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Sie, was Sie wollen!"

      "Auch für Sie, Willard! Sehnen Sie sich etwa nicht nach Frieden? Wollen Sie ewig als ruheloser Geist über diese trostlose Ebene wandeln?"

      Er sah mich nachdenklich an.

      Dann machte er eine abrupte Bewegung. Er stieg in den Sattel seines Pferdes und reichte mir die Hand. "Kommen Sie!", forderte er mich auf. "Setzen Sie sich hinten zu mir auf das Pferd!"

      *

      "GLAUBST DU NICHT, ES könnte wieder die alte Leidenschaft erwachen, Tom?", fragte Mary mit ungewohnt sanfter Stimme. Sie sah Tom Hamilton mit einem Blick an, der ihre Gefühle nur zu deutlich offenbarte. Verlangen und Schmerz, Sehnsucht und Enttäuschung.

      "Nachdem du den Menschen getötet hast, der mir am meisten bedeutete?"

      "Ich habe Miss Vanhelsing nicht getötet", erklärte sie unwillig.

      "Ach, nein?"

      "Sie ist nur nicht mehr hier... Diesen Ort wird sie nicht mehr betreten." Mary trat etwas näher. "Dafür werde ich sorgen. Und du wirst sie vergessen..."

      Sie befanden sich in einem der hohen, kostbar ausgestatteten Räume von Delancie Castle. Die großformatigen Gemälde an den Wänden verbreiteten eine düstere Stimmung. Von draußen kam auf Grund des dunstigen Wetters kaum Licht herein.

      Eine Welt der Dämmerung, dachte Tom Hamilton. Der Butler trat herbei.

      Sein Gesicht war so regungslos und starr wie immer. In der Rechten hielt er ein Tablett mit zwei Gläsern.

      "Du möchtest sicher etwas zu trinken", sagte Mary. Sie nahm sich eines der langstieligen Gläser. "Der beste Portwein seit langem! Er kam frisch aus Gibraltar..." Tom schüttelte den Kopf.

      "Das alles existiert nicht mehr, Mary!"

      "Doch, Tom! Hier existiert es! Hier bist du Lord Millroy!

      Und an diesem Ort können sich all deine Wünsche erfüllen." Bis auf einen! fügte Tom in Gedanken hinzu.

      Patti...

      Sie schien seine Gedanken zu erahnen, denn ihre Stirn umwölkte sich.

      Das Geräusch eines galoppierenden Pferdes lenkte Mary dann ab. Sie wandte sich herum, verschüttete dabei beinahe den Inhalt ihres Glases und ging zum Fenster.

      "Er verfolgt dich noch immer wie ein böser Fluch, nicht wahr! Ich spreche von deinem Bruder...", sagte Tom.

      "Sei still!", fauchte Mary.

      Die Anspannung war ihrem Gesicht deutlich anzusehen.

      "Ich werde ihm entgegengehen", erklärte Tom. Mary wirbelte herum. "Du weißt, dass du diesen Ort nicht verlassen kannst!"

      Tom war mit wenigen Schritten in Richtung Tür gegangen. Dort konnte er nicht weiter. Einige der totenbleichen Gäste standen dort und versperrten ihm den Weg - allen voran Dostan Radvanyi, der ungarische Pianist. Mit starren Gesichtern gingen sie auf ihn zu.

      Ihre Körperhaltung machte klar, dass sie ihn nicht durchlassen würden.

      Tom stieß Dostan Radvanyi grob zur Seite und wollte den Flur entlang bis zur Eingangshalle rennen.

      Ein Kinnhaken streckte einen weiteren dieser blassen Gäste nieder, die nichts weiter als Marionetten in Mary Delancies Händen waren.

      Aber dann waren es doch zu viele Hände, die nach Tom griffen. Die blassen, leichenhaften Gestalten stürzten sich auf ihn, wie durch ein geheimes Zeichen koordiniert. Sie hielten ihn an den Armen. Der Griff dieser blassgesichtigen, geisterhaften Gestalten war wie ein Schraubstock. Tom versuchte, sich mit aller Kraft loszureißen, aber es gelang ihm nicht.

      Mary blickte nervös aus dem Fenster.

      "Nein", flüsterte sie entsetzt...

