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du dich an Antje Büchner?«, fragte sie.

      »Ich nahm vor etwa einem Jahr eine Appendektomie an ihr vor«, gab er zur Antwort.

      »Stimmt genau.«

      »Was ist mit ihr?«, wollte Robert wissen.

      »Ich traf sie heute zufällig auf der Straße. Die Begrüßung ging über das übliche >Guten Tag, wie geht's?< hinaus. Nicht alle Patienten bleiben einem im Gedächtnis haften, das wäre gar nicht möglich, aber bei Antje Büchner war mir, als würde ich einer alten Freundin begegnen. Wir freuten und beide über dieses unverhoffte Zusammentreffen und setzten uns in ein kleines Lokal, um miteinander zu plaudern. Dort sagte ich ihr auf den Kopf zu, dass sie großen Kummer haben müsse, denn so sah sie aus, und sie begann zu weinen und schüttete mir ihr Herz aus. Sie ist sehr unglücklich, erwartet ein Kind - an und für sich ein erfreulicher Umstand, jedoch nicht für Fräulein Büchner, denn bevor sie dem Vater des Kindes sagen konnte, dass sie schwanger ist, ließ er sie wegen einer Anderen sitzen. Wegen dieser Malerin, die neuerdings von sich so viel reden macht: Kitty Kolbert.«

      Robert erinnerte sich an eine Ausstellung im Sommer, bei der auch Kitty Kolbert mit einigen Werken vertreten gewesen war.

      »Sie ist eine hervorragende Künstlerin«, sagte er, und ihm fiel ein, dass er Kitty Kolbert auch kurz gesehen hatte. »Und sehr hübsch.«

      »Mit einem Wort, du kannst verstehen, dass Gideon Arendt - so heißt der Kindesvater - Antje Büchner wegen der Künstlerin sitzenließ«, sagte Katja und löste sich von ihrem Mann.

      »Das habe ich nicht gesagt. Aber wenn die Kolbert sich auf einen Mann kapriziert, kriegt sie ihn in neunundneunzig Komma neun Prozent auch«, meinte Robert Anders.

      Die Internistin hob die linke Augenbraue und musterte ihren Mann streng. »Jetzt mal ehrlich, Robert. Welche Chancen hätte die Kolbert bei dir?«

      »Keine, denn du bist unschlagbar«, antwortete er und lächelte.

      Katja seufzte erleichtert auf. »Warum kann man euch Männern nie ganz trauen? Wieso bleibt immer ein winziger Rest von Unsicherheit?«

      »Wäre es nicht langweilig, wenn du dir meiner absolut sicher sein könntest?«, fragte der Chefarzt amüsiert.

      »Du widersprichst dir. Eben sagtest du, die Kolbert hätte bei dir keine Chance.«

      Robert Anders lächelte. »Ich schüre deine Unsicherheit nur, damit du dich mehr um mich bemühst.«

      »Psychologische Kriegsführung, wie?«, fragte die Ärztin schmunzelnd.

      »Das ganze Leben ist ein Kampf. Man muss stets bestrebt sein, das Beste daraus zu machen«, gab ihr Mann zur Antwort. »Komm, leg deinen Kopf wieder auf meine Schulter.«

      »Nein«, sagte sie energisch.

      »Warum nicht?«, fragte er erstaunt.

      »Ich muss immerzu an dieses unglückliche Ding denken. Wenn Gideon Arendt wüsste, dass Antje Büchner von ihm schwanger ist, würde er vielleicht zu ihr zurückkehren«, gab Katja zur Antwort.

      »Warum sagt sie es ihm nicht?«, fragte Robert.

      »Ihr Stolz lässt es nicht zu. Sie möchte nicht, dass er nur wegen des Kindes zu ihr zurückkehrt.«

      »Aber wiederhaben möchte sie ihn schon«, sagte der Chefarzt nachdenklich.

      »Vielleicht könnte man Kitty Kolbert veranlassen, sich von Gideon Arendt zu trennen«, überlegte Katja.

      »Du hast doch nicht etwa vor, Schicksal zu spielen. Das ist eine sehr undankbare Aufgabe, Liebling. Wir sind Ärzte, keine Friedensstifter oder Heiratsvermittler«, meinte ihr Mann.

