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      13

      Erika selbst konnte von meinem Vorstoß naturgemäß nichts wissen, es sei denn, Lore hat es ihr erzählt oder auch ihrem Lothar, und der hat es weitererzählt. Kann ich aber nicht recht glauben. Viel wahrscheinlicher halte ich, dass sie meine begehrlichen Blicke bemerkt und daraus ihre eigenen Schlüsse gezogen hat. Welche die aber waren, das ahnte ich nicht. Und das ahnst auch du nicht.

      Sie überredete mich in diesem Sommer nämlich zu einem zweiten Badeurlaub ohne Lothar und Lore an einem Kärntner See. Dort war eine Jugendfreundin von ihr verheiratet und führte eine kleine Frühstückspension. Sie hieß Johanna und entpuppte sich als ein sehr lustiges, sehr lebhaftes, sehr zartes, sehr hübsches Persönchen mit langer, strohblonder Mähne und reizvollem Dirndl. Sie empfing uns mit überschwänglicher Begeisterung und verbrachte gleich den ersten Abend mit uns auf einer lauschigen Gartenbank. Und sie hatte keine Scheu, heftig mit mir zu flirten. Ihr Mann war nicht zu sehen.

      Schließlich wurde es dunkel und im Freien zu kühl, und wir zogen uns in das von Erika und mir gemietete Zimmer zurück. Dort angelangt, verschwand ich als Erstes im Bad. Als ich wieder heraustrat, war zu meiner Überraschung das Zimmer finster. Ich suchte den Schalter, machte Licht. Erneute Überraschung: Von den zwei Damen war nichts zu sehen, nichts zu hören. Ich schaute nach draußen, ich durchsuchte das Zimmer, ich öffnete sogar den Kleiderschrank, und in der Tat, darin standen sie und lachten sich tot, und ich machte große Augen, und Erika stieg, noch immer lachend, heraus, während Johanna keine Anstalten machte, ihr Versteck zu verlassen. Kurz entschlossen stieg ich in den Schrank, umschlang ihre Taille, drückte sie an mich, und sie ließ sich bereitwillig an mich drücken. Und weil ich mich, im Gegensatz zu ihr, bücken musste, um überhaupt Platz zu finden, und mein Kopf somit Johannas Kopf ohnedies schon fast berührte, küsste ich sie spontan, und sie erwiderte bereitwillig meinen Kuss.

      Danach stiegen wir gemeinsam aus dem Schrank und stellten verwundert fest, dass sich Erika inzwischen zu Bett begeben hatte. Diese Anregung griff Johanna auf. „Auf zum Federnball“, rief sie, schaltete das Licht aus und warf sich schwungvoll zu Erika ins Bett, und wieder lachten sich die beiden tot.

      Ich sah, dass Johanna es sich in der Mitte des Doppelbetts bequem gemacht hatte. Das bedeutete, sie hat mir einen Platz im Bett frei gelassen und mich eingeladen, mich zu ihr zu legen. Na gut, eine solche Einladung kann ein Kavalier nicht ablehnen. Im Gegensatz zu Johanna, die sich in voller Montur, allerdings ohne Schuhe, ins Bett geworfen hatte, zog ich mir wenigstens die Hose aus. Und so, also in Hemd und Unterhose, legte ich mich neben sie, deckte mich zu, lauschte andächtig dem Weibergekicher und stellte mich schlafend, das heißt, gab angemessene Schnarchgeräusche von mir. Aber gerade die schienen das bereits abflauende Gekicher wieder enorm zu beleben. Und plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Mund. Offenbar sollte mein Schnarchen gedämpft werden. Ich, nicht faul, biss in einen der Finger.

      „Na warte, Rache ist süß, spricht der Herr“, sprach Johanna, ersetzte die Hand durch ihren Mund, biss in meine Lippen.

      Zur Rache schlang ich meine Arme um ihren Kopf und biss meinerseits in ihre Lippen. Sie rückte mir näher, um besser zurückzubeißen zu können, und ich spürte, wie süßes Verlangen mir die Sinne umhüllte. So, mit umhüllten Sinnen, entkleidete ich mich, zog den Saum von Johannas Dirndl hinauf, ihr Höschen hinunter, schwang mich über sie und vollbrachte, ohne zu wissen, was ich tat, mit ihr das Werk des Liebesgottes, so wie ich es einige Jahre davor mit meiner einzig Geliebten heimlich auf der nächtlichen Terrasse vor dem Herkulessaal in München vollbracht hatte, ohne zu wissen, was ich tat, und hörte neuerlich die Engelchöre jubilieren.

