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Animant Crumbs Staubchronik. Lin Rina
Читать онлайн.Название Animant Crumbs Staubchronik
Год выпуска 0
isbn 9783959913928
Автор произведения Lin Rina
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Es entsprach nicht meiner Gewohnheit, so lang auf den Beinen zu sein, da ich mein bisheriges Leben damit verbracht hatte, auf bequemen Möbelstücken zu sitzen und zu lesen. Meine Waden schmerzten gegen Mittag so sehr, dass ich mich für einen Moment auf einen Stuhl im Lesesaal setzen musste. Meine Fußsohlen brannten, meine Knöchel waren sicher geschwollen, meine Arme taten weh und mein Kopf verlangte nach einer Pause.
Die Bibliothek begann sich zur Mittagspause langsam zu leeren und die Studenten stellten die Bücher, die sie nicht mehr benötigten, auf einen Wagen oder liehen sie aus.
Stöhnend erhob ich mich wieder auf meine wunden Füße und ging mit zügigen Schritten auf den Tresen im Foyer zu, an dem bereits reger Andrang herrschte. Cody und Oscar hatten alle Hände voll zu tun und viele genervte und müde Studenten warteten darauf, an die Reihe zu kommen.
Ein Stück entfernt stellte ich mich an den hohen Tresen und nahm ganz dreist einem jungen Mann mit weißblondem Haar das Buch aus der Hand.
»Guten Tag. Ihr Name?«, sprach ich ihn ruhig an und er blinzelte mich überrascht an.
»Higgins«, gab er zurück und ich öffnete die Schublade H, als ob ich den ganzen Tag nichts anderes getan hätte. Wenigstens etwas, was mir leichtfiel.
»Charles oder James?«, fragte ich, als ich zwei Karten mit dem gleichen Nachnamen fand, und der junge Mann lachte, was seine auffällig grünen Augen zum Strahlen brachte. »Charles. James ist mein Cousin«, erklärte er und ich zog die entsprechende Karte heraus. Ich nahm mir einen Füllfederhalter aus einem Keramikbecher und schrieb eilig den Titel und den Autor des Buches in die nächste freie Zeile.
Kurz besah ich mir die verschiedenen Handschriften auf dem Zettel, die zum größten Teil krakelig waren. Nur die letzten zwei Einträge waren wirklich gut lesbar und ich fragte mich, ob es Cody war, der so schön schreiben konnte.
»Sie sind neu«, merkte Mr Higgins freundlich an und ich nickte.
»Brandneu, heute Morgen geliefert«, erwiderte ich spaßhaft und er lachte verhalten.
Ich gab es zwar nicht gerne zu, aber ich musste doch sagen, dass einige Männer in London anscheinend weniger stumpfsinnig waren als die bei uns auf dem Land.
Ich drückte den Stempel hinten ins Buch und reichte es ihm.
»Auf Wiedersehen«, verabschiedete er sich höflich, deutete eine Verbeugung an und verschwand mit einem Lächeln auf den Lippen.
Der Nächste wartete schon und ich sah die Schlange, die sich bereits gebildet hatte.
»Zachary Bostick«, verriet er mir seinen Namen mit Ungeduld in der Stimme, noch bevor ich fragen konnte, und ich wusste, dass ich noch schneller werden musste.
Nachdem die Bibliothek endlich wie leer gefegt war, begann ich hinter den Studenten aufzuräumen. Ich legte Bücher weg, sortierte sie auf die Wagen, nahm eins mit in die Kammer, weil bereits mehrere Seiten ausgerissen waren, und notierte den Mangel auf einem kleinen Zettel, den ich in den Buchdeckel klemmte.
Stöhnend zog ich mir eine Holzkiste heran, in die noch mehr beschädigte Bücher achtlos hineingeworfen worden waren, und besah mir eins nach dem anderen. Zu jedem schrieb ich eine kurze Notiz und etwa fünfzig Bücher später verfluchte ich mein Leben, das einen so unglücklichen Lauf genommen hatte. Mein Rücken schmerzte, meine Arme noch mehr, und meine Füße pochten, auch wenn ich sie bereits hochgelegt hatte.
Gebrochener Buchrücken, lose Seiten im hinteren Teil, schrieb ich gerade und wünschte mich zurück nach Hause auf meinen Dachboden. Dort würde mir der Rücken nicht wehtun.
Ich legte das Buch ordentlich in die Kiste zurück und rieb mir dann die Augen.
Wenn ich jetzt zu Hause wäre, würde meine Mutter mir auf die Nerven gehen, wir würden Tee trinken und sie hätte mir schon von drei jungen Männern erzählt, die infrage kommen würden und die sie bisher nicht im Blick gehabt hatte.
