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seufzte. »Weißt du, das hat mein Junge einfach nicht verdient. Er hat so viel durchgemacht in seinem Leben. Er hat seine Eltern verloren, er war immer so still und in sich gekehrt, hat alles mit sich selbst ausgemacht und sein Herz nicht leichtfertig verschenkt. Als Hanna in sein Leben kam, wusste ich gleich, was sie für eine ist, aber ich habe nichts dazu gesagt. Bis ich mitbekommen habe, wie sehr sie ihn manipuliert und beeinflusst. Weißt du, ab wann ich wusste, dass sie keine Wärme im Herzen hat? Als die beiden mich über Weihnachten eingeladen haben und sie versucht hat zu kochen. Die Betonung liegt auf versucht. Jemand, der keine Wärme im Herzen trägt, kann nicht kochen, und ihr Essen hat schlimmer geschmeckt als aus der Tiefkühltruhe. Das liegt daran, dass sie keine Liebe empfinden kann. Diese Frau ist einfach kalt wie ein Fisch, nur auf ihr Äußeres und ihre Karriere konzentriert.«

      Ina machte ein nachdenkliches Gesicht.

      »Denkst du denn wirklich, dass es eine gute Idee ist, sich da einzumischen? Immerhin ist er erwachsen.«

      Lotte legte ihr die Hand auf den Arm.

      »Vertrau mir einfach! Der Junge braucht unsere Hilfe und du bist genau die Richtige dafür.«

      In diesem Moment klingelte es an der Tür. Lotte machte ein vielsagendes Gesicht, stand auf und öffnete ihm.

      »Hast du etwas vergessen?«, fragte sie schmunzelnd. Matthias schob sich an ihr vorbei nach drinnen und ging in die Küche. Er setzte sich wieder an den Tisch und sah Ina an.

      »Also«, sagte er. »Was habt ihr beiden ausgeheckt?«

      Ina und Lotte wechselten einen raschen Blick. Matthias entging nicht, dass Ina dabei errötete und ein wenig verlegen wirkte.

      »Ich muss dann mal los«, sagte sie und stand auf. Sie stellte ihre Kaffeetasse in die Spüle und gab Oma Lotte einen Kuss auf die Wange.

      »Ich komme übermorgen wieder. Wenn etwas ist, ruf mich einfach an.« Ihr Blick wanderte zu Matthias. Als er sie ansah, spürte er, wie sein Herz für einen Moment lang schneller schlug. Was war nur an diesen grünen Augen, dass ihn so verzauberte? Er versuchte es mit einem Lächeln.

      »Mach’s gut«, sagte er ein wenig schüchtern.

      »Du auch«, antwortete Ina und wandte sich zur Tür.

      »Warum hast du mir von ihr nie etwas erzählt?«, fragte er seine Oma, sobald er mit ihr allein war. Lotte setzte eine Unschuldsmiene auf.

      »Das habe ich, aber du hörst mir eben nie zu. In der letzten Zeit bist du mit deinen Gedanken ohnehin woanders.«

      Matthias starrte auf die Tür. Bis heute Morgen war er sich sicher gewesen, dass es auf der ganzen Welt keine Frau gab, an die er auch nur einen Gedanken verschwenden würde. Hanna war seine Traumfrau und die Einzige, die bei ihm Herzklopfen oder andere körperliche Reaktionen verursachte. Aber seit er unerwartet nackt auf Ina getroffen war, war es mit dieser Gewissheit vorbei. Es war, als wäre alles aus den Fugen geraten und seine ganze Welt auf den Kopf gestellt worden, in nur einem einzigen Augenblick.

      Lotte musterte ihren Enkel und schien zu ahnen, was in ihm vorging. »Sie gefällt dir«, stellte sie fest.

      Matthias runzelte die Stirn.

      »Du hast das absichtlich inszeniert, nicht wahr? Dass sie in das Badezimmer kommt, während ich dusche, oder? Was sollte das?« Lotte zuckte mit den Schultern und gab sich ahnungslos.

      »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Ich war in der Küche und habe gar nicht gehört, dass du aufgestanden bist. Sie hat mir mit den Blumen im Vorgarten geholfen und musste sich die Hände waschen und konnte nicht wissen, dass du im Adamskostüm unter der Dusche stehst. Außerdem gibt es da nichts, für das du dich schämen müsstest.« Sie zwinkerte ihm zu. Matthias seufzte. Oma Lotte war einfach unverbesserlich. Eigentlich hätte er ahnen müssen, dass sie etwas im Schilde führte, so oft, wie sie ihm wegen Hanna in das Gewissen redete.

      »Was hast du vor, Oma?«, fragte er und fixierte sie. »Du weißt, dass ich Hanna liebe und mit ihr zusammenbleiben möchte. Mir ist es gleich, was du über sie denkst. Du kennst sie nicht so, wie ich sie kenne. Weißt du, sie hat ein großes Herz und sie und ich, wir sind perfekt füreinander.«

      Lotte legte die Stirn in Falten.

