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Denn niemand kannte den Mob von Südkalifornien so genau wie Roberto, dessen Vater das Liquidationskommando von Don Alfredo Plancata angeführt hatte. Ernesto Tardelli war ein guter Freund Don Alfredos gewesen, bis der Don seinen Leutnant wegen dessen Macht zu fürchten begann und ihn töten ließ.

      Ernesto Tardellis grausamer Tod und der Umstand, dass auch Robertos Schwester Louisa bei dem Anschlag mit ums Leben kam, hatten Roberto Tardelli in den unerbittlichsten Gegner der Mafia verwandelt. Seit dem Tod seines Vaters und seiner Schwester lebte Roberto auf einem messerscharfen Grat zwischen Leben und Tod. Gejagt von der Polizei, weil er einen der ihren hatte töten müssen – einen korrupten Detektive Lieutenant, der auf Don Alfredos Lohnliste stand, und gnadenlos gehetzt von allen Killern der Mafia.

      Roberto wandte sich um. Er duschte, rasierte sich und zog die Reitkleidung an. Er musste sich wie ein Tourist aufführen. Erst im letzten Augenblick wollte er sich zu erkennen geben. Natürlich auch dann nicht als Roberto Tardelli, sondern als einen beliebigen Abgesandten einer anonymen Behörde, der zunächst einmal vorgeben würde, das angebotene Material zu prüfen.

      Denn das Misstrauen blieb, es gehörte zu Robertos Leben wie der Tod, der stets gegenwärtig war.

      Als Roberto den klimatisierten Bungalow verließ, schlug ihm die trockene Hitze der Wüste entgegen. Das Frühstück war fertig. Der Koch schlug gegen den Triangel, und während die Gäste auf dem plattierten Patio erschienen, führten die Cowboys bereits die gesattelten Pferde herbei. Auf dem Programm stand ein ganztägiger Ausritt in die Wüste. Roberto wusste, dass fast alle Gäste diesen Ausritt gebucht hatten, auch Eileen Hamilton und Charles Lavery. Und möglicherweise auch der Informant.

      2

      Während der ärgsten Mittagshitze hatten sie in einer flachen Mulde gerastet und das mitgenommene kalte Fleisch verzehrt. Bisher war nichts geschehen, was Robertos Aufmerksamkeit geweckt hätte.

      Um halb zwei waren sie wieder aufgebrochen.

      Die Sonne stand hoch im Südwesten an einem glühenden Himmel. Durch den Stoff der Jeansjacke hindurch verbrannte sie Robertos Rücken. Sein Mund war ausgedörrt, seine Muskeln schmerzten. Die Pferde bewegten sich in langgestreckter Kolonne durch eine schmale Felsrinne in östlicher Richtung.

      Eileen Hamilton ritt vor Roberto. Er hatte genau registriert, dass sie absichtlich seine Nähe suchte. Charles Lavery war zurückgeblieben. Er war kein sonderlich guter Reiter.

      Eileen drehte sich manchmal um. Ihre Zähne blitzten im sonnengebräunten Gesicht, wenn sie lächelte. Das lange Haar fiel glänzend unter dem breitrandigen Cowboyhut herab. Sie saß gut auf ihrem hochbeinigen Fuchswallach, wie Roberto neidlos anerkannte.

      Roberto verlagerte sein Gewicht. Der Cowboysattel mit der hochgewölbten Lehne mochte für einen erfahrenen Reiter einigermaßen bequem sein, doch nach sechs Stunden Ritt bei glühender Hitze über Stock und Stein wäre ihm jetzt vermutlich der bequemste Clubsessel wie ein Thron aus Schottersteinen erschienen.

      Roberto erwartete jederzeit das Zeichen. Der Informant wollte es geben, so hatte der Anwalt aus Los Angeles verlauten lassen. Sein Mandant müsse vorsichtig sein. Ja, dachte Roberto, wer über die Interna der Mafia plaudern wollte, spielte mit seinem Leben.

      Er ließ seine Augen immer wieder über das ausgedörrte Land schweifen. Joshuabäume und Saguaros reckten ihre staubbedeckten Äste in die flirrende Luft. Geröll löste sich unter den tastenden Hufen der Pferde, die sich mühsam durch die Rinne bewegten. Der Weg stieg jetzt steil zu einer Halde hin an. Robertos Augen richteten sich auf Eileens Rücken. Die trockene Luft brannte in seiner Lunge. Die ständige Wachsamkeit und die Spannung laugten ihn zusätzlich aus.

      Die Zügel lagen fest in seiner linken Hand. Mit der Rechten stützte er sich am Sattelhorn ab. An seiner linken Hüfte spürte er den vertrauten Druck der schweren Pistole. Wenn dort draußen jemand mit einem Gewehr lag, dachte er, konnte er die Pistole vergessen. Aber er hatte schließlich kein Gewehr mitnehmen können, ohne sich den Fragen der Führer auszusetzen.