Ich würde mit den Augen rollen, aber meinen Füßen würde es wunderbar gehen.
Ich blinzelte, versuchte, nicht mehr an zu Hause zu denken und ließ den Blick durch die Kammer schweifen. Zu meinem Erschrecken entdeckte ich weitere Holzkisten.
Ich hörte die unverwechselbare Melodie von Big Ben und zählte eine Stunde zu meinem Tag dazu. Es war sechs Uhr am Abend und ich mit meinen Nerven am Ende.
Mein Magen war ein tiefes Loch, da ich heute eigentlich noch nichts gegessen hatte. Meine Arme waren schwer wie Blei und meinen Kopf hielt ich nur noch durch reine Willenskraft aufrecht.
Ich war am Boden. Und bereits sogar so tief gesunken, dass ich mir in den letzten Stunden gewünscht hatte, meine Mutter würde mich einfach an irgendwen verschachern, nur damit ich nicht mehr hier stehen und Ordnung schaffen musste.
Ich wusste nicht, wie lange all die Arbeit schon liegen geblieben war, aber es musste schon eine beträchtliche Zeit sein, wenn sich so viel angesammelt hatte.
Die meisten beschädigten Bücher waren nun durchgesehen, in Kisten verpackt und verschnürt. Doch es waren bisher nur die beschädigten gewesen. Es standen mindestens noch zwei Kisten Neuware herum, von denen sich bisher keiner die Mühe gemacht hatte, sie in die Kartei aufzunehmen und zu etikettieren.
Von den Schlagwörtern mal ganz abgesehen.
Ich hatte die Rückgaben im Foyer sortiert, war durch die Regale gegangen, um verirrte Bücher ausfindig zu machen, hatte sicher dreißig Studenten bei der Suche nach bestimmten Werken geholfen und meine Finger waren voller Tintenflecken.
Seufzend rieb ich mir den Rücken, zog die Tür zur Kammer hinter mir zu und schlich über den langen Gang zwischen den Regalen bis in den Lesesaal.
Hier saßen noch etliche Studenten und wälzten ihre Bücher. Ich hatte heute so viel Papier zwischen den Fingern gehabt, dass meine Hände ganz trocken waren, und trotzdem sehnte ich mich nach meinem Sessel und einfach ein paar Zeilen, die nur mir gehören würden.
Heute Vormittag hatte ich diesen Ort noch in den Himmel gelobt, war erfüllt gewesen von der Atmosphäre, die hier herrschte. Doch jetzt, nach einem ganzen Tag Arbeit, war ich nicht mehr empfänglich für derlei Magisches und fühlte mich müde und stumpf.
»Sie sind noch hier?«, sprach mich jemand erstaunt an und ich war sogar zu erschöpft, um mich zu erschrecken.
Mr Reed stand vor mir, die Augenbrauen überrascht gehoben, ein geöffnetes Buch in den Händen.
Er hatte nicht viel gesagt und doch fühlte ich mich sofort angegriffen. Es war die Art, wie er die Worte hervorbrachte, so als erwartete er, dass ich mich schon längst davongestohlen hätte.
»Natürlich. Ich war den ganzen Tag hier und habe gearbeitet«, empörte ich mich schnippisch und pfiff auf einen höflichen Ton. Dieser Mann war schließlich auch nicht höflich, warum sollte ich es dann sein?
»Sie haben eine Mittagspause von halb zwölf bis ein Uhr und können um fünf nach Hause gehen«, erläuterte er mir und ich wäre ihm in diesem Moment gern ins Gesicht gesprungen.
»Und das teilen Sie mir erst jetzt mit?!«, gab ich fassungslos von mir, als mein Ärger ein Maß erreichte, in dem ich keinen Ausdruck mehr dafür fand.
»Ich habe Sie den halben Tag nicht gesehen. Ich dachte, Sie hätten schon aufgegeben«, behauptete Mr Reed ruhig und als würde er gar nicht bemerken, wie aufgelöst ich war.
»Ich war in der Kammer und habe beschädigte Bücher sortiert. Die sich übrigens ganz schön angesammelt haben und die Sie gerne an den Buchmacher schicken dürfen«, zischte ich und wusste, dass mein Gesicht bereits dunkelrot und heiß sein musste von der Wut, die ich auf diesen Mann hatte.
Zum Glück war mein Korsett nicht besonders eng geschnürt, sonst hätte ich jetzt sicher angefangen, nach Atem zu ringen.
»Was?«,