      »So perfekt, dass ihr es noch nicht einmal schafft, euren zweiten Jahrestag miteinander zu verbringen? Wie wollt ihr es dann die nächsten 20 Jahre miteinander aushalten? Weißt du, mein Junge, wenn man so alt ist wie du, dann hat man eine Menge komischer Vorstellungen über die Liebe und die Ehe im Kopf. Hinzu kommt, dass in eurer Generation kaum noch jemand länger als zehn oder fünfzehn Jahre verheiratet ist, gerade so lange, bis die Kinder aus dem Gröbsten heraus sind. Aber so eine Ehe, das ist harte Arbeit, das erfordert Aufmerksamkeit und Hingabe. Jeder muss ständig an sich arbeiten und für den anderen Kompromisse eingehen. Wenn man dazu bereit ist, dann ist es eine der tiefgreifendsten und schönsten Erfahrungen, die man als Mensch machen kann. Immerhin sind wir nicht dazu gemacht, allein durch das Leben zu gehen, dazu ist es viel zu schwer.«

      Ein Schatten flog über ihr Gesicht. Matthias wusste genau, woran sie gerade dachte. Ihr einziger Sohn war im Alter von nur 37 Jahren verstorben. Erich und sie hatten lange versucht, ein Kind zu bekommen und als sein Vater auf die Welt gekommen war, hatte eigentlich schon niemand mehr daran geglaubt, dass es überhaupt möglich war. Lotte hatte ihr einziges Kind über alles geliebt und ihn noch im Erwachsenenalter verwöhnt. Dann hatte ihn der Zugunfall unerwartet aus dem Leben gerissen.

      »Kinder sollten niemals vor ihren Eltern gehen«, pflegte Oma Lotte immer mit Tränen in den Augen zu sagen. »So ist es von der Natur nicht vorgesehen.« Die Sätze hatten sich ihm regelrecht eingebrannt.

      »Dein Opa Erich und ich, wir hatten auch nicht immer nur rosige Zeiten. Oh nein, so war das nicht. Dein Großvater konnte ein verdammter Sturkopf sein und er hatte auch seine schlechten Eigenschaften. Aber ich habe ihn so genommen, wie er war. Ich wollte ihn nicht besser machen, oder verändern. Für mich war er gut so, wie war, mit seinen guten und seinen schlechten Seiten, und umgekehrt war es genauso. Das hat uns die Kraft gegeben, in all den Jahren füreinander da zu sein, zueinander zu stehen. Wir kannten einander und wir wussten, was wir aneinander hatten. Wir wollten uns nicht besser oder schlechter machen, als wir waren. Es ist nicht so, als sei er mir nicht regelmäßig mit seinen Marotten auf die Nerven gegangen. Zum Beispiel hat er immer gedacht, ich merke es nicht, wenn er sich den Kaffee mit Schuss versehen hat, doch ich habe es immer gemerkt. Doch zu einer guten Ehe gehört es auch, nicht immer aus allem ein Thema zu machen. Man muss sich entscheiden, welche Angelegenheiten es wert sind, um sie zu streiten und welche nicht, und wenn man danach geht, dann gibt es nur sehr wenig, dass es wirklich wert ist, sich zu zoffen. Ich wusste einfach, was ich an ihm hatte.« Ihre Stimme brach ab. Matthias griff nach ihrer Hand und umschloss sie mit seiner.

      »Es tut mir leid, wenn ich in der letzten Zeit nicht so für dich da war. Ich war einfach sehr beschäftigt.«

      Lotte setzte ihre Brille ab und trocknete sich rasch ein paar Tränen aus den Augenwinkeln.

      »Schon gut, ich weiß ja, dass du dein eigenes Leben hast. Du musst dich nicht um deine alte Oma kümmern.«

      Matthias sah ihr fest in die Augen.

      »Ich möchte mich aber um dich kümmern, weil du mir wichtig bist.«

      Oma Lotte lächelte schief und schniefte in das Taschentuch, das sie aus der Tasche ihrer Schürze gezogen hatte.

      »Du bist ein guter Junge. Und gerade deshalb tut es mir weh, wenn ich sehe, wie sehr du dich quälst. Egal, wie herausfordernd eine Beziehung manchmal ist, sie sollte nie unter Zweifeln geführt werden, verstehst du, was ich meine?« Matthias schüttelte den Kopf.

      »Ich bin mir nicht sicher…«

      »Dein Opa Erich war kein leichter Fall. Er konnte ein ziemlicher Knochen sein, doch ich musste nie Angst haben, dass er mich irgendwann für eine andere sitzen lässt. Er hat nie, in all den Jahren, einem anderen Rock hinterher geschaut, da konnte ich mir sicher sein. Ich war die einzige Frau für ihn. Er hat mich nicht immer auf Rosen gebettet, aber wenn er mal wieder vergessen hat,

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