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ist eine Frau, Mr Crumb. Und eine Unstudierte noch dazu. Was glauben Sie, was ihr Job sein wird? Tee kochen?«, rief der Bibliothekar höhnisch und ich zuckte innerlich zusammen. Es griff mich an, solche Worte zu hören. Natürlich war mir klar, dass ich nie das Ansehen erlangen würde, das ein Mann in meiner Position haben könnte, doch von vornherein anzunehmen, ich sei zu weniger zu gebrauchen, nur weil ich eine Frau war, machte mich rasend.

      »Sie ist ehrgeizig und schlau, und sie wird durchaus in der Lage sein, den Aufgaben nachzugehen, die Sie ihr auftragen werden«, verteidigte mein Onkel mich und seine Stimme war wieder ruhiger geworden. »Außerdem haben Sie keine Wahl, Mr Reed. Entweder Sie behalten sie für mindestens einen Monat oder ich werde dem Finanzrat nahelegen, Ihrer kuriosen Maschine nicht länger finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.«

      Mr Reed blieb stumm und ich hielt die Luft an vor lauter Spannung. Mein Onkel hatte diesen Mann gerade tatsächlich erpresst und ich fand das gar nicht gut. Dafür war ich nun wirklich nicht skrupellos genug.

      »Außerdem ist sie meine Nichte. Sie werden also achtsam mit ihr umgehen«, setzte Onkel Alfred noch einen drauf und dies schien Mr Reed wieder zur Besinnung zu bringen.

      »Na gut. Wie Sie wollen. Aber wenn es der Lady zu anstrengend wird, werde ich der Letzte sein, der sie am Abreisen hindert«, grummelte er und ich konnte ihn kaum verstehen, weil seine Stimme im Rascheln von Papier unterging. »Wird sie auch das Zimmer im Personalgebäude beziehen?«, wollte er fast spöttisch wissen und Onkel Alfred schnaubte.

      »Natürlich nicht. Machen Sie sich nicht lächerlich. Sie wird bei meiner Frau und mir wohnen.«

      »Dann ist ja alles geklärt. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und dass ich Sie lange nicht mehr wiedersehen muss«, äußerte Mr Reed ungehalten und ich schnappte erschrocken nach Luft über seine Unhöflichkeit, obwohl seine Stimme wieder einen angenehmeren Unterton bekommen hatte.

      »Auf Wiedersehen, Mr Reed. Und ich wünsche Ihnen das Gleiche«, erwiderte mein Onkel die Unverschämtheit und ich wich von der Tür zurück.

      Als Lauscherin mit jahrelanger Erfahrung wusste man, wann ein Gespräch wirklich beendet war. Ich ging ein paar eilige Schritte und trat an die Balustrade, um unbeteiligt zu wirken und mir einen kurzen Überblick zu verschaffen.

      Hinter mir riss man die Tür mit Schwung auf und ich hörte die schweren Schritte meines Onkels. Als er mir die Hand auf die Schulter legte, drehte ich mich zu ihm um und setzte einen fragenden Gesichtsausdruck auf, damit es so aussah, als ob ich nicht die geringste Ahnung hätte, was als Nächstes passieren würde.

      »So, die Formalitäten sind geklärt«, teilte er mir mit und bemühte sich um ein Lächeln, das falsch wirkte. Ich lächelte zurück und tätschelte ihm aufmunternd den Arm.

      »Dann kann ich gleich anfangen?«, fragte ich mit entschlossener Stimme und sah von ihm zu Mr Reed, der mich scharf über den Rand seiner Brille hinweg musterte, die er wohl während des Gesprächs im Büro wieder aufgesetzt haben musste.

      »Scheint wohl so«, erwiderte er und straffte die Schultern. »Da Ihr Onkel es sicher eilig hat, seinen sonstigen Geschäften nachzugehen«, sagte er scharf und sah Onkel Alfred aus den Augenwinkeln an, »werde ich Ihnen den Ort zeigen, an dem Sie Ihren Mantel ablegen können, und dann werden Sie eine halbe Stunde haben, sich mit dem System vertraut zu machen. Denn ich hatte zu meinem Bedauern in meinem heutigen Zeitplan nicht vorgesehen, einen Assistenten einzulernen, Miss Crumb.« Seine Stimme war immer noch nicht weicher geworden und ich schüttelte innerlich den Kopf über ihn. Langsam verstand ich, was alle an ihm so schrecklich fanden. Er war wirklich sehr unhöflich und ein Meister darin, anderen das Gefühl zu vermitteln, dumm und nutzlos zu sein.

      Onkel Alfred schnaubte laut und ich lächelte unverwandt weiter, als ob ich weder den sehr deutlichen Rausschmiss meines Onkels noch die verachtende Haltung gegenüber meiner Anwesenheit bemerkt hätte. Denn so war man als wahre Dame. Man stand über den Dingen, und vor allem über Beleidigungen.

