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zeigt eine empörte Miene. „Du bist so was von verbissen. Also gut, wenn du's unbedingt wissen willst: Ja, schön war's mit ihm. Und jetzt kannst du mich erdrosseln.“

      Wider Willen muss ich herzlich lachen, denn eigentlich ist mir nicht nach Lachen zumute. „Sag, mein Schatz, kennst du mich wirklich so schlecht? Ist dir noch nie aufgefallen, dass ich kein Othello bin?“

      „Na, da habe ich aber noch einmal Glück gehabt.“

      „Red doch nicht so hässlich daher. Du weißt doch, dass ich dir jede Freude vergönne, einfach weil ich dich lieb hab. Und jetzt, nach meiner Operation, sowieso.“

      Yvonne blickt mir lange in die Augen. Ihre Züge entspannen sich zusehends. Dann kommt sie langsam auf mich zu, stellt sich auf die Zehenspitzen und drückt mir einen keineswegs allzu flüchtigen Kuss auf die Lippen.

      „Danke, Schatz“, flüstert sie hernach. Um ihr diese friedliche Stimmung zu erhalten und ihr vielleicht eine weitere Freude zu bereiten, verrate ich ihr, was ich für morgen mit Irmi ausgemacht habe. Daraufhin bleibt sie stumm. Aber in ihrer Miene spiegeln sich sehr unterschiedliche Stimmungen: Zunächst Enttäuschung oder Entrüstung. Doch dann beginnt Yvonne zu strahlen, dass es eine Freude ist.

      Tatsächlich ist das jetzt das erste Mal seit meiner Operation vor vier Jahren, dass sich Yvonne mit einem anderen vergnügt, jedenfalls so unverhohlen. Das eine oder andere Mal habe ich sehr wohl schon untrügliche Anzeichen eines Seitensprungs entdeckt, darüber aber nie ein Wort verloren. Erstens soll man bekanntlich nicht mit Steinen werfen, wenn man selbst im Glashaus sitzt. Und zweitens wäre es naiv gewesen, anderes zu erwarten, wenn man sich in meinem Alter mit einer jungen, attraktiven, liebesdurstigen Frau schmückt, zumal jetzt, seit der Operation. Außerdem, Kummer bin ich ja gewohnt, schon seit Erikas Zeiten.

      16

      Freitag, 27. Mai 2011.

      Ein ganzer Tag mit Irmi.

      Eigentlich wollten wir uns ja beim gemeinsamen Wandern mit Erzählungen vergnügen. Tatsächlich vergnügen wir uns einen beträchtlichen Teil des Tages im Bett. Der Schmerz über die verlorenen Jahre, die aufgestaute Sehnsucht, ja Eros selbst, der in Irmis weichen Wangen lauert, treibt uns gleich am Morgen mit Gewalt in ihr Bett. Und wenn es uns schon nicht vergönnt ist, ein einzig Fleisch zu werden wie einst auf der nächtlichen Terrasse vor dem Herkulessaal, so wollen wir uns doch nicht mehr mit innigen Küssen begnügen. Es drängt uns, auch den Körper des anderen mit Augen und Fingern zu erforschen und zu liebkosen. Dies ist uns ja noch nie vergönnt gewesen. Und mich drängt es, Irmis Körper auch dort zu liebkosen, wo Frauen, laut Ovid, am liebsten liebkost werden möchten, und auch nicht nur mit Augen und Fingern, sondern auch mit Lippen und Zunge. Und so gelingt es mir zu meiner Genugtuung, Irmi mehrere Orgasmen zu bereiten und zugleich das Feuer ihrer Liebe enorm anzufachen. Denn, so verrät sie mir nachher, Lippen haben ihren Schoß noch nie berührt, und von einer Zunge ganz zu schweigen.

      Durch diese Bemerkung neugierig geworden und zugleich ermutigt, frage ich, welche Körperteile ihren Schoß bisher berührt haben, und erhalte eine bestürzende Antwort: Ein einziger Schwanz (so sagt sie zu meiner Verblüffung wirklich), und das auch nur ein einziges Mal. Und sonst eben ihre eigenen Finger und, fügt sie errötend hinzu, ein Vibrator, den sie sich, spät genug, zugelegt habe.

