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Das habe ich mit Beginn des Studiums aufgegeben. So, und jetzt kannst du mir mal eine Frage beantworten, Frau Hauptkommissarin.“

      „Wenn schon, dann Bea.“

      „Okay. Joko möchte gerne von Bea wissen: Helga ist ermordet worden, und ich sollte umgebracht werden. Gibt es da einen Zusammenhang – abgesehen von dem Mord an Julia Hoppe?“

      „Das müssen wir noch prüfen.“

      „Die alten Schulunterlagen des Viktoria verwaltet die dir bereits bekannte Karin Heise.“

      „Geborene Hoppe – schau nicht so verblüfft. Die Schwester der ermordeten Julia. Ein Journalist hat sich sehr um den Fall gekümmert und die Schwester geheiratet.“

      „So hat doch jedes Ding zwei Seiten“, rutschte ihm heraus.

      Sie zwinkerte ihm zu „Danke für den Hinweis. Und jetzt halte mir bitte den Daumen, dass ich nicht am Steuer einschlafe.“

      Joko schlief gut und lange, und erhielt zum Frühstück eine erfreuliche Neuigkeit. „Gleich kommt unser Krankengymnast zu Ihnen. Sie können den Fuß wieder vorsichtig belasten.“

      „Prächtig. Ich würde gerne Gewichtheben trainieren.“

      „Geben Sie nicht so an, Herr Jokisch.“

      Am Ende der Reha-Folterstrecke konnte er das Wort „Geduld“ nicht mehr hören und war heilfroh, als Bea ihn aus dem Krankenhaus abholte. Sie fuhr mit ihm in Richtung Ruhr-Uni und parkte vor einem bebauten Grundstück.

      „Was sollen wir hier?“

      „Du bist doch in Essen aufgewachsen?“

      „Ja.“

      „Hier sind zwei Kultfiguren des Potts entstanden.“

      „Häh?“

      „Kumpel Anton und sein Freund Cervinski. Hier hat der Autor gewohnt.“

      „Hm. So eine Art zweites Bergbaumuseum.“

      „Warst du da schon mal drin?“

      „Mehr als einmal. Ein Brandsachverständiger weiß, was schlagende Wetter sind und warum die Kumpel unter Tage so viel Respekt vor denen haben.“

      „Anton, sächt de Cervinski für mich. Weißt du, warum wir jetzt nach Kettwig fahr‘n?“

      „Nein.“

      „Weil’s da ’nen Familientreff gibbet un’ wi’ einladen sin.“

      Viel später gestand Bea, dass sie das „Treffen“ organisiert und sich selbst eingeladen hatte. In der liebevoll wieder hergerichteten Jugendstil-Villa nicht weit von der Ruhr wartete man schon auf sie.

      „Darf ich Ihnen Bernd Jokisch vorstellen, seit Schulzeiten besser bekannt als Joko. Vor Jahren gut befreundet mit Helga Schmied, die später einen Carsten Steinfeld geheiratet hat und vor wenigen Wochen in Krefeld ermordet worden ist.“ Alle japsten erschrocken auf, das war neu für die meisten. „Unsere Gastgeberin, Daniela Landmann, geborene Finck. Schwager respektive Bruder Gernot Finck. Peter Landmann, sein Cousin Jürgen Heise, seine Ehefrau Karin Heise geborene Hoppe, ist die Schwester der ermordeten Julia Hoppe. Della Korbey, eine Freundin und Nachbarin Helgas aus Hattingen, Annegret Stengel, eine Schulfreundin Helgas aus Essen.

      Joko hatte allen brav die Hand gegeben und „Guten Tag“ gemurmelt. Daniela Landmann hatte gelächelt: „Wir kennen uns ja schon vom Telefon.“ Fast dieselben Wörter benutzte Della Korbey. Stengelchen grinste breit: „Nicht verbissen, sondern nur neugierig, wie?“ Nur einmal hatte Joko etwas gezögert, aber Gernot Finck hatte nicht so getan, als kenne er Joko und erinnere sich an ihn.

      „So, mich kennen die meisten ja schon. Ich habe jahrelang vergeblich versucht herauszufinden, was mit Carsten Steinfeld während oder nach einer Leipziger Messe zu DDR-Zeiten geschehen ist. Dann beginnt ein mir völlig unbekannter Mann, sich nach Helga Schmied respektive Steinfeld zu erkundigen. Auf diesen Mann werden nun mehrere Mordanschläge verübt. Er findet Helga an ihrem neuen Wohnort Krefeld, wenig später wird sie dort umgebracht.

