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folglich auch nur so selten wie irgend möglich dazu bereiterklärt, und wenn, dann natürlich nur auf die althergebrachte Weise auf dem ehelichen Lager. Unter freiem Himmel, so wie wir zwei es gemacht haben? Undenkbar. Einmal zum Beispiel, da badeten wir an einem See in einer einsamen Bucht, und mich überkam plötzlich süßes Verlangen nach Erikas aphrodisischem Körper und umhüllte mir die Sinne, und ich versuchte sie mit aller Behutsamkeit zu einem Schäferstündchen in Gottes freier Natur zu bewegen. Nun, ich hätte es mir denken können; aber meine Sinne waren ja „umhüllt“. Ich stieß auf empörte Ablehnung. Ja, ja, auch so kann eine Frau das süße Verlangen eines Mannes dämpfen.

      11

      Dabei gehörte Erika keineswegs zu der Gattung Frauen, für die Sex grundsätzlich gleichbedeutend ist mit Horror. Dies wurde mir naturgemäß erst später klar, konkret, im Sommer 1971, ein Jahr nach unserer Hochzeit. Damals begab sich für mich völlig Ungewohntes: ein Badeurlaub am Meer, an der italienischen Riviera, gemeinsam mit Erikas Eltern. Dort freundeten wir uns mit Lore und Lothar, einem etwa gleichaltrigen Ehepaar aus Innsbruck, an. So weit, so gut. Indes, wie gut sich Erika mit Lothar anfreundete, sollte ich erst nach dem Ende des Urlaubs erfahren. Da gestand sie mir nämlich, nein, da eröffnete sie mir frisch und fröhlich, sie habe sich in ihn verliebt, und ja, sie habe sich von ihm bereits verführen lassen und habe durchaus vor, dies auch in Zukunft so zu halten.

      Ganz schön mutig, meinst du? Aber woher denn. Sie kannte mich ja unterdessen zur Genüge und wusste, dass ich erstens kein Gewalttäter, kein Othello bin und zweitens zu jener Sorte Männer zähle, die ihre Frau auf Händen tragen und ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen. Tatsächlich dachte ich: Warum sollte ich ihr diese Freude missgönnen? Ein Mann, der seine Frau wirklich liebt und nicht bloß besitzen will, freut sich, wenn sie sich freut. Außerdem war es, wie gesagt, die Zeit der sexuellen Revolution und der Oswalt-Kolle-Filme, und da drängte sich in meinem Geist heimlich, still und leise ein verstohlener Gedanke vor, und der flüsterte mir ein: Vielleicht fängt dann die Lore mit mir was an, und wir praktizieren einen kleinen Partnertausch. Soll ja nicht gar so selten vorkommen.

      Dieser Gedanke war in der Tat sehr verstohlen. In Wirklichkeit war ich damals noch rasend monogam, und ich schlug gar manche Verlockung, gar manches Angebot aus; die Frauen waren mittlerweile, dem Zeitgeist folgend, im Allgemeinen nicht mehr so zurückhaltend, oder sagen wir, verklemmt, wie früher. Aber nein, ich hatte die feste Absicht, meiner Angetrauten treu zu bleiben, auch wenn sie sich gelegentlich anderweitig vergnügt.

      Und das tat sie oft und mit sichtlichem Vergnügen. Denn Lothar kam als Vertreter viel herum, und sie reiste ihm, wann immer es ging, nach. Und er kam auch immer wieder nach Vorarlberg und fand hier ein nicht nur billiges, sondern auch warmes und höchst vergnügliches Quartier, nämlich in unserer Wohnung. In unserem Schlafzimmer. Und ich? Störte ich sehr durch meine Anwesenheit (falls ich anwesend war)? Aber wo, nicht im Geringsten. Der Benedikt ist ja kein Gewalttäter, kein Othello. Und er ist unwahrscheinlich tolerant.

