gut weggekommen, aber nett ist übel. Richtig übel. Ich wollte so ziemlich alles, aber ganz bestimmt nicht nett sein.«

      Das bringt mich zum Grinsen. Tatsächlich finde ich ihn gerade sehr nett. Er steckt die Abfuhr gut weg dafür, dass ich gedanklich schon mit ihm in der Horizontalen lag und er mir das bestimmt angesehen hat.

      »Sorry, ich meine natürlich: Ich fühle mich geschmeichelt, aber nein danke.«

      Er brummt. »Minimal besser. Vergeben?«

      »Hm?«

      »Ob du einen Freund hast.«

      Verblüfft blinzle ich ihn an. Er ist immer noch interessiert, obwohl ich ihm schon einen Korb gegeben habe? »Nein.«

      »Freundin?«

      Ich muss lachen. »Das fragst du noch nach dem, wie ich eben auf dich reagiert habe?«

      Zu spät erkenne ich meinen Fehler. In seinen Augen funkelt es.

      »Dann hab ich mir das nicht eingebildet.« Eine Feststellung. Keine Frage.

      Ich weiche seinem Blick aus und wische ein paar imaginäre Staubkörner von der Schreibtischoberfläche. »Es passt gerade nicht so gut.«

      Als ich ihn wieder ansehe, strahlt er mich an. »Okay. Damit kann ich leben. Falls es irgendwann mal besser passt, weißt du ja, wo du Pizza bestellen musst.«

      Ich lache, habe aber keine Ahnung, ob er das ernst meint. Vielleicht war die Anziehung ja nur spontan. Vielleicht hat er mich vergessen, sobald er morgen die erste Pizza ausliefert – oder dieses Gebäude verlassen hat.

      Sowieso schließen sich daran so viele Fragen an. Wann genau arbeitet er bei Tonis Trattoria? Warum gibt er mir nicht gleich seine Handynummer? Will er wirklich mit mir schlafen? Hat Kev ihn vielleicht doch bezahlt?

      »Ich behalt's im Hinterkopf«, sage ich vage, woraufhin er zufrieden nickt und zum Abschied auf meinen Schreibtisch klopft.

      »Mach nicht mehr so lange. Du bist wirklich süß, aber ohne die Augenringe siehst du bestimmt noch besser aus.«

      Kapitel 4

      »Ich meine, wenn ich schon das Geld in die Hand nehme und so einen Kurs besuche, dann lasse ich doch das Handy in der Tasche oder schaue zumindest nicht die ganze Zeit drauf.« Anita nimmt sich noch eine Scheibe vom Schweinebraten.

      »Du bekommst das Geld für den Kurs im Voraus, oder?« Mein Vater verzichtet auf ein weiteres Stück Fleisch, nimmt sich stattdessen noch einen Kartoffelknödel und ertränkt ihn in Soße.

      »Natürlich. Aber es geht ums Prinzip. Wenn ich meine Freizeit schon dafür opfere, anderen etwas beizubringen, sollen sie mir gefälligst auch zuhören und nicht Candy Crush spielen oder chatten oder was weiß ich.«

      »Dann opfere deine Freizeit nicht für einen nutzlosen VHS-Kurs. Wir haben in der Firma weiß Gott genug zu tun.« Er sieht mich mit einem bezeichnenden Blick an. »Oder sieht dein Bruder endlich ein, dass er sich in einer fixen Idee verrannt hat?«

      Ich seufze und werfe einen unauffälligen Blick auf die Uhr an der Wand. Ganze dreizehn Minuten hat er es geschafft, das Thema nicht anzusprechen. Das ist fast ein neuer Rekord, nur übertroffen von den siebzehn Minuten vorletzte Woche.

      »Es ist keine fixe Idee.«

      »Natürlich ist es das. Hör endlich auf, dir was vorzumachen, und komm zurück. Auf deinem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit.«

      Das bezweifle ich nicht. Solange der Kunde zahlt, nimmt mein Vater jeden Auftrag an. Von Frau Schmidt, die sich beim Öffnen eines unbekannten E-Mail-Anhangs einen Trojaner eingefangen hat, über Herrn Müller, der beim Onlinekauf einer Software in eine Abofalle getappt ist, bis hin zu Buchhalter Hauser, der einer gefakten Aktualisierung aufgesessen ist und das Firmennetzwerk seines mittelständischen Unternehmens mit einem Virus verseucht hat.

      »Ist das nicht langweilig?«, höre ich die angenehme Stimme des Pizzaboten in meinem Kopf.

      Oh Gott, ja, und wie.

      Es war nicht nur der Wunsch, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen und mich aus dem Familienunternehmen – allen voran von meinem Vater – zu lösen, der mich in die Selbstständigkeit geführt hat.

      Es war auch der Versuch, nicht vor Langeweile zu sterben.

      In der Hoffnung auf einen Themenwechsel wende ich mich an meine Mutter. Mit den blonden Haaren und den blau-grauen Augen sehe ich ihr deutlich ähnlicher als unserem Vater. Bei Anita ist es genau umgekehrt.

      »Das Essen schmeckt heute wirklich gut. Viel besser als letzte Woche. Wo hast du es her?«

      Unsere Mutter hat nie besonders gut oder gerne gekocht und ihre Bemühungen komplett eingestellt, als Anita und ich ausgezogen sind. Unseren Vater hätte nicht mal die Aussicht auf lebenslang kostenlosen Onlinespeicher an den Herd gelockt. Trotzdem halten sie an dem sonntäglichen Familienessen fest, auch wenn es sich für mich gerade zunehmend nach einem Überwachungstool anfühlt.

      »Aus der Goldenen Gans am Ende der Straße. Gute, bodenständige Küche. Man kann eine Wunschabholzeit vereinbaren, wenn man früh genug bestellt.«

      »Falls es irgendwann mal besser passt, weißt du ja, wo du Pizza bestellen musst.«

      Sein freches Grinsen vor meinem geistigen Auge versuche ich schnell zu verdrängen – nicht zum ersten Mal seit unserer nächtlichen Begegnung. Der sexy Pizzabote hat sich in meinem Kopf festgesetzt wie ein besonders hartnäckiger Cookie in einem Browser, den man mit den üblichen Hilfsmitteln nicht wieder loswird.

      Ein sehr verführerischer Cookie. Lecker, knusprig, süß. Vor allem, weil sein Interesse an mir wohl tatsächlich aufrichtig gewesen ist. Gleich am nächsten Tag habe ich nämlich Kev geradeheraus gefragt, ob er ihn bezahlt hat – und schnaubendes Gelächter dafür geerntet.

      »Wie bitte,

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