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Gleich werden wir es wissen. Denkste. Der Empfänger: U. Ponners.

      Er hat darüber mit Ulla gesprochen. Das U steht sicher für Ulrich, hat sie gemeint. Welcher männliche Vorname fängt sonst schon mit U an? Eine kurze Internetrecherche hat dann doch einige Alternativen zutage gefördert: Ulf, Uwe, Udo, Umberto … Wahrscheinlich heißt er Urmel, hat Ulla irgendwann vermutet, Urmel Ponners. Naja …

      »Und sonst? Gibt’s was Neues bei dir?«, meldet sich Jonesy vorsichtig zu Wort.

      »Äh, sorry, ich war gerade in Gedanken. Ja, ich habe weiter über die Simulationsgeschichte nachgedacht. Vorhin kam mir die Idee, dass es ähnlich wie in einem Computerspiel vielleicht ›Statisten‹ gibt, die gar keine echten – also echt simulierte – Personen sind, sondern nur so aussehen.«

      »Statisten?«

      »Naja, sieh dich mal um. Es laufen immer ein paar Leute durch die Gegend, bei denen ich mich schwer tue, denen ein echtes Privatleben zu unterstellen. Die sehen nicht so aus, als hätten sie Arbeit, Familie, Hobbys, was weiß ich. Deren einziger Daseinsgrund scheint tatsächlich der zu sein, durch die Gegend zu laufen und dabei möglichst nicht mit anderen zu kollidieren.«

      »Hm.«

      Jonesy betrachtet eine Zeitlang nachdenklich die Besucher des Weihnachtsmarktes.

      »Meinst du, das könnte man testen?«, fragt er schließlich.

      »Wie willst du das machen?«

      »Wir könnten die Leute ja irgendwas fragen, womit sie nicht unbedingt rechnen, und dann abwarten, wie sie reagieren«, schlägt Jonesy vor.

      »Ist vermutlich nicht unbedingt statistisch auswertbar …«, beginnt Harald.

      »… aber sicher witzig! Pass auf, das probieren wir aus!«

      In dem Moment kommen nämlich Hanna und Andi von ihrem Rundgang zurück. Hanna hat eine Tüte gebrannte Mandeln dabei. Jonesy wendet sich an Hanna.

      »Hanna, was meinst du: ist rot gelber als blau?«

      »Hä? Was ist das denn für eine Frage?«

      Jonesy ignoriert die Gegenfrage völlig und wendet sich Harald zu.

      »So in der Art, wobei nicht klar ist, wie diese Antwort zu werten ist: Statist oder echt?«

      Beide lachen. Hanna blickt verwirrt in die Runde.

      »Klärt ihr Spinner mich mal auf?«

      »Wir haben überlegt, dass ein paar von den Leuten hier … « Harald deutet in die Runde. » … vielleicht Statisten beziehungsweise Lückenfüller sind und nur ein paar Leute sozusagen echt sind.«

      »Hari hat die Theorie aufgestellt, dass wir vielleicht alle in einer Computersimulation leben, und es könnte durchaus sein, dass nicht jede Person voll berechnet wird, sondern eben ein paar rumlaufen, die nur so tun, als wären sie Personen. Zum Beispiel der Typ da drüben mit dem Hut.«

      Jonesy deutet zu einem Essensstand. Die besagte Person steht vor der Preistafel und verlagert rhythmisch sein Gewicht von einem Bein aufs andere.

      »Ich vermute, wenn ich dem die gleiche Frage stelle, fällt er einfach um.«

      Andi schaltet sich ein.

      »Computersimulation? So wie in ›Matrix‹?«

      Harald widerspricht.

      »Nein, nicht ganz. In ›Matrix‹ waren ja echte Menschen in diesen Brutkästen, und ihre Gehirne waren mit der Matrix verbunden, die ihnen eine andere Wirklichkeit vorgegaukelt hat. Hier geht es darum, dass die ganze Welt nur in einem Computer stattfindet, der natürlich um ein Vielfaches leistungsfähiger sein müsste als unsere ganzen Maschinen zusammengenommen.«

      »Mir hat ›Matrix‹ gut gefallen, aber ich glaube, ihr habt schon zu viel Glühwein intus«, meint Hanna und grinst. »Wollt ihr auch mal?«

      Sie hält die Tüte mit Mandeln in die Runde, was begeisterten Zuspruch auslöst.

