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über was redsde ned, denkst wohl ich wär ein blöder alder Simbel oder senil, los jetzt, spuck’s aus, denn des da obbe«, wobei er seine freie Hand zur Stirn führte, »arbeitet noch klar un logisch.«

      ›Was soll ich ihm alles erzählen? Die Dokumentation hat er nicht geschluckt. Mal sehen wie weit ich gehen muss, bis er zufrieden ist.‹ Schnell sah sie sich um, ›Hörte jemand mit zu?‹ Herr Schröder war ihrem Blick gefolgt, er nickte und deutete mit dem Kopf auf den Ausgang zum Park. Wortlos standen sie auf, er griff seinen Rollator, zog sich an ihm hoch und schlurfte voraus.

      Eva begann, »Ich habe den Hinweis erhalten, das mehr als nur Materiallieferungen ausgeflogen wurden.«

      Der Senior nickte, »Weider.«

      »Am 15. August 1944 sind einige der Lieferkisten beschädigt worden und ein Teil des Inhalts ging verloren.«

      »Als weider.«

      »Die Überreste von Paul Wenzel dem Piloten wurden vor Ort in bestattungsähnlichem Zustand gefunden, er galt als vermisst.«

      »Un weider.«

      ›Himmeldonnerwetter, was will er denn noch alles wissen? Soll ich sagen das war´s, mehr hab ich nicht?‹ »Moderne Schatzsucher, Sondengänger waren unterwegs, habe allerdings nichts Brauchbares gefunden.«

      »Ja un, weider, weider.«

      »Ein Erschlagener wurde ebenfalls gefunden, diese Tat muss zu Kriegszeiten passiert sein, später noch ein Unfalltoter, der anscheinend in eine Baugrube gestürzt ist. Das war´s, mehr hab ich nicht.« Argwöhnisch fixierte er sie, zog die rechte Augenbraue hoch, was sein Gesicht zu einer Grimasse werden ließ.

      »Gut. Dann weis ich ja jetzt, wo mei Geschicht beginnt«, nickte er zufrieden und nahm langsam auf der Parkbank unter den Kastanienbäumen Platz. »Mein Vadder Hans war en Pilot von em Schlepperflugzeuch, was die Lastensegler hochgezoche hat. Die Segler wurde in Leichtbauweise hergestellt, un ham beachtliche Strecke zurückgelescht. Wenn die dann widder unne warn, hat mer die auseinanner genomme, die Brocken zum Hangar zurück gebracht, un en neue Flieger draus gebaut. Es gab so gut wie kei Besatzung, der Pilot konnt den Segler auch alleins fliege.«

      Er grinste in sich, etwas in seinen Erinnerungen schien ihn sehr zu belustigen. Mit einem Lächeln auf dem faltigen Gesicht sah er sie an und sprach weiter.

      »Uff dem Flugplatz Eschborn is dann an nem schöne Tach ein Pilot uffgetaucht, der immer wieder Stunde lang geübt hat, un sein Segler wurd jedes Mal mit mehr Gewicht belade. Is eigentlich Käs, des verkürzt die Reichweit un wird ne verdammt harde Landung, wenn er dann zu steil und schnell runnerkommt. Die gesamt Mannschaft hat sich insgeheim dotgelacht, wenn der kam. Dann war der plötzlich immer öfder da, zwei mal in de Woch, um die Übungsflüch zu mache. Des komische an der Sach war abber, der is zwar in Eschborn gestardet, aber is nie hier wieder gelandet. Wo der des Flugzeuch zweima in de Woch zerlecht hat, wusst niemand.«

      Eva war erleichtert, dass der alte Herr von früher erzählte, konnte sich allerdings keinen Reim auf sein vorheriges Verhalten machen.

      ›Soll ich ihn darauf ansprechen?‹ überlegte sie, doch er kam ihr zuvor,

      »Ich weiß ned, wer noch alles in Dei Geschicht verwickelt is, sieh Dich vor, Du bist ned die einzige, die fracht, aber wirglich die schönst und intelligentesde. Des nächsde Ma redsde ned Drumherum, sonnern fragst gleich richdisch un schickst mir ned so dumme Bengel, der versucht mich auszuquetsche und Dich reinzulesche. Ich kann des hinnenrum überhaupt ned leide.«

      Unendlich mühsam erhob er sich und zuckelte mit gebeugtem Rücken auf das Gebäude zu. Eva blieb perplex zurück, es dauerte einige Sekunden, bis sie seine Aussage verdaut hatte. Es gab noch mehr Interessenten, einer davon hatte sich an ihre Fersen geheftet und gab sich hinterlistig als ihr Helfer aus. Nutzte ihre Ergebnisse, um selbst weiter zu kommen. Rasch lief sie hinterher, öffnete die Tür und ließ ihn eintreten.