      „Aber was glaubst du, wie ich mich am Anfang geschämt habe und was für Gewissensbisse ich hatte, nicht nur wegen des Vibrators, sondern schon vorher wegen der Freuden, die ich mir selber mit den Fingern bereitet habe. Trotzdem waren die gar nichts im Vergleich zu den Gewissensbissen, die ich hatte, nachdem ich mir ein einziges Mal einen Schwanz eingeführt und seinen Samen empfangen habe. Entsetzlich, kann ich nur sagen. Übrigens war ich danach schwanger.“

      „Was sagst du da?“

      „Ja, ja, du hast schon recht gehört. Nur leider, damals dachte ich natürlich, Gott sei Dank, hatte ich eine Fehlgeburt.“

      „Was?“

      „Ja, in einem ziemlich frühen Stadium sogar. Wahrscheinlich wegen der schrecklichen Gewissensbisse, die mich Tag und Nacht heimsuchten. Sonst hättest du heute ein vierzigjähriges Kind. Ein weiteres Kind, muss es natürlich heißen. Du hast doch sicher Kinder?“

      Verstört nicke ich, bringe aber keinen Laut über die Lippen. Diese meine Sprachlosigkeit nutzt Irmi sogleich aus, um sozusagen abzutauchen und meinen Schwanz, was sage ich, mein winziges Schwänzlein mit Augen und Fingern und sogar mit der Zunge zu erforschen und zu liebkosen. Doch falls sie sich dabei irgendwelche Hoffnungen macht, ein Erfolg bleibt aus, muss ausbleiben. Als sie sich wieder aufrichtet, lächelt sie mich zwar liebevoll an. Doch ihr Lächeln ist bitter, und die Enttäuschung ist ihr ins Gesicht geschrieben. Und dies ist dann auch der Anlass, unsere ehebrecherischen Aktivitäten zu beenden, uns wieder anzuziehen und aufzubrechen, um uns, wie geplant, beim Wandern durch die zauberhafte Frühlingslandschaft von Mykonos mit Erzählungen zu vergnügen.

      17

      Wo war ich gestern stehen geblieben, liebste Irmi? Ah, ich weiß schon: 1972, mit dem bitteren Ende der so lustvollen Johanna-Geschichte.

      Nachdem ich jetzt auf den Geschmack gekommen war und auch von keiner katholischen Morallehre mehr gefesselt war – die Mitwirkung im Feldkircher Kirchenchor hatten wir, Erika und ich, längst aufgegeben -, lechzte ich nach mehr und fragte Erika rundheraus, ob sie nicht noch mit weiteren Jugendfreundinnen aufwarten könne. Das war natürlich eine versteckte Aufforderung, mir eine Nachfolgerin für Johanna zu liefern. Und genau so fasste Erika meine Bemerkung auch auf. Denn du würdest es nicht für möglich halten: Sie lieferte mir eine Astrid frei Haus, sprich, lud sie zu Abendessen und anschließendem Trinkgelage ein. Und es traf sich gut, dass sich für denselben Abend Maxi, mein ältester und wohl auch bester Freund zu einem Besuch angesagt hatte. Astrid lebte in Feldkirch, war noch unverheiratet und hatte, laut Erika, erst kürzlich ihren „Bekannten“, wie man damals verschämt sagte, in die Wüste geschickt. Maxi hatte mit mir zusammen die Volksschule und das Klostergymnasium in Melk besucht; und ich erinnere mich noch gut, wie ich ihm schon im ersten Schuljahr beim Nachhauseweg von der Volksschule meine Freundschaft antrug. Mittlerweile lebte er in der Nähe von Innsbruck und war ebenfalls noch unverheiratet.

      Nun, so feierten wir eben zu viert ein ausgedehntes und fröhliches Trinkgelage, und es wurde heftig geflirtet. Die Feier endete erst lang nach Mitternacht. Ausgemacht war, dass Maxi auf einem Gästebett im Wohnzimmer übernachten sollte; ich sollte Astrid heimbegleiten, und zwar zu Fuß; wir waren natürlich alle vier ziemlich angesäuselt. Sie wohnte ohnedies nicht sonderlich weit von uns. Und dabei würde ich ihr näherkommen, und sie würde mich voraussichtlich in ihre Wohnung mitnehmen. Und dort würde eben geschehen, was geschehen musste.

      Aber

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