      Jonesy leert seine Tasse. »Ich teste das mal.«

      Er geht zu dem Mann mit Hut, und der Reste der Gruppe blickt ihm gespannt nach.

      »Ihr Physiker seid ein seltsames Volk«, sagt Hanna nach ein paar Augenblicken, wendet aber den Blick nicht von Jonesy ab.

      »Wahrscheinlich kriegt Jonesy einen Platzverweis, weil er die Leute anpöbelt, und ich kann mir für nächstes Jahr einen anderen Mitmusiker suchen«, witzelt sie.

      »Wenn sie rauskriegen, dass du auch dazugehörst, darfst du auch hier nicht mehr auftreten«, kontert Andi. Hanna knufft ihn in die Seite.

      Jonesy verabschiedet sich mittlerweile von dem Mann, der immer noch steht, und kommt wieder zum Stehtisch.

      »Und?«

      »Er meinte, dass rot auf alle Fälle gelber ist als blau. Außerdem ist er sich nicht sicher, ob er sich eine Bratwurst kaufen soll, weil die früher auf dem Markt hier besser waren, aber den Metzger von früher gibt’s leider nicht mehr.«

      »Also ›echt‹?«, fragt Hanna.

      »Definitiv‹, meint Jonesy.

      Hanna blickt auf die Uhr.

      »Bevor es hier zu peinlich wird und ihr beiden den ganzen Markt hier aufmischt, werde ich besser heimfahren.«

      »Och nö, so schlimm sind wir doch gar nicht.« Jonesy gibt sich gespielt empört.

      »Spaß beiseite: wir müssen Andis Mama ablösen, die macht ja den Babysitter für Laura. Ich habe ihr schon oft gesagt, sie kann sich einfach schlafen legen und das Babyfon in ihrem Schlafzimmer aufstellen, aber sie traut der Technik nicht und sitzt dann die halbe Nacht neben dem Kinderbett.«

      »Ja, leider lässt sie sich da nichts einreden«, pflichtet Andi bei.

      »Ähm, wäre es okay für euch beide, wenn ihr meine Sachen zu euch mitnehmen würdet? Ich hole sie dann in den nächsten Tagen ab, aber ich würde gerne noch ein bisschen da bleiben und Haris Theorie testen.«

      »Klar, gib her.«

      Andi schultert Jonesys Gitarre und nimmt die Tasche mit den Kabeln und dem Rest.

      »Vielen Dank! Soll ich die Sachen mit zum Auto tragen?«

      »Nö, das geht. Ist ja nicht so weit.«

      »Ihr seid die Besten!«

      »Wissen wir!«, sagt Hanna. »Viel Spaß mit eurer Theorie, bleibt anständig! Dass mir keine Klagen zu Ohren kommen!«

      Sie droht Jonesy und Harald mit dem Finger, grinst aber.

      »Immer!«, erwidert Jonesy.

      »Wir arbeiten streng wissenschaftlich!«, fügt Harald hinzu.

      »Da mache ich mir bei euch beiden keine Sorgen!«, lacht Andi.

      22: 21: 19

      »Eigentlich erstaunlich, was die Leute einem alles erzählen.«

      Jonesy kommt zurück zum Stehtisch und hat zwei neue Tassen Glühwein dabei.

      »Stimmt«, pflichtet Harald bei. Er und Jonesy haben im Wechsel potentielle Kandidaten ausgespäht und befragt. So richtig erfolgreich im Sinne einer Bestätigung der Theorie war die Aktion bislang nicht. Fast jeder der Befragten hat irgendwie menschlich reagiert. Klar, ein paar sind dabei, die den Kopf schütteln und im Weggehen vor sich hin murmeln, aber selbst die wirken echt.

      Also ist die Theorie falsch? Es gibt nur echte Menschen? Naja, das sei mal dahingestellt, eine stichprobenartige Aktion auf einem Weihnachtsmarkt ist jetzt statistisch nicht sonderlich belastbar.

      »Alles richtige, echte Menschen, so weit das Auge reicht.«

      Jonesy nickt. »Ja, sieht so aus.« Er zögert kurz. »Aber vielleicht befragen wir ja auch die falschen.

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