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todkranke Frau. Eine tragische Geschichte. Unterleibskrebs! Hat mir Prof. Herfurth erzählt. Hoffnungsloser Fall. Hat vielleicht noch ein paar Wochen zu leben. Jetzt hat er sie genommen und ist mit ihr zu den Kanarischen Inseln geflogen. Sozusagen ein Abschied vom Leben, der letzte Urlaub.“

      Veronika sah ihn betroffen an. „Erzähl weiter! Mich interessiert jede Frau, die ein solches Schicksal hat. Schließlich kann das mir auch einmal passieren.“

      „Da gibt es nicht viel zu erzählen“, erwiderte er. „Ich weiß ja selbst nicht viel. Es ist eine tragische Geschichte. Der Mann ist ein hervorragender Arzt, aber das Schicksal seiner Frau hat ihn so mitgenommen, dass er auch in seinem Beruf Fehler machte. Es sind, wie mir Herfurth versicherte, noch relativ harmlose Fehler gewesen, aber die Sache drohte überhand zu nehmen. Jedenfalls wurde es höchste Zeit, dass der Mann einmal zur Ruhe kam. Soweit ein Mensch zur Ruhe kommen kann, der eine Frau hat, die sich in einem so hoffnungslosen Zustand befindet wie die Frau dieses Arztes. Weißt du, er hat’s im Grunde richtig gemacht. Er hat seine Frau genommen, und sie machen noch einmal Urlaub. Aber furchtbar ist es doch.“

      „Du sagst, er ist auf den Kanarischen Inseln?“

      „Ich hörte so etwas, oder er will erst hinfahren. Jedenfalls ist er nicht mehr in der Klinik. Und die Frau, hat mir jedenfalls Herfurth erzählt, ist entlassen. Man kann sowieso nichts machen. Ihre Medikamente hat sie, und die Bestrahlung wird vielleicht in einigen Wochen noch einmal durchgeführt, aber, so viel Herfurth wusste, sieht es nicht aus, als käme es noch einmal zu einer neuen Bestrahlung.“

      „Grauenhaft!“, entfuhr es Veronika. „Weiß das Pechner?“, fragte sie ihren Mann.

      „Ich glaube nicht, dass er das weiß. Ich wundere mich nur über seine Frage. Was kann er nur gewollt haben?“

      „Hat er dir den Tag gesagt?“

      „Ja. Er sprach vom 16., vom 16. August.“

      Veronika machte schmale Augen. „Dann scheint er etwas zu wissen“, meinte sie.

      „Was zu wissen?“, fragte Dr. Gstaad, dessen Interesse erwacht war. „Was weißt du denn von denn der Geschichte? Du tust ja so, als ...“

      Sie nickte. „Ich weiß eine Menge, aber nicht alles. Und Pechner scheint auch etwas zu wissen.“

      „Nun rede bitte nicht in Rätseln! Was ist passiert? Worum geht es überhaupt? Ihr alle wisst etwas und redet davon, und ich soll euch Fragen beantworten und weiß selbst überhaupt nichts. Um was geht es?“

      „Es geht um Romeo und Julia", sagte Veronika und lächelte schmerzlich. „Es ist fast eine Lovestory ...“

      16

      Dem Haus gegenüber lag der Stadtwald. Pechner stand im Schutze eines Haselnussstrauches und beobachtete das Gebäude, in dem sich die Eigentumswohnung Dr. Berrings befand. Er wartete schon lange, und endlich sah er Dr. Berring herauskommen, zur Garage gehen, und wenig später mit dem Wagen wegfahren. Unmittelbar danach verließ Pechner sein Versteck, überquerte die Straße, ging zur Tür des Hauses, überblickte die Namensschilder und schellte dort, wo der Name Berring stand. Eine Frauenstimme fragte an der Gegensprechanlage nach dem Besucher. Pechner sagte seinen Namen und erklärte: „Ich wollte zu Ihnen, Frau Berring. Es ist eine wichtige private Sache. Ich gehöre zu dem Team von Dr. Gstaad, das mit Ihrem Mann zusammenarbeitet.“

      Der Summer ertönte, die Tür wurde geöffnet. Pechner trat ein, lief die Stufen empor und war kurz darauf im ersten Stock, wo ihn Ingrid Berring empfing.

      Sie war blass, und trotz aller Bemühungen war es ihr nicht gelungen, das Haar so locker wie die einstige Haarpracht zu kämmen. Ihr Gesicht wirkte ein wenig aufgedunsen und zeigte bläulich rote Flecken an Schläfe und hinter dem Ohr.

