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Als sei das ein Stichwort gewesen, erschien eine Gestalt in der offenen Werkstatttür.

      »Hallo?« Eine sonore Stimme war zu hören. Matthias trocknete sich die Hände ab und trat aus dem Schatten der Waschecke.

      »Ja, bitte?«

      »Wo ist der Chef?«, rief die Stimme wütend, so laut, dass sich alle Mitarbeiter erschraken und ihre Arbeit unterbrachen.

      Der hat schon Feierabend, da müssen Sie…«

      »Sie können Ihrem Chef sagen, dass ich ihn das nächste Mal vor Gericht sehe, wenn er mir noch einmal so eine Scheiße liefert«, knurrte der Mann und machte einen energischen Schritt auf Matthias zu. Nun konnte Matthias erkennen, um wen es sich handelte. Es war Dr. Steiner, seines Zeichens ein ehemaliger Hautarzt, der es zu Geld gebracht hatte, das er am liebsten für Luxus und alte Autos ausgab. Der Kunde trug stilecht eine Schiebermütze, ein teuer aussehendes Jackett mit aufgenähten Patches an den Ellenbogen und hielt in der rechten Hand den Knauf eines Stockes. Matthias hätte schwören können, dass dieser aus echtem Elfenbein gemacht war und im Inneren vermutlich eine rasiermesserscharfe Klinge führte.

      »Ich habe keine Ahnung…«, setzte Matthias an, wurde aber sofort wieder unterbrochen.

      »Dass hier niemand eine Ahnung von Autos hat, das weiß ich bereits«, blaffte Steiner. »Mein Auto habt ihr mir angeblich repariert und dann bin ich ausgerechnet an der Promenade von Sylt mit ihm liegengeblieben. Zum Gespött der Leute habe ich mich dank eurer Unfähigkeit gemacht. Ich wette, man lacht von Hamburg bis Berlin über mich.«

      »Herr Dr. Steiner, ich verstehe…«

      »Was versteht einer wie du schon? Das Auto kostet mehr, als du in zehn Jahren verdienst und trotzdem hast du nicht genug Ehrfurcht, deine Arbeit wenigstens richtig zu erledigen.«

      Matthias verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Schwierige Kunden zu beruhigen, war normalerweise Christophs Aufgabe, doch in der letzten Zeit verschwand dieser immer häufiger schon am Nachmittag aus der Werkstatt und überließ unangenehme Begegnungen wie diese Matthias. Doch dieser hasste nichts mehr, als Kunden Honig um den Bart zu schmieren, damit sie sich wieder beruhigten. Im Grunde hatte er für die »Schnösel« und »Geldsäcke«, wie er sie insgeheim nannte, nur Verachtung übrig. Sie hatten keine Ahnung von den Autos, die sie da fuhren. Sie empfanden weder Hingabe noch Leidenschaft für diese einzigartigen Wagen, sondern betrachteten sie lediglich als Statussymbole, mit denen sie ihre prall gefüllten Bankkonten zur Schau stellen konnten.

      Matthias war diese Oberflächlichkeit zuwider, doch er liebte die Arbeit an den alten Autos so sehr, dass er den Kontakt mit dieser Sorte Mensch üblicherweise gezwungenermaßen in Kauf nahm. Ein Auftritt, wie ihn Dr. Steiner gerade hinlegte, kam hingegen eher selten vor und er spürte, wie Ärger in ihm aufstieg.

      »Wir haben Ihnen gesagt, dass die Reparatur lediglich ein Provisorium ist, bis die Teile aus England eingetroffen sind, was erfahrungsgemäß einige Zeit dauert. Sie haben darauf bestanden, dennoch mit dem Wagen nach Sylt zu fahren, auch wenn wir Sie davor eindringlich gewarnt haben…«, sagte Matthias mit fester Stimme, während er Dr. Steiner mit den Augen fixierte. Der Geldsack sollte ja nicht denken, dass er sich von ihm einschüchtern ließ.

      »Papperlappap«, fiel ihm Steiner ungehalten ins Wort. »Wenn ich eine Reparatur in Auftrag gebe, dann erwarte ich, dass sie zu 200 Prozent erledigt wird, immerhin zahle ich Ihrem Boss eine Menge Geld dafür… wo ist er überhaupt?«

      »Das sagte ich Ihnen bereits, er hat…«

      »Sagen Sie ihm, dass ich meinen Anwalt informiert habe und dass er sich auf gehörigen Ärger gefasst machen kann. Ich erwäge, ihn auf eine empfindliche Summe Schmerzensgeld zu verklagen…«

      »Wissen Sie was, machen Sie das«, unterbrach ihn Matthias, dem es nun endgültig zu bunt wurde. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss noch eine Reparatur fertig stellen, da habe ich keine Zeit für solch einen Tullus.«

      Mit diesen Worten schob er Steiner unsanft aus der Werkstatttür und knallte ihm selbige vor der Nase zu. Er hörte, wie Steiner noch eine Weile vor der Tür herumtobte und eine Reihe von aberwitzigen Drohungen ausstieß, bis schließlich ein Motor aufheulte und er verschwand.

