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erst in den Schirm, sondern hielt sie gegen das Licht. Das Unglück wollte es, dass auch er nicht auf den Namen achtete, sondern lediglich wie gebannt auf einen kleinen weißen Keil starrte, den er da im Schädelbereich des Verletzten entdeckte. Sein Assistent kam herbei, blickte nun ebenfalls auf diese Stelle und fragte: „Was ist das denn? Das sieht ja aus wie ein Geschoss.“

      „Nein, ein Stahlsplitter. Irgend so etwas muss es sein. Kommen Sie! Der Patient ist schon auf der Station. Das sehe ich mir an. Da muss es doch eine äußere Verletzung geben. Vielleicht ist es auch eine Kriegsverletzung, aber dazu ist der Mann zu jung. Er ist ja bei Bewusstsein. Ich werde sofort mit ihm sprechen. Oder machen Sie das! Gehen Sie schon mal hin!“

      Auf Ambulanz I hatte man inzwischen die Frakturen versorgt. Es war vornehmlich eine Arbeit des Assistenten und der OP-Schwester. Dr. Berring stand zwar dabei, aber mit seinen Gedanken war er bei seiner Frau. Der Anästhesist bemühte sich um den Verletzten und rief plötzlich: „Da ist was! Mein Gott, ich krieg' die Sache nicht in den Griff. Das Herz macht nicht richtig mit.“

      Hans zuckte zusammen, versuchte sich zu konzentrieren, ging hinüber zum Tisch, sah den jungen Anästhesisten an und fragte: „Was ist mit dem Herzen?“

      „Sehen Sie selbst! Flimmern! Ich habe schon den Defibrillator eingesetzt.“

      „Der Puls ist auch schlecht. Die Temperatur sinkt, der Puls steigt. Schlechte Prognose“, erklärte Dr. Berring. „Irgendwas stört. Hier ist etwas. Die Atmung ist auch weg. Er wird nur noch von der Maschine beatmet.“

      „Das ist es ja“, sagte der Anästhesist. „Offensichtlich liegt eine Störung bei der Schädelverletzung bis ins Gehirnmark vor.“

      Dr. Berring blickte sich noch einmal die Aufnahme an, die noch immer im Leuchtschirm steckte,

      „So schlimm sieht das doch gar nicht aus. Da ist noch nicht mal die Kalotte beschädigt.“

      „Er hat aber eine offene Stelle am Kopf“, erklärte der Anästhesist.

      „Zeigen Sie mal!“ Dr. Berring sah es sich an. Diese offene Stelle war ein Stück hinter dem Ohr. „Das sieht ja aus, als wäre er da mit irgendwo hineingeflogen. Warten Sie mal!“ Er sah wieder auf das Röntgenbild. „Das ist ja ein ganz schönes Loch gewesen. Das müsste doch hier zu sehen sein. Da ist doch ganz sicher etwas am Schädel. Aber man sieht nichts auf der Aufnahme. Man sieht überhaupt nichts.“

      „Herzstillstand!“, rief der Anästhesist. Das Wort Herzstillstand war ein Alarmzeichen für jeden Arzt und ganz besonders für alle, die irgendeine Funktion im Operationssaal haben. Dr. Berring stützte sich sofort auf die Brust des Patienten. Mit kurzen federnden Stößen drückte er dagegen, ließ wieder los, drückte abermals dagegen, und das musste im selben Rhythmus geschehen, wie die natürlichen Herzschläge bei einem gesunden Menschen erfolgten. Die künstliche Beatmung brauchte man nicht mehr anzuschließen, die lief ohnehin schon.

      „Puls?“, fragte Dr. Berring.

      „Nichts“, erwiderte der Anästhesist, „gar nichts.“

      Dr. Berring warf einen kurzen Blick auf den Oszillographen des EKG-Gerätes. Die Anschlüsse waren inzwischen befestigt worden, aber kein Flimmern, nur ein gerader Strich, und nicht der geringste Ausschlag.

      „Wir müssen den Thorax öffnen“, sagte der Assistent.

      „Noch nicht. Weiter so! Ich muss es weiter versuchen!“ Und noch immer versuchte er mit einer normalen Herzmassage weiterzukommen.

      Es war mit einem Mal ganz still im Raum, nur das Zischen des Sauerstoffgerätes war zu hören, aber auch der Atem von Dr. Berring, der immer noch versuchte, den Patienten wiederzubeleben.

