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und ein professionelles Verkaufsgespräch zu führen. Immerhin, so sagte sie sich, konnte diese Frau eine Testkäuferin sein, die die Zentrale in der letzten Zeit immer wieder losschickte, um die Arbeit der Sales Agents zu überprüfen. Sie lächelte noch eine Spur breiter und begann, der Frau mit gespielter Liebenswürdigkeit all die Vorteile und Wunderwirkungen ihres Produkts aufzuzählen. Hanna bot ihr sogar an, sie hier und jetzt auszuprobieren. Sie atmete erleichtert auf, als die Frau mit einem Lächeln endlich abzog, natürlich ohne auch nur eine Creme gekauft zu haben.

      »Puh«, machte Hanna und warf einen Blick auf die Uhr. Endlich, es war so weit. Sie konnte den Stand abbauen und nach Hause fahren. Ein missmutiger Blick auf ihr Bein verriet ihr, dass die Laufmasche inzwischen bis hinauf zu ihrer Hüfte reichte.

      »So ein billiger Scheiß«, fluchte sie und beschloss, nie wieder eine Strumpfhose von einer billigen Marke zu kaufen, auch wenn es ein Notfall wäre. Vielleicht würde sie dem Hersteller online eine Beschwerde tippen, die sich gewaschen hatte. Wenn der Hersteller etwas von Kundenbetreuung verstand, würde er ihr mindestens zwei Gratis-Strumpfhosen zukommen lassen, um sie als aufgebrachte Kundin wieder zu besänftigen. Hanna räumte die Tiegel und die anderen Produkte zurück in den kleinen Metallkoffer, klappte den Tisch zusammen und wuchtete alles zusammen in ihren Mini. Dann wischte sie sich, vorsichtig, um ihr Tages-Make-Up nicht zu zerstören, den Schweiß von der Stirn. Ihr Magen knurrte und sie hatte Durst. Doch da Matthias sie mit Sicherheit heute Abend, an ihrem Jahrestag, zum Essen einladen würde, war es ausgeschlossen, dass sie vorher etwas essen würde. Seit ihrem morgendlichen Eiweiß-Shake hatte Hanna nichts gegessen, immerhin hatte man eine Figur wie die ihre nicht ohne die entsprechenden Anstrengungen. Ihr Blick wanderte zu dem Supermarkt-Schild auf dem Parkplatz. Ein Smoothie wäre drin, dachte sie sich, klappte den Kofferraum zu und stolzierte auf ihren Stilettos in Richtung Supermarkt. Hier herrschte ziemliches Gedränge, doch erfreulicherweise hatte jemand daran gedacht, die Obsttheke aufzufüllen, so dass sie nun die Wahl zwischen gleich fünf verschiedenen Smoothies hatte. Eigentlich hatte sie Lust auf Erdbeeren, Kiwi und Banane, doch der grüne Smoothie enthielt mehr Antioxidantien, auch wenn er eher wie etwas schmeckte, das man im Garten auf den Kompost warf. Hanna seufzte, griff nach dem Smoothie und ging zur Kasse, wo sie sich mit kühlem Blick in die Schlange der Wartenden einreihte. Routiniert ließ sie ihren Blick über die vollen Einkaufswagen der anderen Kunden wandern. Es gehörte zu ihrem Job, sofort zu erkennen, welche Bedürfnisse jemand hatte und wie man ihn dazu brachte, diese in Form eines bestimmten Produkts zu befriedigen. Dazu gehörte auch, schnell abzulesen, wie viel Geld jemand zur Verfügung hatte und wofür er bereit war, es auszugeben. Der Typ mit dem Anzug vor ihr etwa, gab sich große Mühe, den Eindruck zu erwecken, er hätte viel Geld, doch sein Anzug war von der Stange und die Schuhe hatten eine Plastiksohle. Er befand sich noch ganz unten auf der Karriereleiter und gab vielleicht Geld für irgendwelche Coachings und Seminare aus, ganz sicher aber nicht für Kosmetik. Ganz anders die Frau vor ihm. Ihr hochtoupiertes Haar und die dichte Parfümwolke, in die sie gehüllt war, waren ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie gerne und viel Geld für sich ausgab und Wert auf Luxus legte. Zu gern hätte Hanna sie in ein Gespräch verwickelt, doch heute Abend war sie dafür definitiv zu müde und außerdem musste sie nach Hause, wo Matthias auf sie wartete. Beim Gedanken daran stieß sie einen kurzen Seufzer aus. Vermutlich hatte er sich wieder eine ebenso romantische wie einfallslose Geste für sie ausgedacht, die weder individuell noch kostspielig war. Das würde ihr wieder alle Mühe abverlangen, dazu eine gute Miene aufzusetzen. Seit zwei Jahren war sie nun schon mit ihm zusammen und Matthias hatte seine guten und schlechten Seiten. Er verfügte sogar eindeutig über Potenzial, doch sein Problem war, dass er nicht einmal im Entferntesten daran dachte, dieses auch auszuschöpfen. Wenn er sich nur ein klein wenig anstrengen würde, dann könnte er längst eine eigene Werkstatt haben, anstatt immer noch für einen Hungerlohn bei Christoph zu arbeiten. Er hatte sogar das Zeug dazu, es zu einer echten Koryphäe im Bereich Oldtimer zu bringen, wenn er sich nur ein wenig mehr anstrengen würde. Hanna verzog das Gesicht und zückte ihr Handy.