      Matthias blickte aus dem Fenster. Wie so oft in der letzten Zeit kam ihm der Gedanke, wie satt er das alles hier hatte. Er fühlte sich, als steckte er fest. Dabei konnte er selbst nicht erklären, woher dieses Gefühl kam. Immerhin hatte er einen guten Job, den er gern machte und auch wenn Christoph ein ziemlicher Geizhals sein konnte, bezahlte er ihn verhältnismäßig gut.

      Trotzdem meldete sich in der letzten Zeit immer wieder eine Empfindung von Unzufriedenheit. Matthias warf das Handtuch, mit dem er sich die Hände abgetrocknet hatte, in die Ecke und blickte sich in der Werkstatt um. Verschiedene Autos standen aufgebockt oder mit geöffneten Motorhauben herum, jedes von ihnen ein Schatz von unbestimmtem Wert.

      »Jedes dieser Autos steht für einen Traum«, hörte er die Stimme seines Vaters in seinen Gedanken. »Jeder von uns hat einen Traum und wenn er von so einem Auto träumt, dann träumt er nicht nur von dem Wagen, sondern auch von dem Gefühl, mit dem Auto über die Straße seines Lebens zu fahren. Jene Straße, die nur er befahren kann und auf der er weder jemandem folgen muss noch von jemandem verfolgt werden kann.«

      Damals, als Junge, hatte Matthias nicht verstanden, was sein Vater ihm mit diesen Worten sagen wollte. Doch inzwischen ahnte er, dass diese Sätze mehr als nur eine Liebeserklärung an die alten Autos waren, sondern vielmehr eine Metapher, in der eine tiefe Wahrheit über das Leben steckte. Ein Geheimnis, das zu erkunden er sich immer sehnsüchtiger wünschte, ohne zu wissen, wie er es angehen sollte.

      Matthias ging in den Aufenthaltsraum, wo sich sein Spind befand, um sich die graue Latzhose, die graue Weste und das schwarze T-Shirt auszuziehen, sich den Dreck des Tages unter der Dusche abzuspülen und in seine Alltagskleidung zu schlüpfen. Heute wollte er auf keinen Fall zu spät nach Hause kommen, immerhin war es der Jahrestag mit Hanna. Seit nunmehr zwei Jahren waren sie ein Paar. Perfekt füreinander, wie alle, die sie kannten, stets behaupteten - und es stimmte. Hanna war seine Traumfrau: schön, selbstbewusst, ehrgeizig und voller Träume. Er konnte es kaum erwarten, ihr genau das heute Abend mit einem romantischen Geschenk zu zeigen. Er griff nach seinem Handy und tippte Christoph eine Nachricht, um ihn über das Auftreten des Kunden zu informieren. Zu seiner Überraschung erhielt er sofort eine Antwort.

      DER TYP REAGIERT STÄNDIG ÜBER, TOTAL NERVIG. LUST NOCH ETWAS TRINKEN ZU GEHEN? MEINE PLÄNE FÜR HEUTE HABEN SICH SPONTAN GEÄNDERT. Matthias starrte auf die Nachricht, dann schrieb er: SORRY, DU WEIßT DOCH, HANNA UND ICH HABEN HEUTE JAHRESTAG. EIN ANDERES MAL.

      Dann schob er das Handy in die Tasche seiner Jeans und machte sich auf den Heimweg. Während er seinen Wagen durch die vom Feierabendverkehr verstopften Straßen lenkte, dachte er daran, wie er und Hanna sich vor genau zwei Jahren kennengelernt hatten. Es war ein lauer Frühsommerabend gewesen, ganz ähnlich wie der heutige. Christoph hatte ihn in letzter Sekunde, bevor Matthias Feierabend machen wollte, damit beauftragt, einen Wagen an einen Kunden auszuliefern. Matthias war bereits seit guten 10 Stunden in der Firma, dadurch müde, zerstreut, hungrig und mit seinen Gedanken schon beim nächsten Auftrag, der auf ihn in der Werkstatt wartete. Er war in so in seine Gedanken vertieft, dass er eine rote Ampel und einen davorstehenden kleinen, aber moderneren Mini Cooper übersehen hat. Er erinnerte sich nur zu gut an den Schock und den Schmerz an der Stirn, den das Lenkrad aus Wurzelholz mit bronzefarbenen Nieten und verchromten Streben in der Mitte hinterlassen hat, gefolgt von einem Gefühl von Ärger. Das war das Letzte, was er kurz vor Feierabend hatte gebrauchen können.

      »Können Sie nicht aufpassen? Oder sind Sie zu blöd zum fahren? Brauchen sie eine Brille? Sie müssen mich oder die rote Ampel doch gesehen haben!«, hatte Hanna wutentbrannt gerufen, kaum, dass sie aus dem Wagen gestiegen war.

      Der Unfall hatte die sonst so perfekte Frisur ein wenig aus der Form gebracht, das kleine schwarze Kostüm, das an anderen Tagen wie angegossen an ihrer schlanken, dezent wohlgeformten Figur saß, war verrutscht.

      »Die Ampel war orange«, hatte Matthias ihr geantwortet, dessen Ärger bei ihrem Anblick auf

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