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geheiratet, das habe ich schon herausgefunden.“

      „Den neuen Familiennamen und die aktuelle Adresse habe ich nicht. Die dürfte ich Ihnen auch nicht herausgeben. Wie war Ihr Name noch einmal?

      „Bernd Jokisch. Abitur auf dem Helmholtz.

      „Tut mir leid. Da müssen Sie sich zum Einwohneramt bemühen.“

      „Ich habe heute Frau Daniela Landmann gemailt. Sie organisiert den Altschülerinnen-Verein …“

      „Ich weiß.“

      „Sie hat aber noch nicht geantwortet.“

      „Lieber Herr Jokisch, selbst wenn ich alle meine Vorschriften missachten wollte, ich kann Ihnen nicht helfen, weil ich die Anschrift nicht habe. Tut mir echt leid.“

      „Schade, da lässt sich nichts machen. Vielen Dank für Ihre Mühe.“

      Eine Mail-Antwort von Daniela Landmann gab es noch nicht. Aufgeben?

      Nicht so schnell. Ein, zwei Tage konnte er noch dranhängen. Unmittelbar nach dem Ausscheiden aus der Firma hatte er noch Aufträge für Gutachten angenommen, aber das war ihm zu lästig geworden. Vor allem der ewige Termindruck machte ihm immer mehr zu schaffen. Und Skat oder Schach halfen über ein, zwei Abende hinweg, waren aber für ihn auf Dauer auch keine Lösung.

      Gegen Mittag klingelte Olga Paschke. Als Haushaltshilfe war sie eine Perle, als Gesprächspartnerin die Pest.

      „Sie stören, Herr Jokisch. Sie hatten mir doch versprochen, Sie wären heute unterwegs und würden mir nicht immer vor die Füße laufen oder über den Staubsauger stolpern.“

      „Meine Versprechen halte ich, Frau Paschke. Ich fahre nach Hattingen.“

      Die Erfindung des Navis war vielleicht doch nicht so schlecht. Er hätte mithilfe einer Straßenkarte nie auf Anhieb die Feldstraße gefunden. 33 oder 44 oder 55. An jeder Haustür spulte er – gestatten, Bernd Jokisch – in höflichster Manier sein Märchen von der möglichen Erbschaft einer Helga Schmied herunter, die nach ihre Heirat Steinfeld hieß und hier in der Straße mal gewohnt haben sollte. „Wissen Sie zufällig, wohin das Ehepaar umgezogen ist?“

      Er handelte ich drei Nieten ein und wunderte sich. Stengelchen hatte auf ihn nicht den Eindruck gemacht, als wolle sie ihn veräppeln oder täuschen. Das Rathaus hatte wohl schon geschlossen, das Einwohneramt konnte er auch noch morgen heimsuchen. Er aß schlecht zu Mittag, der falsche Hase schmeckte nach nichts, nicht einmal nach Schrot- oder Pfefferkörnern; nur halb gesättigt bummelte durch die Stadt, wobei er den Eindruck hatte, dauernd beobachtet zu werden, bis er ein Straßen-Café fand, das für ihn noch einen unbesetzten Tisch im Schatten freigehalten hatte. Die Auskunft verband ihn mit der Zentrale der Edelstahlwerke Witten und dort musste er immer wieder erklären, was er wollte. Mit einer Stelle sprechen, die ihm Auskunft über einen ehemaligen Mitarbeiter Carsten Steinfeld geben konnte. Endlich hatte er ein kratzbürstige, heisere Frau an der Strippe: „Was wollen Sie denn von Carsten Steinfeld?“

      Joko fand, dass sie das eigentlich nichts anging, und log deshalb höflich: „Ich schulde ihm noch dreitausend Euro, die wollte ich ihm jetzt geben.“

      „Mein Gott, ein ehrlicher Schuldner. Das gibt’s noch?“

      „Ein Mann, ein Wort. Er hat mir mal für dreitausend Euro während einer Leipziger Messe seine Begleiterin und sein Hotelzimmer überlassen. Sie war das Geld wert, das Zimmer weniger.“

      Damit hatte er wohl überzogen, die heisere Kratzbürste legte wortlos auf.

      Als er nach Hause kam, packte seine Putzfee Olga gerade zusammen: „Herr Jokisch, Sie brauchen unbedingt neue Bettwäsche.“

      Und als sie sein verzweifeltes Gesicht bemerkte, tröstete sie: „Wenn Sie wollen, fahre ich mit Ihnen mal nach Dortmund zum Einkaufen.“

      „Das wäre großartig. Zum perfekten Hausmann fehlt mir doch noch viel, wie?“

      Sie nickte zustimmend und schaukelte in ihre Nuckelpinne davon. Olga Paschke hatte es nicht leicht gehabt. Ihren Mann hatte es zur See gezogen und er war bei der Besetzung Norwegens mit seinem Zerstörer auf den Grund eines Fjords gegangen. Danach hatte Olga gelernt, Granaten zu drehen, was nach dem Mai 1945 nicht mehr so gefragt war. Als Putzfrau, Haushälterin und Aushilfe hatte sie es geschafft, ihrer Tochter eine Ausbildung als Fremdsprachen-Sekretärin zu ermöglichen. Die jetzt verheiratete Tochter lebte in Neuseeland und erinnerte sich allenfalls zu Weihnachten mit einer Karte an ihre Mutter.

