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solltest. Ich weiß, dass es immer Ärger mit Behörden und dergleichen gibt, aber ich nehme an, du verstehst mich. Wir sind fast zehn Jahre Mann und Frau gewesen. Wirklich verstanden haben wir uns im Grunde erst die letzten Tage. Ein Verstehen, was über die körperliche Liebe hinausgeht, was mehr ist als ein Zusammensein, ein gegenseitiges Erdulden, und dennoch, ich bin ehrlich genug, um zu sagen, dass ich dich eigentlich nie geliebt habe. Als wir heirateten, war es mir sehr wichtig, einen Mann zu haben, den man vorzeigen kann.

      Heute weiß ich, welch ein Unsinn das ist. Aber damals bedeutete es mir sehr viel. Es hat mir noch vor Monaten etwas bedeutet. Aber dann, seit ich weiß, was mit mir los ist, denke ich in vielen Dingen völlig anders, denn ich ahnte schon im Krankenhaus, woran ich leide, und ich danke dir für deine Mühe, die du dir gegeben hast, mir vorzuspielen, mein Leiden sei bedeutungslos. Ich bin auf dein Spiel eingegangen und wollte nicht, dass die kurze Zeit, die uns noch bleibt, getrübt wird. Klage Hartmut Timmel nicht an, dass er ehrlich zu mir war, als ich ihn darum gebeten habe. Ich musste es versprechen, es nie zu verraten, dass ich es von ihm weiß. Ich habe mein Leben lang dieses Versprechen gehalten. Jetzt wo du diese Zeilen liest, werde ich nicht mehr sein.

      Lieber Hans, du warst zu schade für mich. Ich wollte, ich hätte das früher erkannt. Ich gebe zu, dass ich die meiste Zeit unserer Ehe geglaubt habe, ich müsste dich erleiden, ich brächte ein Opfer. In Wirklichkeit warst du derjenige, der Opfer gebracht hat. Ich bin sicher, du wärst mit einer anderen Frau wirklich glücklich geworden, mit mir bist du es höchstens in den letzten Tagen gewesen. Ich danke dir für das, was du seit Bekanntwerden meiner Krankheit getan hast, wie du dich um mich bemühtest, seit ich operiert wurde. Ich weiß, wie schwer es dir gefallen sein muss, ich weiß auch, dass es meine Schuld ist, wenn du mich nicht lieben konntest. Du hast es oft genug versucht und bist an meiner Gefühlskälte abgeprallt. Und nun, jetzt erst, wo ich dir Liebe hätte geben können, wo ich auf einmal begriff, was du wert bist, da war es mir von meinem Zustand her nicht mehr möglich, dir das zu erfüllen, was ich dir all die Zeit hätte erfüllen können. Ich gehe, weil ich nicht das Ende erleben möchte, was mir sicher ist. Verzeih mir! Vergiss mich! Doch wenn du an mich denkst, dann sieh mich, wie ich hier in diesen unseren letzten gemeinsamen Tagen gewesen bin.

      Deine Ingrid

      Er spürte, wie seine linke Hand zitterte, empfand auch wieder den Schmerz in seiner anderen Hand. Ihm wurde flau im Magen, und die Knie drohten ihm nachzugeben. Abrupt wandte er sich um und ging hinaus. Der Page, der dort draußen stand, um ungebetene Besucher abzuhalten, blickte Hans scheu an.

      Hans ging hinaus, verließ das Hotel und setzte sich draußen im immer noch heulenden Sturm auf eine Bank. Die Kälte fuhr durch seine Kleidung und ließ ihn frieren, aber er starrte hinaus auf die kochende See, als spürte er das alles gar nicht mehr.

      19

      Heidi beugte sich gerade über den Zeichentisch und arbeitete an einem Entwurf, als Veronika eintrat.

      „Du bist ja schon zurück!“, rief Heidi und richtete sich auf, sah Veronika an, die sich aus ihrem hellen Trenchcoat schälte und ihn achtlos auf die Stuhllehne warf.

      „Hübsch, der Entwurf“, meinte sie und sah sich Heidis Werk an. Es war die Zeichnung von einem Kostüm der Maria Stuart.