      »Wir haben es uns zum Lebensinhalt gemacht, zu helfen«, erwiderte die Ärztin.

      »Mit medizinischen Mitteln«, sagte Robert. »Was dir vorschwebt, fällt nicht in unseren Zuständigkeitsbereich.«

      »Wieso nicht? Ich möchte meine Hilfsbereitschaft nicht eingegrenzt wissen. Ich kümmere mich um keine Zuständigkeitsbereiche. Wenn ich sehe, daß ich einem Menschen helfen kann, tue ich es, ohne mir lange zu überlegen, ob ich dafür zuständig bin oder nicht.«

      »Wenn du versuchst, Gideon Arendt mit Antje Büchner wieder zusammenzubringen, musst du dafür sorgen, dass sich Kitty Kolbert von Arendt trennt«, entgegnete Robert Anders.

      »Die Kolbert kann doch an jedem Finger zehn Männer haben«, sagte Katja. »Muss es ausgerechnet der sein, von dem Antje Büchner ein Kind bekommt?«

      »Vergiss die Liebe nicht, mein Kind. Wenn die Künstlerin sich in Gideon Arendt verliebt hat, kämpfst du auf verlorenem Posten, denn die Liebe lässt der Vernunft keinen Platz, sich zu entfalten. Liebe, das kann Unvernunft zur höchsten Potenz sein«, erwiderte Robert.

      »Sag mal, auf wessen Seite stehst du eigentlich?«, fragte die Internistin.

      »Auf deiner, und ich möchte nicht, dass du in Schwierigkeiten gerätst«, gab der Mann zur Antwort.

      »Als Frau und Mutter plädiere ich dafür, dass Antje Büchners Kind nicht ohne Vater aufwachsen muss«, sagte Katja.

      »Dieser Idealfall lässt sich nicht erzwingen, aber wenn du von deiner Idee, Schicksal zu spielen, nicht abzubringen bist, mache ich dir folgenden Vorschlag: »Ich werde in den nächsten Tagen ein Gespräch mit Kitty Kolbert führen. Einverstanden?«

      »Ich weiß nicht so recht. Vielleicht ist sie eine Männer verschlingende Schlange.«

      »Keine Sorge«, sagte Robert. »Mich kriegt sie nicht runter.«

      17

      Jutta Sibelius wusch sich die Haare, als es an der Tür läutete. »Ausgerechnet jetzt«, sagte sie ärgerlich und schlang einen Handtuchturban um ihren Kopf.

      »Guten Abend«, sagte Erich Gloger freundlich, als sie öffnete. »Komme ich ungelegen?«

      Jutta hätte beinahe >ja< gesagt, aber das hätte nicht ganz der Wahrheit entsprochen. Jeder andere Mann wäre ungelegen gekommen, nur er nicht.

      Die junge Frau freute sich, ihn zu sehen.

      »Warum haben Sie nicht angerufen?«, fragte sie verlegen. »Wie ich aussehe ...«

      »Das macht doch nichts. Mich stört das nicht«, unterbrach er sie.

      »Aber mich. Eine Frau möchte immer hübsch zurechtgemacht sein«, erwiderte die Bankangestellte.

      Er grinste. »Ich habe Sie überrumpelt, und nun sehe ich, wie Sie wirklich aussehen. Warum schminken Sie sich eigentlich? Sie hätten das doch gar nicht nötig. Was perfekt ist, kann man nicht noch perfekter machen. Es gibt nur hundert Prozent, und die sind erreicht.«

      »Sind Sie mir böse, wenn ich Ihnen sage, dass Sie von diesen Dingen nichts verstehen?«, fragte Jutta schmunzelnd.

      »Oh, ich glaube, Sie können mir sagen, was Sie wollen. Ich werde Ihnen niemals böse sein. Soll ich gehen und in einer Stunde wiederkommen?«, wollte der junge Mann wissen.

      »Wenn Sie schon mal hier sind, dürfen Sie auch eintreten«, erwiderte Jutta. »Aber ich muss Sie um etwas Geduld bitten.«

      Gloger

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