      BIN GLEICH ZU HAUSE, SCHATZ, ICH FREUE MICH AUF DICH, verkündete eine Textnachricht von Matthias. Hanna beschloss, sie zu ignorieren. Alles, was sie wollte, war ein großes Glas Wein und eine heiße Badewanne. Danach war sie vielleicht bereit, sich Matthias und ihrem Jubiläum zu widmen. Damals, als er ihr aus heiterem Himmel in den Wagen gefahren war, hatte sie etwas in ihm gesehen, in diesem großen, etwas schlaksigen Kerl, mit den langen Beinen und dem zerzausten Haar. Matthias sah auf eine unkomplizierte und zugleich unglaublich interessante Art und Weise gut aus. Er hatte jene Art von Körper, die man weder für zu muskulös noch zu dünn oder zu dick beschreiben könnte, mit den blitzenden Augen eines kleinen Jungen, die immer ein wenig verträumt dreinblickten. Er sah tatsächlich aus wie ein Rohdiamant, der geformt werden will. Mit dem Motoröl an den Händen und den leichten Falten an den Wangen, aber auch an den Augen, wenn er lächelte, wirkte der 3-Tage-Bart zwar sehr rustikal, aber dieser könnte ja sehr leicht entfernt werden. Als sie ihn dann in der Werkstatt gesehen hatte, hatte sie begriffen, dass Matthias tatsächlich über eine Menge Know-How verfügte, aber dass es ihm an jemandem mangelte, der sein Potenzial zur Geltung brachte. Sofort hatte Hanna durchschaut, dass obwohl Christoph der Chef der Werkstatt war, in Wirklichkeit Matthias die Dinge in der Hand hatte, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Aus irgendeinem Grund hatte sie sich entschieden, Matthias zu ihrem Projekt zu machen, ein Rohdiamant, den sie zum Glänzen bringen würde. Leider musste sie nach der bisherigen Zeit mit ihm zugeben, dass sich ihr Projekt als sehr viel komplizierter herausstellte, als sie es eingeschätzt hatte. Und dann waren da noch die Gefühle. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund empfand sie etwas für Matthias, auch wenn sie nicht definieren konnte, woran das lag. Natürlich hätte sie andere Männer haben und an sich binden können, jede Menge Männer sogar, doch etwas an Matthias hinderte sie daran, ihn für einen anderen zu verlassen. Vielleicht war es die Wärme, die von ihm ausging, wenn sie sich nachts mit ihren notorisch kalten Füßen an ihn kuschelte oder er mit einem Lächeln jeden noch so schlechten Tag erhellte.

      »Du bist albern, Hanna«, sagte sie sich. Erneut meldete sich ihr Telefon, es zeigte eine Nachricht von K.P. an, die Kurzform von »Knuffelpuffel«. Nicht, dass sich Matthias je die Mühe gemacht hätte, ihr Handy zu durchsuchen, auf diese Idee wäre er nie gekommen. Matthias vertraute ihr blind, was auf der einen Seite schön war, Hanna auf der anderen Seite aber auch wütend machte. Traute er ausgerechnet ihr denn keine Affäre zu? ICH WÜRDE DICH HEUTE ZU GERNE IN MEINE ARME SCHLIEßEN, las Hanna. BIST DU DIR SICHER, DASS DU HEUTE ABEND KEINE ZEIT HAST? ICH HABE ETWAS GANZ BESONDERES FÜR UNS VORBEREITET…

      Hanna legte die Stirn in Falten, obwohl sie wusste, dass das für ihr jugendliches Aussehen nicht von Vorteil war.

      KEINE CHANCE, schrieb sie zurück. MATTHIAS UND ICH HABEN HEUTE ZWEIJÄHRIGES. MORGEN VIELLEICHT.

      Sie musste nicht lange auf eine Antwort warten. SEHR SCHADE, wurde ihr mitgeteilt.

      Hanna schaltete ihren Bildschirm aus und konzentrierte sich auf die Kassiererin vor ihr, die gerade ihren Smoothie über den Scanner zog. Hanna verengte ihre Augen zu schmalen Schlitzen, während sie die junge Frau musterte. Sie trug das braune Haar zu einem schlichten Pferdeschwanz, der ihr etwas Mädchenhaftes verlieh, obwohl sie vermutlich nur wenige Jahre jünger war als Hanna. Sie trug kein Make-Up, nur etwas Wimperntusche, die ihre großen Augen betonte, allerdings die kleinen roten Flecken an ihrem Kinn nicht bedeckte.

      »Naja«, sagte sich Hanna in Gedanken. Als Kassiererin hat man vermutlich kein Geld für teure Kosmetik. Unfassbar, wie jemand sein Leben so wegwerfen kann.«

      Dann setzte sie ihr professionelles Lächeln auf und strahlte die Kassierin an.

      »Sie haben eine schöne Haut«, log sie.

      »Ich habe noch bis morgen den Beautystand vorne am Rondell. Kommen Sie doch mal vorbei für eine Gratisberatung.« Mit spitzen Fingern zückte sie einen Geldschein aus ihrem roten Lack-Portemonnaie. Die Frau sah sie verwundert an.

      »Ähm, danke«, sagte sie stotternd. »Aber ich glaube nicht…«

      »Es ist nie zu früh, um damit anzufangen. Glauben Sie mir, was Ihre Haut angeht, ist es viel später, als sie denken«, gab Hanna zurück. Sie liebte diesen Satz, den sie auf einem Seminar gelernt hatte. Nichts versetzte Frauen so sehr in Angst

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