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Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018. Cedric Balmore
Читать онлайн.Название Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018
Год выпуска 0
isbn 9783745205985
Автор произведения Cedric Balmore
Издательство Readbox publishing GmbH
Er stand am Fenster und rauchte. Er trug einen dunkelroten Bademantel. Hastig griff sie nach ihren Sachen und floh wieder ins Badezimmer. Fort, nur fort, dieser Gedanke beherrschte sie noch.
Plötzlich ging die Tür auf, und er kam herein. Sie starrte ihn an, Angst flackerte in ihren Augen.
»Nicht wahr, du machst es zum ersten Mal?«
Sie senkte den Kopf.
»Ich will fort, nach Hause.«
»Das kannst du auch, ich halte dich nicht zurück. Ich wollte dir nur sagen, du warst wunderbar. Du hast mir eine zauberhafte Stunde beschert, und ich werde lange an dich denken, wirklich. Ich sage das nicht so daher. Aber darf ich dir einen Rat geben?«
Sie zuckte mit den Schultern, schielte zur Tür.
»Lass davon ab, Anja, tu es nicht wieder! Diesmal hast du mich getroffen, und ich meine es nur gut mit dir. Ich werde dich nicht mehr wiedersehen, und was war, das wirst du schnell vergessen. Mach es deiner Freundin nicht nach! Du weißt nicht, wohin das führen kann. Du wirst in den Abgrund gleiten, wenn du nicht zurückkehrst. Ungestraft kommt ihr nicht davon. Merke dir meine Worte! Geh in dein altes Leben zurück, bleib brav! Das süße Leben, es sieht so schillernd und verlockend aus, aber das ist alles nur Fassade, mehr nicht. Was dahintersteckt, Mädchen, will ich dir nicht sagen, ich will dich nicht erschrecken.«
Sie sah ihn groß an. Sie spürte, er meinte es wirklich ehrlich mit ihr. Er hatte eine so ernste Stimme. Langsam ging er durch den Raum, kam wieder zurück, blieb vor ihr stehen und steckte ihr zwei blaue Scheine in den Büstenhalter. Sie wollte aufschreien, das Geld auf die Erde werfen. Wenn sie Geld nahm, dann war sie doch eine Nutte! Ohne Geld war man nur eine Geliebte. Aber sie brauchte ja das Geld. Es brannte auf ihrer Haut.
Tränen schimmerten in ihren Augen, als sie aufsah.
»Ich ... ich war in einer Notlage«, stammelte sie.
»Das sagen sie alle!«, sagte er leise. »Versprichst du mir, es nicht wieder zu tun?«
»Ich glaube, ich war verrückt, der Alkohol, das alles, ja, ich war verrückt. Jetzt schäme ich mich entsetzlich. Was müssen Sie nur von mir denken?«
»Ich denke nur, dass du noch umkehren kannst, und dass du an meine Worte denken wirst!«
»Ja, das werde ich. Ich will sowieso nicht mehr mitmachen. Ich mag es nicht!«
»Brav!«
Sie ging zur Tür.
»Soll ich dich nach Hause bringen?«
Anja lächelte. »Danke, aber ich möchte lieber allein gehen. Es ist besser so. Vielen Dank!«
Er fasste sie bei den Schultern und küsste ihre Stirn.
»Ich habe zu danken.«
Sie verließ das Zimmer, betrat den Lift und schwebte nach unten. In diesen Stunden war sie reif geworden. Ganz anders fühlte sie sich. Sie hatte ein Erlebnis gehabt, aber das war es nicht. Sie dachte an den Mann zurück.
In der Halle traf sie auf Sybille. Sie saß in einer Ecke und schien auf sie gewartet zu haben.
»Ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht wiederkommen. Na, wie war es denn?«
»Ich möchte nach Hause, ich bin müde.«
»Natürlich, aber komm, erzähl doch mal! Hattest du auch so ein komisches Gefühl? Ich meine, als ich es das erste Mal tat, war es so, und dann war alles so einfach. Damals hatte ich einen tollen Kerl. Die ganze Nacht hatten wir es getrieben. Oder hat er vielleicht Sonderwünsche gehabt?« Sie sah sie lauernd von der Seite an.
Anja ging schweigend durch die nachtstillen Straßen. Der Gang tat ihr wohl. Das Gerede der Freundin perlte wie Wasser an ihr ab.