      Annegret kramte ihre letzten religiösen Erinnerungen heraus. „Joko, ein Todesengel?“

      Bea knurrte ablehnend: „ich glaube eher, Helga und Joko drohen einem Menschen gefährlich zu werden, der die lästigen Zeugen beseitigen will. Der Gedanke hat mir immer besser gefallen, und siehe da, wir haben auch eine passende Leiche gefunden, Julia Hoppe, die Schwester von Katrin Hoppe, heute verheiratet mit Jürgen Heise, einem Vetter von Peter Landmann.“

      „Also alles eine große, glücklich Familie“, spottete Joko leise, dem eine Idee gekommen war: „Ich glaube, wir haben uns schon zweimal vor heute gesehen, Herr Finck.“

      „So?“

      „Sie haben einmal einen kleinen Jungen, der fürchterlich unter Keuchhusten litt, zum Flugplatz gebracht. Und der Junge war todunglücklich, weil ich ihm in seinem Zustand nicht erlauben wollte, sich neben mich zu setzen.“

      Finck schien sich an etwas zu erinnern, in seinem Gesicht arbeitete es, er sagte aber nichts.

      „Und ein oder zwei Wochen später sind wir uns im Heissiwald begegnet. Sie waren in Begleitung eines Mädchens, von dem meine Begleiterin Helga Schmied behauptete, Julia Hoppe gehe auch auf das Viktoria-Gymnasium: ein Mädchen, dessen Leiche erst vor Kurzem gefunden worden ist.“

      „Und die eine schulbekannte Herumtreiberin mit einem enormen Freundesverschleiß war“, ergänzte Stengelchen scharf.

      „Und in der Zwischenzeit hatte sich die Rechtslage verändert“, unterbrach Bea. „Mord verjährt danach nicht mehr.“

      „Blödsinn!“, knurrte Finck.

      „Vielleicht doch nicht“, warf Bea Lorenz ein. „Joko hat ein gutes Gedächtnis, und als ich mir daraufhin mehrmals seine Version der Mordanschläge angehört habe, ist mir etwas aufgefallen: Er hat viel gemailt und oft telefoniert. Beides abzuhören ist nicht so einfach, wie sich viele das vorstellen. Aber beim Telefonieren spricht man ja.“ Moment!

      Sie kramte in ihrer riesigen Handtasche und legte ein kleines Plastikkästchen auf den Tisch. „Das nennt man umgangssprachlich eine Wanze, ein Mikrofon mit einem Miniatursender. Durch Jokos Erzählungen aufgescheucht, haben wir sein Haus noch einmal gründlich unter die Lupe genommen und dieses Gerät in der Decke seines Arbeitszimmers gefunden. Es ist in Deutschland nicht zugelassen, stammt aus China und wird in einigen Geschäften und im Darknet verkauft, das sich auf – sagen wir – verbotene Dinge spezialisiert. Wir haben uns die Mühe gemacht, mehrere Dutzend Läden abzuklappern und Bilder vorzuzeigen. Und wir hatten Glück, zwei Angestellte haben zweifelsfrei den Käufer einer solchen Wanze erkannt.“

      „Was für Bilder und woher hatten Sie die?“, wollte Heise wissen.

      „Aus der Sammlung eines Präsidiums. Darunter auch ED-Aufnahmen von Gernot Finck. Sie wissen doch alle, dass er wegen Belästigung und sexueller Übergriffe von mehreren Mädchen und Eltern angezeigt worden war.“ Die Stille in der Runde nach dieser Eröffnung sagte mehr als ein langes Gerede.

      „Das könnte ja auf Hunderte zutreffen“, bemerkte Heise abwertend.

      „Stimmt, aber vor fast vierzig Jahren, als wir nach einer vermissten Julia Hoppe suchten, hat die Schwester Karin zu Protokoll gegeben, den Namen des neuesten Freundes kenne sie nicht, Julia habe immer nur gesagt: ‚Jetzt gehe ich zu meinem Vogel vögeln.‘“

      „Das stimmt doch, Frau Heise?“, drehte sich Bea Lorenz plötzlich zu Karin Heise um. „Sie haben nicht gewusst, wer dieser Vogel war!“

      Karin Heise nickte nur verzweifelt und begann zu schluchzen.

      „Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, ihr neuer Freund Gernot Finck könne jener Vogel sein, mit dem sich Julia eingelassen hatte und der sie umgebracht hat?“

      „Doch“, sagte Heise unvermutet, „sie ist mit ihrem Verdacht zu mir gekommen, ich hätte doch Beziehungen zur Kripo.

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