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war schwärzer als die tiefste Nacht.

      Bewusstlosigkeit legte sich wie ein Leichentuch über meine Seele.

      Ich sah nichts, ich hörte nichts.

      Im ersten Moment war da noch die Empfindung von grauenvoller Kälte, aber auch das dauerte nicht länger als einen Augenblick.

      Das war das Ende.

      *

      TOM BLICKTE ENTSETZT auf die grauenerregende Verwandlung, die mit Lady Mary Delancie vor sich gegangen war. In ihren Augen leuchtete es dämonisch. Gleißend hell kam ein blendendes Licht aus ihren Augenhöhlen heraus, die aussahen, als wäre geschmolzenes Platin in ihnen. Tom hob die Hand, um die Augen zu schützen.

      Auch Lady Marys Kopf hatte sich verändert.

      Seltsame, halbkugelförmige Auswüchse waren aus der Stirn herausgewuchert, so als hätte ihr Gehirn nicht mehr genug Raum gehabt. Ihr Schädel schien sich auf eigenartige Weise vergrößert zu haben. Der Mund war weit aufgerissen. Auch er wurde größer, die Zähne länger. Lady Mary bekam jetzt beinahe tierhafte Züge.

      Ein Monstrum!, durchschoss es Tom. Er konnte den Blick für Augenblicke nicht von diesem so grausam verwandelten Antlitz wenden. Dem Antlitz eines Menschen, den er immerhin einst geliebt hatte - auch wenn seitdem mehr als nur ein einziges Leben vergangen war.

      Jetzt war Lady Marys Gesicht nur noch eine grimassenhafte, monströse Karikatur jenes Antlitzes von vollendeter Schönheit, das sie einst gekennzeichnet hatte. Es war entsetzlich.

      Ein knurrender Laut kam aus ihrer Brust.

      Dumpf und drohend, wie von einem Raubtier.

      Und eine leuchtende Aura begann nun ihre Gestalt zu umgeben. So als wäre ihre pergamentartige Haut mit einer fluoreszierenden Substanz bestrichen worden, deren Strahlung so stark war, dass sie auch noch im Hellen leuchtete. Mary hob ihre Hände wie die Krallen eines Greifvogels. Ihre Nasenflügel bebten.

      Sie zischte wie eine Schlange.

      Nichts Menschliches schien ihr in diesem Augenblick noch anzuhaften.

      Dann schossen grelle Strahlen aus ihren Augen heraus. Tom zuckte zusammen.

      Die Strahlen trafen Patricia, die sich krümmte.

      "Nein!", schrie Tom.

      Er wollte sie an sich ziehen.

      Noch fasste seine Hand die ihre, doch...

      Er griff ins Leere. Der Schrecken jagte ihm in die Glieder, als sich Patricias Hand unter seinen Fingern aufzulösen schien.

      Er sah sie taumeln und fallen. Tom wollte sie auffangen, aber noch während sie fiel, verwandelte sie sich in grauweißen Staub.

      Ein Handvoll davon rieselte ihm zwischen den Fingern hindurch auf den Boden. Das Grauen packte Tom. Er konnte kaum fassen, was er gesehen hatte.

      "Patti", flüsterte er, beinahe stumm vor Schrecken. Die Frau, die er über alles geliebt hatte, gab es nicht mehr. Vor seinen Augen war sie zerfallen, wie es ein menschlicher Körper sonst nur innerhalb vieler Jahrzehnte tun konnte. Einfach ausgelöscht!

      Wut und Trauer packten ihn.

      Er blickte auf.

      Einen Moment lang erwog er, sich auf das Monstrum zu stürzen, das vor ihm stand.

      Mary!

      Aber als sie ihn mit ihrem sengenden Blick ansah, taumelte er zurück. Er schützte sich mit den Armen. Er hatte keinerlei Mittel gegen die Kräfte, die Lady Mary zur Verfügung standen.

      Nie war es ihm bewusster gewesen, als in diesem Augenblick. Tom ballte die Hände zu Fäusten.

      Hass fühlte er in sich aufsteigen. Lady Mary hatte ihm den Menschen genommen, der ihm am meisten bedeutete. Bilder stiegen vor seinem inneren Auge auf. Jener Augenblick, als sie sich das erste Mal in der Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS begegnet waren und er sie beinahe umgelaufen hatte. Der Blick ihrer Augen... Erinnerungen an Augenblicke voller Zärtlichkeit, an den Geschmack ihrer Lippen und den Schlag ihres Herzens, den er nahe bei sich gespürt hatte. Im ersten Moment war ihm alles gleichgültig. Er wollte sich auf das Monstrum stürzen, zu dem Mary geworden war. Aber dann hielt er doch inne.