»Warum schweigst du?«
»Ich habe Kopfschmerzen, verzeih mir!«
»Du bist gut, da musst du es aber toll getrieben haben. Na ja, wir hatten auch unseren Spaß. Hab’ ich dir nicht gesagt, wie leicht man Geld verdienen kann? Du hast es doch bekommen, oder?«
»Ja, er hat es mir gegeben.«
»Mein Gott, Anja, gesprächig bist du auch nicht.«
»Ich sagte dir doch, dass ich Kopfschmerzen habe!«
Es ging schon auf sechs Uhr zu, als sie endlich ihre Wohnungen erreicht hatten. Sie ging mit in die Wohnung der Freundin. Sie musste sich ja noch umziehen. Erst als sie wieder ihre alte Kleidung anhatte, fühlte sie sich sicher und wohl. Sie war in das bürgerliche Leben zurückgekehrt. Der Abend und die Nacht zogen in Bildern an ihr vorüber. War es nicht nur ein Traum gewesen?
»Wie ist es, machst du morgen wieder mit?«
Anja mochte nicht sofort nein sagen. Langsam stand sie auf.
»Ich glaube, ich gehe jetzt ’rüber. Ich bin hundemüde.«
Sybille gähnte ungeniert.
»Ich werde mich jetzt auch erst mal für eine Weile aufs Ohr legen. Mann, haben wir ein Glück, dass unsere Männer so viel auswärts arbeiten. So können sie uns nicht kontrollieren.«
Anja schloss ihre Wohnungstür auf. Für ein paar Minuten lehnte sie sich dagegen. Es war schon so hell, dass sie kein Licht zu machen brauchte.
Langsam ging sie durch den Flur.
Und dann hörte sie die Stimme!
4
»Anja, bist du das?«
Ihre Glieder versteiften sich, das Herz schlug ihr bis zum Halse. Vor Schreck völlig erstarrt, war sie nicht in der Lage, einen Schritt zu gehen.
»Anja, so antworte mir doch!«
Von weit her, irgendwo aus der Ferne hörte sie eine Stimme antworten.
»Ja!« Sie sagte es selbst, aber es wurde ihr nicht bewusst.
»Was ist los? Wo warst du, bist du krank?«
Mit letzter Kraft wankte sie durch den Flur, blieb an der Schlafzimmertür stehen, und musste sich gegen den Türrahmen lehnen, sonst wäre sie zu Boden gesunken.
»Werner«, stammelte sie leise. Und noch einmal: »Werner!«
Der Mann richtete sich im Bett auf und machte Licht. Er war nun völlig wach.
»Mein Gott, was ist dir, du siehst aus wie ein Gespenst! Was hast du, Anja, ich bin es, dein Mann.«
»Werner!« Plötzlich begann sie zu schluchzen, es war wie eine Erlösung. Die Tränen liefen über ihr Gesicht, und sie spürte die Nässe am Hals.
»Ich, ach, ich weiß nicht, ich war so tödlich erschrocken. Ich habe doch nicht gewusst, dass du schon zu Hause bist. Du hast mich doch angerufen und mir gesagt, du kämst vor morgen nicht nach Hause. Mein Gott, noch nie im Leben war ich so erschrocken wie eben, als ich deine Stimme hörte!«
»Ich bin schon eine ganze Weile hier, genauer gesagt, seit zehn Uhr gestern Abend, und nun haben wir sechs Uhr früh. Ich habe mich auf einen gemütlichen Abend mit dir gefreut, komme nach Hause, und das Nest ist leer. Wo warst du?«
Eisig lief es ihr den Rücken herunter. Jetzt hieß es, Zeit gewinnen. Aber sie kannte ihren Mann gut genug, um zu wissen, dass er sich mit einer faden Ausrede nicht abspeisen ließ. Für einen Moment durchzuckte sie der Gedanke, ihm alles zu erzählen, alles, restlos sich ihm anzuvertrauen. Vielleicht ließ dann der schreckliche Druck auf ihrem Herzen nach. Aber konnte das ein Mann überhaupt verzeihen? Wohl kaum, und was war dann? Und sie liebte doch Werner, sie wollte ihn um nichts in der Welt verlieren. Nein, sie musste das selber tragen.
Später, viel später dachte sie an diesen Augenblick zurück. Aber jetzt wusste sie noch nicht warum.
»Ich war drüben bei Sybille.«