      Professor Herfurth kam herein, der Chefarzt der chirurgischen Abteilung. Die Nachricht von dem Herzstillstand war bis zu ihm gedrungen. Er trat neben Dr. Berring. blickte ihn an, ohne dass dieser Blick erwidert wurde. Hans Berring war voll und ganz damit beschäftigt, den Patienten wiederzubeleben.

      „Ich glaube. Sie müssen öffnen“, sagte der weißhaarige Professor.

      Jetzt erst wandte Dr. Berring den Kopf, sah den Chefarzt an, blickte in dieses von südlicher Sonne braungebrannte Gesicht und nickte.

      „Defibrillator, Blutkonserven und jetzt das Skalpell!“

      Schwester Karla reichte es ihm rüber.

      „Wie viele Minuten?"

      „Zwei Minuten, zwölf Sekunden“, sagte eine andere Schwester.

      Ein Herzstillstand darf nicht länger als vier Minuten dauern. Danach ist er absolut tödlich. Gelang es auch danach noch, das Herz wieder in Bewegung zu versetzen, waren ganze Teile des Gehirns infolge der mangelnden Sauerstoffversorgung so geschädigt, dass der Patient unter Umständen schwerste Hirnstörungen davontragen konnte, vielleicht überhaupt nicht mehr das Bewusstsein erlangte.

      Bevor er das Skalpell ansetzte, versuchte Dr. Berring noch einmal, mit der äußeren Herzmassage den Patienten wiederzubeleben.

      „Was soll das denn?“, sagte Professor Herfurth. „Öffnen Sie doch! Wir müssen weiterkommen. Das dauert zu lange. Es wird ...“

      „Er schlägt aus!“, rief der Anästhesist und deutete auf den Oszillographen. „Noch ein Ausschlag! Jetzt! Es schlägt wieder. Es ist wieder da!“

      Dr. Berring machte weiter. Nur nicht aufhalten, nur noch weitermachen. Die anderen starrten auf den Oszillographen. Eben noch ein gerader Strich, war die Linie, die von einer Seite zur anderen lief, plötzlich gezackt, flimmerte, die Zacken wurden gleichmäßiger, wurden höher.

      „Sie können aufhören“, sagte der Chefarzt.

      Dr. Berring richtete sich auf, ließ die Arme sinken, Schweißperlen standen in seinem Gesicht. Er keuchte nach dieser körperlichen Schwerarbeit, sah den Chefarzt an, blickte dann auf den Oszillographen und hörte, wie der Anästhesist plötzlich sagte: „Da, es lässt wieder nach. Zum Teufel noch mal, was ist das bloß? Es muss eine Hirnstörung sein.“

      Der Assistent wollte wieder mit der äußeren Herzmassage beginnen. In diesem Augenblick kam eine junge Schwester in die Ambulanz, ging auf den Chefarzt zu, der sie sofort fixierte und sagte ein wenig verlegen: „Die Stationsschwester hat mich geschickt. Hier ist eine Aufnahme vertauscht worden. Es steht Ambulanz I drauf. Auch der Name stimmt nicht, passt nicht zu unserem Patienten.“

      Professor Herfurth nahm die Aufnahme, hielt sie gegen das Licht, blickte dann auf die andere, die im Schirm hing, riss sie heraus und sagte mit schneidend scharfer Stimme: „Meine Herrschaften, das durfte ja nun wirklich nicht passieren. Das ist ja die falsche Aufnahme. Sie ist nicht von diesem Patienten. Ambulanz II. Auch die Namen stimmen nicht überein zwischen denen, die auf den Bein und Armfrakturen stehen und dieser hier. Das ist natürlich ein anderer.“ Er wandte sich der Schwester zu. „Wo kommt die Aufnahme her?“

      „Sie war einem Patienten mitgegeben worden, der schon auf Station ist. Er hat eine Kopfverletzung und war in Ambulanz II.“

      „Augenblick mal.“ Und jetzt hatte Professor Herfurth die richtige Aufnahme in den Leuchtschirm gesteckt, und sie alle sahen diesen geschossartigen Keil, der im Schädel dieses Patienten steckte, ein Stahlkeil wahrscheinlich. Kein Mensch konnte sagen, wie er hineingeraten war, aber er gab die absolute Erklärung für den instabilen Kreislauf des Patienten, ebenso wie diese Störungen von Atmung und Herztätigkeit.

      „Schädeloperation einleiten! Sofort!“, rief der Professor.

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