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sondern ließ ihn ein und bot ihm Platz an.

      Auf dem Tisch lag ein angefangener Brief. Mehrere Papierknäuel lagen im Papierkorb.

      »Die schönen Blumen«, sagte Antje und stellte sie mit der Vase auf den Tisch. »Wie komme ich zu der Ehre?«

      »Mir war einfach danach, Ihnen Blumen zu schenken«, antwortete Dr. Anders.

      Die werdende Mutter lächelte. »Was würde Ihre Frau sagen, wenn sie davon erführe?«

      »Die bekommt natürlich auch einen Strauß, damit sie keinen Grund hat, sich zu beklagen«, gab der Chefarzt zur Antwort.

      »Sie sind bestimmt ein sehr guter Ehemann und Vater.«

      »Das kann ich selbst nicht beurteilen«, erwiderte der Chefarzt bescheiden. »Ich gebe mir jedenfalls Mühe.«

      Antje wies auf den Briefumschlag. »Ich bin gerade dabei, an meine Eltern zu schreiben. Sie leben in Hamburg. Ich habe seit einer Ewigkeit nichts von ihnen gehört. Die erste Fassung tippte ich mit der Schreibmaschine. Sie gab ihren Geist auf, und nun mache ich mit der Hand weiter.

      »Fällt es Ihnen schwer, Briefe zu schreiben?«, fragte der Arzt.

      »Normalerweise nicht«, gab die Frau zur Antwort.

      »Den eigenen Eltern zu schreiben, müsste Ihnen dann doch eigentlich noch leichter fallen«, sagte Dr. Anders.

      »Nicht dieser Brief«, erklärte Antje. »Es ist der erste, seit ich mein Elternhaus verlassen habe. Wir trennten uns nicht im Guten.« Sie erzählte dem Chefarzt die Geschichte.

      »Ich werde Sie nicht lange aufhalten«, sagte Dr. Anders.

      »Ich habe nicht vor, diesen Brief schon Montag einzuwerfen. Sie stehlen mir nichts von meiner Zeit«, meinte Antje.

      Dr. Anders kam auf den Grund seines Besuches zu sprechen. Er hatte den Eindruck, dass Antje Büchner nicht hören wollte, was er ihr zu sagen hatten.

      Ihre Nase war leicht gekräuselt, ihr Blick hatte sich verdüstert. In ihrer Haltung war Ablehnung zu erkennen. Anscheinend schützte sie sich so vor der unangenehmen Nachricht, die sie offensichtlich erwartete.

      Der Chefarzt seufzte. »Leider kann ich Ihnen nichts Erfreuliches berichten, Fräulein Büchner.«

      Antje senkte den Blick und betrachtete ihre Hände. »Die Kolbert gibt Gideon nicht frei, sie will ihn behalten«, sagte sie leise.

      Mit dieser Nachricht hatte sie gerechnet, doch die Wahrheit sah für Antje noch schlimmer aus. Dr. Anders versuchte sie ihr so schonend wie möglich beizubringen.

      Er wählte seine Worte sehr vorsichtig und sprach nie direkt aus, was er meinte. Er umschrieb die Dinge, die zu schmerzlich für Antje gewesen wären, und gab nicht haargenau wieder, was Gideon Arendt gesagt hatte, sondern schwächte dessen Äußerungen nach Möglichkeit ab.

      An der Tatsache, dass Gideon Arendt von Antje trotz des Kindes nichts mehr wissen wollte, konnte Dr. Anders jedoch nichts ändern, die blieb bestehen, und sie bohrte sich wie ein Stachel in Antje Büchners Fleisch.

      Der Blick der jungen Frau irrte wie hilfesuchend durch den Raum. »Er will mich nicht mehr... Es ist nicht Kitty Kolbert, die ihn mir vorenthält ... Er hat genug von mir... Ich kann es nicht verstehen. Ich habe ihm alles gegeben - meine ganze Liebe: Wir waren so glücklich... Ich schränkte seine persönliche Freiheit nicht ein, zeigte für alles Verständnis, Wir hätten eine so wunderbare Zukunft vor uns haben können... Warum ... Doktor Anders? Warum?«

      »Wir können dem Leben keine Vorschriften machen, Fräulein Büchner. Selbst wenn wir uns noch so sehr dagegen auflehnen, wenn wir es absolut nicht verstehen können oder wollen - es kommt, wie es kommt, und wir können es nur hinnehmen. Die Orientalen haben dafür ein bestimmtes Wort. Sie zucken ergeben mit den Schultern und sagen: >Kismet<.«

      Antje schaute den Chefarzt unglücklich an. »Ich danke Ihnen dafür, dass Sie sich soviel Mühe gemacht haben.«

      »Ist nicht der Rede Wert«, entgegnete Dr. Anders.