      Er begrüßte sie, nannte noch einmal seinen Namen, und sie ließ ihn eintreten. Aber sie war offensichtlich nicht bereit, ihn ins Wohnzimmer zu bitten, sondern schloss nur die Wohnungstür und sagte: „Was möchten Sie denn?“

      „Meine Frau und Ihr Mann haben ein Verhältnis miteinander“, erklärte er ihr.

      Er sah das Erschrecken in ihren Augen. Sie machte ein paar Schritte zur Seite, und er fürchtete schon, sie könnte hinstürzen, so unsicher schien sie zu stehen. Aber sie hatte sich schon wieder gefasst, öffnete die Wohnzimmertür und deutete hinein. „Bitte, treten Sie ein!“, sagte sie mit leicht bebender Stimme. Er folgte ihrer Einladung, warf einen kurzen Blick in die Runde und erkannte auf Anhieb den Wohlstand, der hier im Hause herrschte. Auf ihre Bitte hin nahm er Platz und saß genau dort ihr gegenüber, wo sonst immer Dr. Berring saß. Sie selbst hatte auf der Couch Platz genommen, hielt die Hände im Schoß gefaltet und blickte ihn abwartend an. Als er nicht sprach, forderte sie ihn mit einer spröde klingenden Stimme auf: „Nun erzählen Sie schon.“

      „Meine Frau und Ihr Mann sind sich auf einer Fahrt, aus Süddeutschland kommend, irgendwo im bayerischen Raum begegnet. Meine Frau ist da mit ihrem Wagen in den Graben gerutscht, und Ihr Mann hat sie herausgezogen. Anschließend haben sie gemeinsam in einem kleinen Gasthof übernachtet, und bei der Übernachtung ist es ganz offenbar nicht geblieben. Meine Frau hat mir gebeichtet, Ihr Mann und sie hätten sich geküsst. Aber ich sage Ihnen ehrlich, dass ich das nicht glaube. Nicht glaube, dass es dabei geblieben ist.“

      Ingrid Berring schwieg. Sie sah ihn nur an. In ihrem Gesicht regte sich nichts. Nur ihre Augen verrieten, dass in dieser Frau Leben war.

      Durch ihr Verhalten verunsichert, fragte er: „Und Sie sagen nichts?“

      „Was soll ich dazu sagen? Glauben Sie, dass ich Ihnen vor Freude um den Hals springe? Mir ist nicht danach zumute.“ Sie verspürte Schmerzen im Unterleib. Dabei hatte sie vorhin erst eine Tablette genommen. Aber jetzt schien die Erschütterung, die sie beherrschte, die Wirkung der Tablette zu beeinträchtigen. Dieser ziehende, jetzt stechende Schmerz wurde immer stärker. Sie musste auf die Toilette gehen. Sie war sich inzwischen auch klar darüber, wovon das herrührte, dieser ständige Druck auf die Blase. Seit sie zu Hause war, gab es für sie genug Möglichkeiten, in der umfangreichen Literatur, die ihr Mann besaß, etwas über ihr Leiden nachzulesen. Ihrem Mann gegenüber ließ sie sich nicht anmerken, dass sie sich über ihr Schicksal so gut wie völlig im Klaren war. Einiges hatte inzwischen auch Dr. Timmel zugegeben. Doch nun blickte sie den Menschen an, der gekommen war, ihr etwas zu sagen, das sie bis ins Mark traf, auch wenn man es ihr nicht ansah.

      „Und warum sind Sie hier? Was versprechen Sie sich davon, dass ich es weiß?“

      „Ich hielt es für meine Pflicht, es Ihnen zu sagen. Meine Frau hat mich betrogen. Und dasselbe ist Ihnen durch Ihren Mann geschehen. Wir sind Leidensgenossen.“

      Sie erhob sich, ging zur Tür, öffnete sie und sagte: „Gehen Sie! Gehen Sie, und kommen Sie niemals wieder!“

      Er stand überrascht auf, sah sie fassungslos an und sagte dann: „Ja aber ...“

      Sie schüttelte den Kopf, deutete auf den Korridor. „Verschwinden Sie!“, sagte sie verächtlich. „Und wenn es tausendmal stimmt, was Sie sagen. Gehen Sie! Sie hätten es mir nie sagen dürfen. Sie wissen überhaupt nicht, was Sie angerichtet haben.“

      Er war so betroffen, dass er kein Wort mehr herausbrachte, an ihr vorbeiging und die Wohnung verließ. Er hatte nur noch einen Gedanken: Dr. Berring nicht begegnen zu müssen. Und als er die Straße

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