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Fritz Gezeiten des Lebens-Ebbe,Flut und Sturmfluten. Ernst-Otto Constantin
Читать онлайн.Название Fritz Gezeiten des Lebens-Ebbe,Flut und Sturmfluten
Год выпуска 0
isbn 9783347116788
Автор произведения Ernst-Otto Constantin
Жанр Биографии и Мемуары
Издательство Readbox publishing GmbH
Zur Werner-von-Siemens-Schule radelte er bei Wind und Wetter jeden Tag. Das waren immerhin ca. 6 km.
Dumm nur war, er musste in den Konfirmandenunterricht. Er fand ihn lästig. Vieles verstand er nicht, aber da war Tante Pauli unerbittlich. Er lernte das Vaterunser, die 10 Gebote und was Gott alles verboten hat. Sonst langweilte ihn das.
Die neue Schule legte die Versäumnisse der letzten Jahre offen. Fritz blieb sitzen mit seinen 13 Jahren, und nochmal das Ganze. Begeisterung wollte nicht aufkommen.
Eine Jahresarbeit war angesagt. Sein Thema: Die Industrie der Stadt Hannover. Fritz radelte die großen Industriebetriebe ab, wie Continental, Bahlsen, Pelikan, Kabelunion und andere. Eine Unmenge an Material, das man ihm gerne gab, sammelte sich auf diese Weise an.
Bei der Stadtverwaltung gab es ein Wirtschaftsamt. Die Mitarbeiter dort waren sehr hilfreich, gaben ihm Tipps, ganz viele Statistiken und Übersichten über die Industrie dieser Stadt. Das war ein Volltreffer.
Zum ersten Mal machte ihm eine solche Aufgabe Freude. Er entdeckte, wie bedeutsam die Industrie für diese Stadt und die Arbeitnehmer war, dass so viele Familien davon lebten und die Stadt Einnahmen davon hatte, die sie dringend brauchte. Er erkannte die Wechselwirkungen innerhalb der Wirtschaft.
Diese Jahresarbeit gelang. Stolz gab er sie ab. Tante Pauli hatte seine unglaublich vielen Rechtschreibfehler beseitigt.
Die Ergebnisse wurden Wochen später verkündet. Er hatte den Vogel abgeschossen, die beste Arbeit des Jahrgangs, ja, der ganzen Schule. Als Prämie erhielt er ein Buch über Theodor Heuss, den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, mit dessen persönlicher Widmung.
Glücksgefühle hatte er bei diesem Erfolg, aber der Rest der Schule war ihm lästig, sie war langweilig und einfach blöd. Die Zeugnisse waren nahezu immer eine Katastrophe.
Fritz wurde konfirmiert. Hurra, der Konfirmandenunterricht war jetzt Geschichte. Er war froh, dass das endlich hinter ihm lag. Aber eine besondere Nähe zu Gott hatte ihm das nicht gebracht. Das meiste verstand er auch gar nicht.
1951 wurde Fritz 14 Jahre alt. Mutter holte ihn und seine Schwester zu sich. Sie bewohnte in Hannover in der Schaufelderstraße im 3. Stock einen Teil einer Wohnung. Der andere Teil wurde von der Vermieterin bewohnt.
Jeden Samstag war Treppenhausreinigung angesagt. Jeden Tag zwei volle Schütten Eierbrikett aus dem Keller ins dritte Stockwerk schleppen. Abwaschen, Zimmer sauber halten, das kannte er ja schon alles. Freunde fand er nicht. Der Zoo war ganz nahe. Viele Stunden verbrachte er bei den Tieren. Zur Schule ging es mit der Straßenbahn.
Seine Schwester machte keinen Finger krumm, es sei denn, sie bekam 50 Pfennige. Fritz hatte nie Geld gefordert. Ihn wurmte das: die bekommt Geld und er nichts.
Fritz verliebt sich und wird Schiffsjunge
Mutter hatte eine Freundin. Die betrieb einen kleinen Buchladen am Volgersweg am Raschplatz. Gegenüber lag damals das Gefängnis, in dem Mutter arbeitete. Fritz ging, wann immer möglich, mit, nicht der Bücher wegen, aber das Lehrmädchen hatte es dem siebzehnjährigen Fritz angetan. Es muss im Mai gewesen sein. Er fing Feuer in seinem Herzen. Sie war wunderschön. Ja, er hatte schon eine Freundin, aber die war nichts gegen dieses Mädchen. In ihm tobte ein Orkan, so oft er sie sah. Er traute sich nicht, ihr seine Zuneigung zu offenbaren. Sieglinde hieß sie. Bedrückend war, dass sie für ihn nicht mehr als nur höfliche Freundlichkeit übrighatte. Er fand viele Gründe, wieder und wieder diesen Laden aufzusuchen. Aber ein freundliches „Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“ war alles, was sie rausbrachte. „Ach, ich möchte mir gerne ein paar Bücher ansehen.“ Er zog stets mehr als zehn aus den Regalen. Er ließ sich Zeit dabei und blätterte lange in den Seiten von Büchern, die ihn nicht im Geringsten interessierten. Er ließ sie schließlich liegen, weil die Zeit drängte. Später erfuhr er, dass sie stinksauer auf ihn war, weil sie die rausgekramten Bücher immer wieder an ihren Platz sortieren musste. Wenn Fritz den Laden betrat, dachte sie: “Oh je, der nun wieder.“ Ziemlich oft erschien ein Junge gleichen Alters. Günter nannte sie ihn. Der kannte wohl etwas die Hausgelegenheit, half Kohlen aus dem Keller für den Ofen des Ladens zu holen und machte Botengänge. An seiner rechten Hand hatte er nur den Daumen und den kleinen Finger. Warum die anderen Finger fehlten, erschloss sich Fritz nie. Nicht selten holte er aus seiner Hosentasche eine Mundharmonika und spielte ihr etwas vor, indem er die Mundharmonika gekonnt zwischen Daumen und kleinen Finger klemmte. Das hörte sich wirklich gut an. Fritz sah, dass sie sich freute, wenn er kam. Verdammt, das sah nicht gut aus für Fritz.