      Erst nachdem die Ekstase abgeklungen war, erinnerte ich mich, dass wir nicht allein waren, und erlitt einen gehörigen Schock. Aber Erika zeigte keinerlei Anzeichen von Eifersucht oder sonstiger Verstörung und sagte auch kein Wort außer „Gute Nacht“, als sich Erika, sichtlich beglückt, in ihre eigenen Gemächer zurückzog. Und sie sträubte sich in keiner Weise, als ich, um sie sozusagen zu versöhnen, auch mit ihr das Werk des Liebesgottes vollbrachte.

      Danach schlief ich so gut, wie ich schon lang nicht mehr geschlafen hatte, und, das weiß ich noch ganz genau, träumte von dir. Und wieder lagen wir auf der Terrasse vor dem Herkulessaal, und wieder wusste ich nicht, was ich tat.

      Wie ging dieser Urlaub weiter? Genau so, wie du dir das jetzt denkst: Vom Schäferstündchen mit Johanna gab es unzählige Wiederholungen, jeden Tag mindestens eine, die erste schon am nächsten Abend, allerdings nie mehr in unserem Zimmer neben Erika, sondern nur noch ohne Publikum in Johannas stillem Kämmerlein, in dem sie, nebenbei, allein, also ohne Ehemann, schlief. Und was wir von nun an heimlich, still und leise in ihrem stillen Kämmerlein trieben, das nannte sie in ihrer unnachahmlich frivolen Art stets „Ehebrechen“, also: Wann tun wir denn wieder ehebrechen? Oder: Komm, gehen wir ehebrechen.

      Erika zeigte nach wie vor keine Anzeichen von Eifersucht, was natürlich nicht heißt, dass sie nicht doch darunter litt. Das wurde mir erst etwa eine Woche später klar, als ich des Nachts von Johanna zurückkam und sie, also Erika, wach und in Tränen aufgelöst vorfand. Die Tränen erweckten mein Mitleid, und ich wagte es wieder einmal, mich über sie herzumachen und mit ihr die Werke des Liebesgottes zu vollbringen. Wieder sträubte sie sich zu meiner Verwunderung überhaupt nicht, obwohl sie in ihrem Heulkonzert nicht nachließ. Und jetzt, liebste Irmi, pass gut auf. Meine Verwunderung stieg nämlich ins Unermessliche, als ich erkannte, dass ihr der Segen des Eros zuteil wurde, dass sie, mit anderen Worten, einen richtigen und noch dazu äußerst heftigen Orgasmus erlebte (und ich die Engelchöre jubilieren hörte; bisher hatte deren Jubel immer recht gedämpft geklungen außer einmal, vor langer Zeit, auf der Terrasse vor dem Herkulessaal). Ich freute mich maßlos über diesen herrlichen Fortschritt in unserem gemeinsamen Eheglück, ahnte aber nicht, dass dies Erikas einziger Orgasmus während unserer gesamten Ehe bleiben sollte.

      Drei Wochen dauerte dieser Sexurlaub bei Johanna. Und ausgerechnet der letzte Tag goss einen Wermutstropfen in unser Liebesglück. Vor der Abfahrt nach dem Mittagessen wollten wir noch einmal schnell in ihrem Kämmerlein „ehebrechen“. Und was geschah? Mein von der Natur fürs „Ehebrechen“ vorgesehenes Werkzeug streikte. Es war anscheinend überfordert. In Gedanken verwünschte ich es und sprach es an mit Goethes Worten:

      Verfluchter Knecht, wie unerwecklich liegst du,

      und deinen Herrn ums schönste Glück betriegst du!

      Zerknirscht versprach ich Johanna, mein Versagen ein andermal gutzumachen. Denn ich hatte mich schwerstens in sie verknallt.

      Aber leider, es gab kein anderes Mal. Als wir, Erika und ich, Johanna im Herbst erneut besuchten und ich sie nach dem Mittagessen fragte, ob wir jetzt wieder „ehebrechen“ wollen, damit ich mein Versagen vom letzten Mal gutmachen könne, erlebte ich eine gar herbe Enttäuschung. Zuerst klangen ihre Worte durchaus tröstlich: Es sei sehr schön mit mir gewesen, und sie werde diese Zeit auch nie vergessen. Aber dann der Tiefschlag: Ich möge ihr nicht böse sein. Es sei jetzt aus zwischen uns. Mittlerweile hätten sich ihre Gefühle gewandelt. Oder so ähnlich.

      Ich konnte sie nur fassungslos anstarren und glaubte zu ersticken. Mein Herz hörte auf zu schlagen. Der Boden schwankte, die Wände drehten sich. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und noch immer verriet mir Erika nicht, was sie mir Jahre später verraten sollte: Dass nämlich sie es war, die diese Geschichte mit Johanna listig eingefädelt hatte, um mich wegen ihres anhaltenden Liebesverhältnisses mit Lothar ein wenig zu trösten, sprich, um zu verhindern, dass ich irgendwann doch zum Othello werde.

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