      »Würden... würden Sie mich jetzt bitte allein lassen?«, fragte Antje Büchner mit Tränen in den Augen.

      26

      Antje Büchner schleppte sich durch die Wochen. Sie hatte an nichts Freude, aß wenig. Die Kollegen versuchten sie aufzuheitern, ihr zu neuem Lebenswillen zu verhelfen, doch sie sprach auf nichts an.

      Grau und trist war ihr Alltag. Grau und trist war ihre Erscheinung. Sie arbeitete lustlos, und sie bekam nur noch Aufträge zugewiesen, bei denen keine Ideen erforderlich waren.

      Ihre Phantasie rostete ein. Sie malte nur noch Buchstaben, klebte Fotografien in vorgegebene Rahmen, wurde unter ihrem wahren Wert beschäftigte wie eine Anfängerin.

      Doch selbst diese minimale Leistung vermochte sie nicht immer zu bringen. Bernd Riepel versuchte alles, um sie aus der Lethargie zu reißen.

      Sie war ihm für die Mühe, die er sich mit ihr gab, wirklich dankbar, aber sie konnte es ihm nicht zeigen. Drei-, viermal ging sie mit ihm aus, weil er hartnäckig darauf bestand, aber die Abende mussten für ihn enttäuschend sein.

      Er ließ es sich nicht anmerken, sprühte Optimismus, scherzte, lachte aber nur selbst darüber. Er zerfranste sich für Antje, doch sie sah sich außerstande, ihm in irgendeiner Form dafür zu danken.

      Der Brief, den sie an ihre Eltern schreiben wollte, war immer noch nicht abgeschickt. Die wievielte Fassung war es eigentlich schon? Sie wusste es nicht.

      Zweimal hatte sie ihn schon zusammengefaltet und in den Umschlag geschoben, doch dann waren ihr wegen dieser oder jener Passage Bedenken gekommen, und sie hatte das Schreiben liegengelassen.

      Sie begab sich regelmäßig in die Wald-Klinik zur Kontrolle. Die Ultraschalluntersuchung hatte ergeben, dass das Kind ein Junge war, und Antje hoffte, dass ihr Sohn nicht so wie sein Vater werden würde.

      Oberarzt Dr. Herbert Hansen, der Leiter der gynäkologischen Abteilung, war mit dem Schwangerschaftsverlauf zufrieden. Er rechnete mit einer komplikationslosen Geburt.

      Inzwischen war auch für Antje das Kapitel Gideon Arendt abgeschlossen. Sie liebte ihn nicht mehr. Die Gefühle für ihn waren verkümmert und abgestorben.

      Sie hätte ihn nicht mehr genommen, wenn er zu ihr zurückgekehrt wäre. Ab und zu hörte sie von ihm. Er lebte jetzt mit Kitty Kolberts Geld auf großem Fuß.

      Kitty stellte in Tokio, New York, London, Rom und Paris aus, und Gideon war stets an ihrer Seite.

      Paris ... Dachte Gideon noch an das lange Wochenende im September, das Antjes Leben so sehr verändert hatte? Es musste ihm einfallen, die Nacht, in der sie so glücklich gewesen waren, in der sie das Kind gezeugt hatten,

      Heute war es für ihn nur noch eine Nacht ohne Bedeutung ...

      Männer - , dachte Antje Büchner verbittert. Ich lasse nie mehr einen Mann an mich heran, halte sie von nun an stets auf Distanz. Bedankt euch bei Gideon Arendt dafür. Mir genügt diese eine Enttäuschung. Kein Mann wird mehr die Möglichkeit haben, mich zu verletzen. Ich lecke immer noch an meinen Wunden, sie tun immer noch weh. So etwas möchte ich nicht noch einmal durchmachen. Ich glaube, ich hätte nicht die

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