      »Mr Reed«, verabschiedete sich Onkel Alfred knapp und führte mich ein Stück am Geländer des Rundgangs entlang, bevor er sich zu mir runterbeugte. »Du wirst das schaffen, Ani. Zeig es dem Sesselfurzer«, raunte er mir zu und ich musste lachen über seine Ausdrucksweise. Auch bei meinem Onkel stahl sich ein Grinsen in die Mundwinkel. Er nickte mir zu, drückte noch einmal kurz die Hand, die ich immer noch auf seinem Arm ruhen hatte, und trat dann auf die Treppe zu. Ein letzter Blick zu mir, der für meinen Geschmack viel zu besorgt aussah, und dann war er verschwunden.

      Mr Reed hatte seine Nase schon wieder in dem Buch, das er bereits vorhin in den Händen gehalten hatte, und sah erst auf, als ich mich direkt vor ihn stellte.

      »Der Mantel«, sprach ich ihn so freundlich wie irgend möglich an und er blinzelte zweimal, als hätte er schon vergessen, dass ich da war.

      »Aber natürlich«, gab er zurück und ich konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht recht deuten. Er führte mich zu der Tür neben seinem Büro und wir betraten ein schmales Zimmer. Darin befanden sich ein kleiner, grob gearbeiteter Tisch, zwei Stühle, eine ganze Menge Gerümpel, ein wenig befülltes Regal, ein Garderobenständer und noch eine zweite Tür, die nach hinten führte.

      Unaufgefordert entledigte ich mich meiner Handschuhe, die ich ins Regal legte, und knöpfte meinen Mantel auf, der einen Platz an einem Messinghaken des Ständers fand.

      Ich hatte keinen Moment erwartet, dass Mr Reed mir beim Ablegen behilflich sein würde und er hatte es auch nicht angeboten.

      »Waren Sie bereits schon einmal zuvor in dieser Bibliothek?«, fragte Mr Reed ganz direkt und ich kniff die Lippen aufeinander.

      »Nein«, musste ich zugeben und es passte mir gar nicht. Das klang, als ob ich noch nie ein Buch zur Hand genommen hatte und ich ärgerte mich über den abschätzigen Blick meines Gegenübers. »Nicht in dieser«, fügte ich daher hinzu, doch das ließ den Bibliothekar kalt, wenn er mir denn überhaupt zugehört hatte.

      »Dann schlage ich vor, Sie sehen sich ein bisschen um, bis ich so weit bin, und dann werde ich Sie mit Ihrem neuen Aufgabenbereich vertraut machen«, erläuterte er, als erzählte er einem Kind, es würde wichtige Arbeit leisten, wenn es seine Bauklötze zusammenräumte. Dann drehte er sich einfach zur Tür, ließ mich ohne ein weiteres Wort stehen und ging zurück in sein Büro, dessen Tür er hinter sich schloss, als wollte er mich gleich wieder vergessen.

      Ich kniff die Lippen noch fester aufeinander, um über diese Dreistigkeit nicht laut aufzuschreien.

      Für einen Monat hatte Onkel Alfred mich hier eingestellt. Einen Monat gab mir meine Mutter.

      Einen Monat, sagte ich mir. Einen Monat mit diesem Mann. Das musste doch irgendwie zu schaffen sein.

      Das Vierte oder das, in dem ich lernte, Mr Reed zu hassen.

      Ich ordnete meine Kleidung und redete mir weiter ein, dass alles nur halb so schlimm war und mein Stolz stärker als ein paar ungehobelte Worte von diesem Mann.

      Sorgfältig strich ich den Rock glatt, kontrollierte meine Haare und richtete die Brosche an meiner Bluse, die direkt unterhalb einer Halskuhle saß. Dann machte ich mich innerlich bereit und trat aus der Tür, zurück auf den Rundgang.

      Er beschrieb einen Kreis, den man einmal herumgehen konnte. Die Wände waren so hoch mit Büchern gefüllt, dass mir schwindelig wurde. Was allerdings auch an dem Hochgefühl liegen konnte, das die Masse an Literatur in mir hervorrief.

      Gegenüber führte eine Tür auf einen langen Gang, der ebenfalls mit Regalen vollgestopft war und dessen Ende ich von hier aus nicht sehen konnte.

      Ich ging eine Runde, langsam und aufmerksam, und genoss die Stille und die Atmosphäre. Eilig versuchte ich mir die Verteilung der einzelnen Themengebiete einzuprägen, besah mir die metallen kleinen Schilder, die jedem Buch auf den Rücken genietet waren und die die Abkürzungen der Abteilung, des Stehplatzes und des Autors eingestanzt hatten. Mir

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