Später freundete sich seine Schwester mit ihr an. Das sah nach einer Gottesfügung aus. Seine Schwester wusste ihre Adresse. Mutter hatte aus dem Lastenausgleich 5.000 DM erhalten und pachtete eine Pension in Bad Oeynhausen. So wurde Sieglinde gelegentlich nach Bad Oeynhausen eingeladen, – und sie kam.
In den Ferien fuhr er immer mit dem Rad von Hannover nach Bremen zu Großmutter, zu der sich eine ganz enge Bindung entwickelte und später eine große Liebe. Aus seiner Sicht hatte sie nur zwei Macken: Man musste jeden Sonntag mit ihr zur Kirche und dann die ständigen Ermahnungen: „Junge, du musst die Schule anständig machen, sonst kannst du nicht einmal Schuster werden.“ Wenn er in Bremen war, gab es für ihn zwei Ziele, den Überseehafen und das Völkerkundemuseum am Bahnhof. Die Matrosen auf den großen Handelsschiffen sahen keineswegs nach Romantik aus. Er registrierte schon, dass die schwer arbeiten mussten. Das waren Entdeckungen, die später sein Leben völlig verändern sollten. Faszinierende Welten entdeckte er. Großmutter versprach er, niemals Schuster zu werden.
In der Schule kündigte sich inzwischen die nächste Katastrophe an. Das Zeugnis stand stramm auf Sitzenbleiben. Alle Klassenarbeiten mussten von Mutter unterschrieben werden. Jetzt fing die auch noch mit dem Schuster an!
Die Hinterlist
Fritz bewarb sich im Januar 1955 zur Vorausbildung auf der Schiffsjungenschule Schulschiff Deutschland. Zu seiner Überraschung erhielt er eine Zusage. Mutter wusste davon nichts. Voraussetzung für die Erlangung eines Seefahrtbuches war die Zustimmung des Erziehungsberechtigten. Damals wurde man erst mit 21 volljährig.
Fritz fand einen Weg: Er sammelte 6 Klassenarbeiten, legte sie so übereinander, dass die nur die Unterschriftenleiste zu sehen war, und mittendrin befand sich die Zustimmungserklärung für den Besuch der Schiffsjungenschule und für das Seefahrtbuch. Als sie eines Morgens aus der Nachtschicht kam, bat er seine Mutter um die Unterschriften: „Schau dir die Zensuren gar nicht erst an, du kannst dich auch so ärgern. Die Arbeiten sind alle vergeigt.“ Sie war abgespannt vom Dienst, unterschrieb resignierend, auch die Zustimmungserklärung, die sie für eine Klassenarbeit hielt. – So, das war geschafft. Fritz fing die Post täglich ab.
Er wurde tatsächlich zum Dienstantritt am 15. Januar 1955 auf das Segelschulschiff Deutschland einbestellt. Anfang Dezember meldete sich Fritz unter Vorlage des Bescheids der Schiffsjungenschule in Bremen und der „Zustimmung seiner Mutter“ von der Schule in Hannover ab. Das ging ganz reibungslos. Er erhielt sein Abschlusszeugnis. Darin stand lediglich: Fritz hat seine 8 Pflichtschuljahre erfüllt, nichts sonst, auch keine Zensuren. Fritz war erleichtert. Das Schlimme war nur, es mussten 400 DM Ausbildungskosten an den Schulschiffverein bezahlt werden.
Bis zum Morgen des 13. Januar 1955 war Mutter völlig ahnungslos. Nach dem Frühstück erklärte er ihr:
„Übermorgen früh fahre ich nach Bremen. Ich habe die Schule beendet und fahre zur See.“
Mutter saß wie angewurzelt auf ihrem Stuhl. Sie bekam ein versteinertes Gesicht und fragte, ob das ein Scherz sei.
„Ich will kein Schuster werden und fahre zur See. Das Schulschiff Deutschland in Bremen hat mich angenommen. Tut mir leid, aber das kostet 400 Mark.“
Mutter rang nach Luft. Schließlich stand sie auf. Eine schallende Ohrfeige – so, wie er sie noch nie von ihr erhalten hatte – war so etwas wie eine Quittung.
„Du