      »Maniern un Achtung vor‘m Alder hasde. Komm nächst Woch wieder, bis dahin überlesch ich, wie weit mer Dir glaube un vertraue kann.«

      Für ihn war das Gespräch beendet. Sie musste seine Entscheidung akzeptieren, jeder Versuch ihn zum Reden zu bringen, verkleinerte die Chancen beim nächsten Mal mehr zu erfahren. Betreten verabschiedete sie sich und lief in Gedanken versunken dem Ausgang entgegen. Auf halber Strecke rempelte sie mit dem Arm einen anderen Besucher an. Erschreckt blickte sie auf, »Entschuldigung«, entgegnete sie automatisch und sah dem Mann mittleren Alters hinterher. Sie wollte sich bereits abwenden, bemerkte gerade noch aus den Augenwinkeln, wie er sich zu Peter Schröder hinunterbeugte. Sie sprachen miteinander und Eva sah, wie der Mann wild mit den Händen gestikulierte. Sein Kopf flog herum, er starrte sie mit zu Schlitzen verengten Augen an. Hart schlug seine Hand auf die Tischplatte, ruckartig richtete er sich auf und kam mit langen, schnellen Schritten auf sie zu. Es war verblüffend, wie ähnlich die Männer sich sahen, niemand konnte bestreiten, das es sich hier um Vater und Sohn handelte. Viel zu spät wandte sie ihren Blick ab, um noch die Ahnungslose zu spielen, sie hatte den heftigen Wortwechsel gesehen.

      ›Was hatte der Vater ihm erzählt?‹ Sie sah ihn in diesem Augenblick den Kopf schütteln, bevor sich der mittelgroße, muskulöse Mann vor ihr aufbaute. Sein kantiges Gesicht, die stahlgrauen Augen, welche sich in ihre bohrten, das kurze strubbelige blonde Haar, stoppte kurz vor ihr.

      »Wer sin Sie, das Sie es wage, mein Vater zu belästige?«, aus jedem einzelnen Wort tropfte, -pass bloß auf-. Er kam ihr, bis auf wenige Zentimeter gefährlich nahe, sie spürte seinen heißen Atem am Ohr.

      »Gehn Sie, solang es Ihne noch möglich is. Schnell is es zu spät dafür.«

      Evas Haare sträubten sich, das war eine deutliche Warnung. Eisig rieselten die Worte durch ihren Körper. Wie gefährlich war er? Seine heftige Reaktion bestätigte, hier gab es definitiv etwas, das nicht ans Licht gebracht werden sollte und der Senior wusste Details darüber. Sie hatte seinen Blick als Bitte wiederzukommen verstanden. Eine stumme Aufforderung, den Drohungen des Sohnes keine allzu große Bedeutung zu schenken. Als könne dieser Gedanken lesen vernahm sie,

      »Lasse Sie das, komme Sie ned wieder.« Scharf beobachtete er haargenau ihre Mimik. Erneut suchte sie die Augen des alten Herrn, dieser starrte sie an und schloss für kurze Zeit ausdrücklich seine Lider. Andreas folgte Evas Blick, »Des würd ich an Ihrer Stell ned mache, für alles was ab jetzt passiert trage Sie selbst die Konsequenze un alle weitere Folge daraus.«

      Eva nickte zur Bestätigung, wandte sich um und ging. ›Das musste Andreas gewesen sein, den Anette erwähnt hatte. Sie sahen sich relativ ähnlich, es gab wenig Zweifel, das sie Geschwister waren.‹

      Sie ahnte, dass Peter Schröder sehr viel mehr wusste, als er bisher gesagt hatte, das überaus heftige und aggressive Verhalten seines Sohnes ließ darauf schließen.

       Geburtstagsgeschenk

      Andreas Schröder hatte Eva im Auge behalten. Sie war schwer einzuschätzen und kein Dummchen, ihre freundliche und heitere Art täuschte jeden schnell. Gut zuhören konnte sie, das hatte er sofort bei ihrer Begegnung im Seniorentreff gemerkt, auch wie glücklich sein Vater gewesen war, ein geduldiges Opfer gefunden zu haben. Hatte Eva wirklich nur ein offenes Ohr oder war sie ebenso hinterhältig wie er selbst? Nutzte sie auch jede Chance, um die eigenen Interessen zu verwirklichen, dem persönlichen Ziel näher zu kommen? Im vergangenen Sommer hatte Vater eine ganz besondere Überraschung zu seinem 50. Geburtstag parat. Anette, die Zwillingsschwester, war mit dem Geburtstagsessen in der oberen Wohnung beschäftigt. Ihr Sohn Felix würde etwas später auch noch zur Feier kommen und so nutzte sein Vater die Gelegenheit ihm dieses außergewöhnliche Geschenk zu überreichen. Er erzählte von den damaligen Zeiten, Andreas stöhnte innerlich auf, er kannte sie in- und auswendig. Als Heranwachsender war er ein begeisterter Zuhörer, er hatte ein altes Fotoalbum gefunden und fragte begierig nach Großvater Hans, dem Piloten. In seinen kindlichen Vorstellungen war er ein Held, der unbestrittene König des Himmels, Sieger aller Gefechte. Später erzählte ihm die Mutter vom unerwarteten Tod des Großvaters und das er mit den Erinnerungen an der Krieg nicht mehr leben konnte. Andreas

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