      Es hatte keinen Sinn. Er konnte sie nicht angreifen. In ihrer eigenen Welt schien sie mehr oder minder unverletzlich zu sein. Ihre dämonisch leuchtenden Augen schienen ihn kalt und unbeteiligt zu mustern.

      Das drohende Knurren drang wieder über ihre Lippen. Aber der übergroße Mund mit den auf groteske Weise verlängerten Zähnen schloss sich nun.

      Tom Hamilton stand wie erstarrt da.

      Und Lady Marys grotesk verzerrte Gestalt verwandelte sich zurück. Die Auswüchse an ihrer Stirn schrumpften und der tierhafte Mund verkleinerte sich wieder. Sekunden nur und und das elfenbeinfarbene Gesicht war wieder in seiner alten Schönheit hergestellt.

      Einer kalten Schönheit.

      Das grelle Leuchten verschwand aus ihren Augen. Die Lichtaura, die sie bis jetzt umgeben hatte ebenfalls.

      "Du hast sie getötet!", stellte Tom bitter fest, während sein Blick zu Boden glitt.

      Das grauweiße Pulver, das noch von Patti geblieben war, löste sich nun ebenfalls auf. Es schien einfach zu verschwinden. Jener seltsame, kalte Wind, der aus dem Nichts zu kommen schien, verwehte den letzten Rest. Es war so, als hätte es sie nie gegeben. Nichts würde von ihr bleiben. Nicht ein Staubkorn.

      "Du bist jetzt frei!", sagte Mary auf eine Weise, die ausdrückte, dass sie das völlig ernst meinte. "Du bist frei, Tom! Sie hat dich keinen klaren Gedanken fassen lassen und deine Seele verwirrt. Aber nun wirst du erkennen, wohin du wirklich gehörst..." Sie lächelte, umrundete den Tisch und trat auf Tom Hamilton zu.

      *

      "DU BIST WAHNSINNIG, Mary!", stieß Tom hervor.

      "Wahnsinnig vor Liebe!", erwiderte sie. "Gestern Nacht waren ihre Kräfte noch zu stark. Ich konnte ihr nichts anhaben unter anderem natürlich auch deshalb, weil du so töricht warst, dich zwischen sie und jene Mächte zu stellen, die Patricia Vanhelsing aus dieser Welt verbannen sollten..."

      "Du sprichst von dem Monstrum aus dem Teich."

      "Eine andere Gestalt meiner selbst", erwiderte sie. "Bewegt einzig und allein durch die Kraft meines Geistes. So wie alles hier..."

      Leben kam jetzt in die als starre Mumien dasitzenden Gäste - wenn das vielleicht auch nicht ganz das richtige Wort war. Sie bewegten sich, wandten die Köpfe, hoben die Arme und standen schließlich auf. Rau kratzen die Füße der Stuhlbeine über den steinernen Boden. Die grauweiße Schicht aus Spinnweben, die aussah, als hätte sie sich in vielen Jahren Stück um Stück gebildet, verschwand innerhalb von Augenblicken.

      Sie scheint wirklich selbst die Zeit beherrschen zu können, ging es Tom Hamilton schaudernd durch den Kopf. Anders war das, was vor seinen Augen geschah, nicht zu erklären. All diese Menschen starrten Tom an. Sie verteilten sich im Raum. Tom wich noch etwas zurück, doch ehe er sich versah umgaben sie ihn in einem Halbkreis.

      Lady Mary lächelte.

      Im selben Moment sah er das gleiche kalte Lächeln auf allen anderen Gesichtern.

      Es war gespenstisch.

      "Ich kann dir hier jeden Wunsch erfüllen, Tom! Jeden!", sagte Mary dann.

      Und Dostan Radvanyi, jener begnadete Pianist, dem sie am vorhergehenden Abend im Salon gelauscht hatten, fügte hinzu: "Die Macht meines Geistes ist hier unbegrenzt, Tom..." Radvanyi lachte schallend, als er die Verwunderung in Toms Gesicht sah. "Ja, auch ich bin nur eine Maske,

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