      Und dies war der unveränderliche Ablauf von Lothars Besuchen. Erster Akt: Gemeinsames Abendessen in der Küche. Zweiter Akt: Trinkgelage im Wohnzimmer, zu dritt auf der Couch. Erika saß in der Mitte, an Lothar gelehnt, die Beine auf meinem Schoß, und ließ sich von beiden gleichzeitig streicheln. Dritter Akt: Im Schlafzimmer, zu dritt im Ehebett, Erika wieder in der Mitte. Zuerst kam stets ich dran, und Lothar sah zu. Danach wurde das Licht abgeschaltet, und er kam dran. Ich durfte also nicht zusehen, nur zuhören. Aber das reichte mir völlig, und meistens schlief ich sowieso blitzartig ein, sodass ich nichts von dem mitbekam, was die zwei neben mir während der ganzen Nacht trieben.

      12

      Sommerferien 1972.

      Mein zweiter Badeurlaub am Meer, diesmal nicht mit den Schwiegereltern, sondern, ja, mit Lothar und Lore. Auch Lore hatte einen aphrodisischen Körper, und den führte sie mir nun Tag für Tag vor, und meine Augen durften sich ständig an seinem Anblick weiden, und ich spürte von Tag zu Tag stärker, wie unter dessen Einfluss meine strengen katholischen Prinzipien dahinschmolzen wie der Schnee des Winters unter dem wohltuenden Einfluss der Frühlingssonne. Und nachdem sie lang genug dahingeschmolzen waren, raffte ich mich zu einem ersten Vorstoß ins Reich der Polygamie auf, heute würde man sagen, der Polyamorie; damals existierte dieser Begriff noch nicht.

      Wir lagen gerade allein nebeneinander auf unseren Badetüchern. Erika und Lothar waren eben erst gemeinsam verschwunden, wohin, weiß ich nicht; ins Wasser nämlich nicht. Da machte sich meine Hand, plötzlich mutig geworden, wie von selbst auf Wanderschaft und wanderte hinüber auf Lores so verlockende Haut. Zugleich sollten, um mit Homer zu sprechen, dem Gehege meiner Zähne schmeichelnde Worte entfliehen. Ihm entflohen aber keine Worte. Meine Zunge war auf einmal gelähmt, und mein Herz raste. Du weißt ja, aller Anfang ist schwer. Und dies war eben das erste Mal, dass ich mir einen solchen Vorstoß erlaubte. Auch meine Hand zitterte, glaube ich, und erfüllte ihre Aufgabe, Lores Haut zu streicheln, höchst zaghaft.

      Eine beherztere Vorgangsweise war indes, wie sich herausstellte, auch gar nicht notwendig. Denn Lore schüttelte meine Hand wie ein lästiges oder ekelerregendes Insekt ab, und ihre Worte hatten keinerlei Schwierigkeiten, dem Gehege ihrer Zähne zu entfliehen.

      „Was tust du da, Benedikt?“

      Nun war meine Zunge erst recht gelähmt, und mein Herz schlug noch rasender als zuvor.

      „Ich mag so was nicht.“

      „Hm? Was magst du nicht?“, stammelte ich, sobald meine Zunge wieder halbwegs gebrauchsfähig war. Mir war, als hätte sie mich mit aller Kraft ins Gesicht geschlagen.

      „Na, auf bloßer Haut berührt zu werden. Das ist mir einfach unangenehm, weißt du.“

      „Auch nicht zärtlich?“

      „Aber das meine ich ja. Zärtlich. Wenn ich das schon höre.“

      „Aber wenn deine aphrodisischen Körperformen dazu förmlich einladen, nach Liebkosung schreien?“

      Na also, jetzt hatten es die Worte, die zu sagen waren, ja doch aus dem Gehege meiner Zähne geschafft.

      „Geh, bitte, Benedikt, tu nicht Süßholz raspeln wie ein unreifes Bürschchen. Merk dir einfach, ich bin ein kalter Fisch.“

      So endete mein erster Vorstoß ins Reich der Polyamorie. Und jetzt wusste ich auch, wieso Lothar so scharf auf Erika war.

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