      Joko setzte sich nach dem Rentnerschlaf über Mittag an den Computer und schrieb noch drei Absätze seines Artikels „Brandschutz im Alltag“ für Heim und Haus , und verlor dann alle Lust an dem Thema. Das vereinbarte Honorar war auch nicht so, dass es massive Unlustgefühle besiegt hätte.

      Zum Glück lief eine Mail ein, die ihn ablenkte. Daniela Landmann antwortete: Lieber Herr Jokisch. Danke für Ihre Mail. Leider kann ich Ihnen nicht wirklich helfen. Helga Schmied hat mir noch gemailt, dass sie nach ihrer Heirat jetzt Steinfeld heiße und mit ihrem Mann nach Hattingen ziehe. Ihre dortige Adresse hat sie mit nicht mehr mitgeteilt. Vor zwei Jahren hat sie noch einmal gemailt, sie trete aus dem Altschülerinnenverein aus, weil sie auswandere. Keine Ahnung, keine Silbe, wohin. Seither habe ich von ihr oder über sie nichts mehr gehört. MfG Daniela Landmann.

      In Wetter hatte Joko einen Laden entdeckt, der selbstgebrautes Bier verkaufte. Es schmeckte und enthielt so viel Alkohol, dass er nach der zweiten Flasche gut abgefüllt zu Bett sank und traumlos tief schlief.

      Der nächste Morgen war nicht so angenehm. Irgendein Arschloch hatte in der Nacht aus allen vier Reifen seines Autos die Luft gelassen. An Wegfahren bis zu seiner Werkstatt war nicht zu denken.

      Der Meister war ganz seiner Meinung: „Ich schicke Ihnen heute Morgen einen Angestellten mit Pressluft vorbei. Hoffentlich reicht es bis zur Werkstatt. Aufladen kann ich Ihren Wagen nicht, der Lader ist unterwegs mit einem Kundenauto. Vier Ersatzreifen für Ihren Typ habe ich auch nicht vorrätig.“

      „Danke, Meister, ich verlasse mich ganz auf Sie.“

      „Sie meinen, Ihre Reifen seien noch okay? Nichts zerschnitten oder aufgebrochen?“

      „Mein Laienauge meint – nein, nur die Luft ist weg.“

      „Sehr gut, anders wäre es ein teurer Spaß geworden, Herr Jokisch.“

      Wenn man Brandschutz-Sachverständiger war und Fernsehen schaute, dachte man natürlich auch an Brandstiftung, und dann hockte er hier, im jetzt fast trockenen und brennenden Wald regelrecht in einer Falle. So hatte der Brandsachverständige Bernd Jokisch sein Refugium noch nicht betrachtet.

      Umba, wie er sich selber nannte, kam eine Dreiviertelstunde später und hatte alles dabei. Pressluftflasche, Druckmesser und Schläuche mit den passenden Aufsatz- und Mundstücken. Er machte sich an den Reifen zu schaffen und sagte dann in seinem immer noch putzigen Deutsch zu Joko: „Füße jetzt gut, aber Meister möchte sehen, ob nicht doch Löcher und Risse.“

      „Okay, ich fahre hinter Ihnen her.“

      „Aber ganz langsam, Herr Bernd.“

      Im Schneckentempo schlichen sie zur Werkstatt, wo der Meister den Wagen auf die Hebebühne rangierte. Alle vier Reifen abmontierte und mit ihnen nach hinten zur Luftdichteprüfung verschwand. Als er zurückkam, machte er ein ernstes Gesicht: „Die Reifen sind alle okay, Herr Jokisch. Aber an allen Rädern waren die Schrauben gefährlich weit gelockert. Da fehlte nicht mehr viel. Haben Sie Feinde?“

      „Wenn ja, dann kenne ich Sie nicht.“

      „In Zukunft gut aufpassen.“

      Umba schien sich mehr über Jokos Händedruck zu freuen als über das üppige Trinkgeld.

      Jokisch steuerte zuerst einen Baumarkt an und kaufte einen zweiten Feuerlöscher, dazu ein schwer zu knackendes Vorhängeschloss für sein Garagentor. „Nein, da ist mit einem normalen Bolzenschneider nichts zu machen. Da hilft nur ein Schweißbrenner.“

      Im

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