      „Sag mal, hast du wirklich nichts von Hans gehört?“, wollte Heidi wissen. „Das mit seiner Frau ist ja entsetzlich. Und wegen ihm selbst ...“

      „Ja, so einfach ist das gar nicht. Ich habe alles mögliche angestellt, um an diesen Professor Herfurth heranzukommen, seinen Chefarzt. Heute ist es mir gelungen, mit ihm zu telefonieren“, erklärte Veronika. „Ich habe natürlich so getan, als wüsste ich alles von Walter, es ist ja wahr, vieles weiß ich ja von ihm, und habe den Professor gefragt, ob er denn nichts Neues von Dr. Berring wüsste. Mein Mann würde ihn so sehr schätzen. Herfurth ist darauf eingegangen, hat es mir wohl abgenommen, und mir gesagt, dass sich Dr. Berring bei dem Versuch, seine Frau zu retten, die Hand so schwer verletzt hätte, dass er wohl auf lange Zeit nicht mehr in seinem Beruf arbeiten könnte. Man wisse nicht, ob es möglich wäre, die Hand wiederherzustellen. Es sei da eine Lähmung eingetreten, habe er erfahren.“

      Heidi presste entsetzt die Hand vor den Mund. „Um Himmels willen! Wo ist er denn überhaupt?“

      „Ich komme gleich darauf zu sprechen, meine Liebe. Erst einmal dieser Herfurth. Er hat also wirklich alles getan, um deinem Hans zu helfen. Er hat ihn wissen lassen, dass da eine ganz berühmte Handchirurgin in Aschaffenburg säße, und die sollte diese Operation durchführen. Ich weiß nicht, ob er hingefahren ist. Professor Herfurth hat jede Verbindung zu deinem Hans verloren. Niemand weiß, wo er steckt. Vielleicht taucht er bei dieser Chirurgin auf, lässt sich operieren. Niemand kann es sagen. Herfurth deutete an, dass die Geschichte mit Dr. Berrings Frau seinem Oberarzt sehr zugesetzt haben muss - und dann noch diese Handverletzung, die Hand eines Chirurgen. Sein Kapital, wenn man so will. Wie viel hängt davon ab, von einer sicheren geschickten und ruhigen Hand. Er müsste umlernen, aber selbst die Linke würde es nicht ausgleichen können, wo zwei Hände fehlen. Ein Chirurg mit nur einer Hand, meinte Professor Herfurth, das sein ein unvorstellbarer Zustand. Und er wisse nicht, wie die Zukunft seines so tüchtigen Oberarztes aussehe. Natürlich könne er sich aufgrund seiner erstklassigen Kenntnisse als Arzt irgendwo niederlassen, es müsse nicht unbedingt Chirurgie sein. Er könnte ja, wenn er auf die Facharztvorteile verzichtete, sogar eine Praxis als allgemeiner Mediziner ausüben. Aber es gäbe auch Möglichkeiten in der Forschung.“

      „Wäre da nicht eine Chance, wo dein Mann arbeitet?“, fragte Heidi.

      Veronika nickte. „Daran hatte ich auch gedacht. Ich habe auch mit Walter gesprochen. Aber du weißt doch, wie die Direktoren sind. Der eine ist nicht da, der andere kann’s nicht entscheiden, man will darüber reden, das zieht sich hin. Dein Hans hat ja auch noch Zeit.“

      „Mein Hans!“ Heidi lachte bitter. „Ich wollte, es wäre mein Hans. Er weiß ja gar nicht, dass ich seinen Namen kenne. Er weiß überhaupt noch nichts von mir. Und ich verfolge seinen Weg aus der Distanz, als wären es Züge einer Schachfigur.“

      „Wann ist denn eure Scheidung perfekt? Wie lange mag das noch dauern?“, fragte Veronika.

      „Bis zum Frühjahr bestimmt.“

      „Er zieht ja mit dieser Renate Friedländer herum“, erklärte Veronika. „Nun bemüht er sich überhaupt nicht mehr.“

      „Er hat mir einen gehässigen, bösartigen Brief geschrieben. Und die Sachen, die mir noch gehören, hat er in eine große Kiste geworfen und von einem Spediteur hier herbringen lassen. Hör mal, Veronika“, fuhr Heidi fort. „Fall ich euch auch wirklich nicht zur Last? Ich habe mich hier einquartiert, ein Zimmer besetzt und wohne hier, als wäre das immer so gewesen.“

      Veronika legte freundschaftlich den Arm um Heidis Schultern. „Ach, du kleines Dummchen“, sagte sie, „du nimmst uns doch keinen Platz weg. Walter und ich ... na ja, du weißt ja, wie wir zueinander stehen.“

      „Eins muss ich sagen“, erklärte Heidi lächelnd, „es geht bei euch sehr korrekt und sehr freundschaftlich zu. Ihr habt einen herzlichen Ton miteinander, dass man, wenn man es nicht besser wüsste, nie auf den Gedanken kommen könnte, wir ihr wirklich zueinander steht.“

      „Du darfst dich nicht täuschen. Wir stehen sehr gut zueinander. Wir sind das, was es ganz selten gibt: Wir sind wirkliche Freunde. Und manchmal, liebe Heidi, bewerte ich

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