      Hank Burns, ein Oldtimer mit verwittertem Gesicht und kleinen, scharfen Augen, war der einzige der vier Führer, der ein Gewehr im Sattelschuh mit sich führte. Die Waffe diente weniger dazu, Schlangen oder anderes Wüstengetier abzuknallen, sondern mehr der Beruhigung der Reiter. Der Oldtimer führte die Gruppe an. Im Staub war er kaum noch zu erkennen.

      Roberto tat es den anderen nach und band das Halstuch vor seinen Mund, um sich vor dem beißenden Staub zu schützen, der von den Hufen der vorausreitenden Pferde aufgewirbelt wurde. Auch Eileen trug jetzt ein Tuch. Als sie sich umwandte, sah Roberto nur ihre blitzenden Augen über dem Rand des roten Stoffs. Eileen genoss dieses Abenteuer mit vollen Zügen. Roberto lächelte.

      Da hörte er den schrillen, langgezogenen Pfiff, und er wölbte die Schultern vor.

      Dieser Pfiff war das Erkennungszeichen. Er, Roberto Tardelli, sollte jetzt seinen Hut abnehmen. So lautete die Vereinbarung.

      Aber der Mafia-Jäger wartete noch. Er wollte wissen, wo der andere steckte. Er befand sich nicht in der Gruppe, wie Roberto eigentlich erwartet hatte. Er sah sich um.

      Die Schluss-Abteilung wurde von zwei Führern eskortiert. Charles Lavery befand sich mitten in der Gruppe. Er schien Schwierigkeiten mit seinem Pferd zu haben. Einer der Cowboys nahm das Tier am Zügel. Laverys Schulter sanken nach vorn. Erschöpft nahm er seinen Hut ab und wischte sich über die Stirn.

      Nein!, wollte Roberto rufen, doch er brachte keinen Ton heraus. Er spürte die Gefahr, er ahnte die Nähe des Todes.

      „Nicht!“, schrie er, doch der Schrei ging im Rollen eines Schusses unter.

      Charles Lavery warf die Arme in die Luft und stürzte vom Pferd.

      3

      Um die gleiche Zeit kam in Los Angeles, 520 Meilen westlich, ein gelber Bus den Wilshire Boulevard von Beverly Hills herab. Der Bus hielt kurz an einer öden Haltestelle, zischend öffneten sich die Türen.

      Nur ein Kind sprang aus dem Schulbus. Ein dunkelhaariger Junge in kurzen blauen Hosen und weißem Hemd. In der Hand schwenkte er das Bücherpaket. Der Bus ordnete sich sogleich wieder in den fließenden Verkehr ein.

      Der Junge lief in eine der schmaleren Straßen zwischen Crenshaw Boulevard und Western Avenue. Die Straße, an der ältere, zumeist zweistöckige Holzhäuser lagen, machte einen ausgestorbenen Eindruck. Nur die kreisenden Rasensprenger in den Vorgärten zeugten von Leben.

      Die zweifarbige Limousine mit den getönten Scheiben am Straßenrand wirkte in keiner Weise auffällig. Der Wagen war ziemlich neu und sauber wie die Wagen der Familienväter, die bald in den Einfahrten stehen würden. Der Junge konnte die Umrisse der drei Männer in dem Wagen nicht erkennen. Und wenn er sie gesehen hätte, hätte er sich nichts bei ihrem Anblick gedacht, genauso wenig, wie er sich etwas aus dem großen Möbelwagen machte, der ein Stück die Straße hinauf parkte.

      Als die Türen des zweifarbigen Pontiacs aufsprangen, blieb der Junge doch einen Moment stehen, denn die vordere Tür hätte ihn beinahe berührt.

      Zwei der drei Insassen glitten heraus. Sie trugen große, sehr dunkle Sonnenbrillen, in denen der Junge sein eigenes, vor Schreck etwas starres Gesicht erkannte.

      „Hi, Ronny“, sagte einer der Männer und verzog die dünnen Lippen zu einem schnellen Lächeln, denn der Junge nickte unwillkürlich, als er seinen Namen hörte.

      Der zweite Mann war bereits neben ihm und versetzte ihm einen Stoß, der ihn in die Arme des immer noch lächelnden anderen warf. Ronny wollte sich wehren. Er krümmte sich zusammen und trat nach dem Mann, dessen Arme sich um ihn schlossen. Er traf ein Schienbein und hörte auch einen schmerzhaften Laut, doch dann wurde er mit unwiderstehlicher Gewalt in den Wagen geschoben und von harten Händen auf den Boden zwischen der hinteren Sitzbank und den Vordersitzen gedrückt. Die Türen klappten ins Schloss, und der Pontiac glitt nahezu lautlos um die Ecke auf den breiten Boulevard.

      Nach knapp einer Meile hielt der Wagen wieder an. Einer der Insassen stieg aus und betrat eine Telefonzelle. Er wählte eine Nummer, die

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