      *

      DAS GRAUE GEMÄUER VON Delancie Castle lag vor uns. Die Nebelschwaden waren bis auf die Stufen des Portals hinaufgekrochen. Wie ein dunkles Loch lag der Teich vor uns. Der Pferd ging auf die Hinterhand und wieherte. Willard zügelte es.

      Ich stieg vom Rücken des Tieres hinunter. Willard ebenfalls. Aber das Pferd blieb weiterhin unruhig. Willard sah mich an und sagte dann: "Vielleicht haben Sie tatsächlich recht, Patricia... Vielleicht ist dies der Augenblick, um die Karten in dieser trostlosen Welt neu zu mischen."

      Ich spürte es hinter den Schläfen pochen. Meine Hand hob sich unwillkürlich und presste dagegen.

      Das mussten Marys mentale Kräfte sein...

      Willard nickte nur.

      Er wusste Bescheid.

      Ich versuchte mich so gut es ging abzuschirmen. Ich blickte mit wachsender Besorgnis auf den Teich. Noch bevor sich die dunkle Wasseroberfläche hob, ahnte ich, was geschehen würde. Es ging zu schnell, um zuvor auch nur einen einzigen Laut ausstoßen zu können. Das Monstrum erhob sich als dunkler Umriss aus der Tiefe des schwarzen Teichwassers. Zwei grell leuchtende Augen waren das einzig helle an ihm. Doch noch ehe der Oberkörper dieser grauenerregenden Gestalt zu sehen war, hob Willard die Arme. Grellrote Strahlen schossen aus seinen Fingerspitzen heraus. Sie trafen das Monstrum, das laut aufschrie. Ein heiserer, tierischer Schrei des Entsetzens. Das Wasser des Teiches, das zu jener zähflüssigen, undefinierbaren Substanz geworden war, aus der auch das Monstrum bestand, begann zu kochen. Dampf stieg auf, mischte sich mit dem grauen Nebel.

      Sekunden nur währte diese übersinnliche Auseinandersetzung. Das Monstrum sank zurück in die Tiefe.

      Blasen stiegen von dort herauf und zerplatzen an der nun aufgewühlten Oberfläche.

      Nichts war von dem Ungeheuer geblieben.

      Willard wandte sich an mich.

      Sein Blick hatte in diesem Augenblick etwas Stechendes, Unangenehmes. Mir schauderte vor der ungeheuren übersinnlichen Energie, über die auch er zu verfügen schien. Er schien meine Gedanken zu erraten.

      Vielleicht las er sie sogar. Ich mochte nicht näher darüber nachdenken.

      "Auch Sie haben diese Kraft, Patricia. Jeder menschliche Geist besitzt sie - zumindest hier, in dieser Welt der ewigen Dämmerung. Dieselbe Kraft. Aber Sie können Sie nicht gezielt einsetzen...."

      Ich wollte etwas erwidern.

      Aber ein Kloß saß mir im Hals und schnürte mir die Kehle zu.

      Willard fasste mit der Hand an meine Stirn.

      Gleichzeitig spürte ich deutlich, wie sein Geist mein Inneres berührte.

      "Geben Sie mir Ihre Kraft, Patricia! Sonst wird alles so bleiben. Ich werde Mary sonst nichts entgegenzusetzen haben. Die Auseinandersetzung, deren Zeuge Sie gerade geworden sind, hat mich viel Kraft gekostet..." Seine Stimme hatte einen beschwörenden, geradezu hypnotischen Klang.

      Ich konnte nichts sagen.

      Und ich brauchte es auch nicht.

      Willard ließ mir ohnehin keine Wahl. Er erwartete keine Antwort. Ich fühlte, wie die Kraft meinen Körper verließ. Eisige Kälte begann mich zu erfüllen. Mir war schwindelig. Ich hatte das Gefühl, zu taumeln. Einen Augenblick lang sah ich wieder den reißenden Strudel der Bilder und Farben, in den ich gestürzt war, als Mary mich entmaterialisiert hatte. Aber diesmal riss dieser Strom mich nicht mit sich. Diesmal entging ich dem Schlund im letzten Moment, als Willard die Hand von meiner Stirn nahm. Er stützte mich. In seinen Augen leuchtete es grell. Eine fluoreszierende Aura umgab seinen Körper, so als würde die Energie, die jetzt in ihm war, von ihm auf geheimnisvolle Weise abstrahlen. Ich fühlte mich unendlich schwach.

      "Kommen Sie!", sagte er und nahm mich bei der Hand. Wir gingen auf das

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