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ich kann dann nichts mehr für dich tun. Und vierhundert Mark sind meine gesamten Ersparnisse. Das ist alles, was ich habe.“

      Fritz rief Großmutter in Bremen an: „Großmutter, versprochen, ich werde kein Schuster. Ich fahre zur See. Am 15. Januar fange ich auf dem Schulschiff Deutschland an. Ich habe aber noch ein kleines Problem, ich brauche für die vorgeschriebene Ausrüstung 150 DM. Bitte, dann ist die Schusterkarriere Geschichte.“ Großmutter war stumm.

      „Hallo, bist du noch da? Um 10: 00 Uhr komme ich in Bremen an. Bitte hilf mir.“

      Großmutter holte Fritz vom Bahnhof ab. Tieftraurig riet sie ihm, lieber wieder zur Schule zu gehen. Sie gab ihm 160 DM und brachte Fritz zum Hafen. Sein Gepäck bestand aus einem kleinen Koffer. Da war alles drin, was er aus seiner Sicht brauchte.

      Unbemerkt sollten neue Unwetter in seinem neuen Leben aufziehen, die zum Orkan wurden.

       Auf dem Schulschiff Deutschland

      Auf dem Schulschiff bekam Fritz seine Ausrüstung und eine Hängematte. 60 Schiffsjungen lernten zuerst, die Hängematte richtig zu zurren. Dann folgte eine Einweisung in die Tagesabläufe und die Arbeitseinteilung. Fritz hatte Glück. Ihm wurde die Heizung zugewiesen. Ein toller Job, weil es da unten warm war und ihm die Arbeit an Deck in der Kälte erspart blieb. Knoten und Spleißen wurde unter Deck gelernt. Theorie und Praxis wechselten ab. Die Seemannssprache war so ganz anders. Tampen3, Schäkel4, Wanten5, Coffeynagel6, Gei7 und Preventer8, Backschaft9, Backen und Banken10. Wecken hieß jetzt „Reise reise“, Geländer „Reling“ und die Windabweiser auf der Brücke hießen „Nocken“11, es nahm kein Ende. Fritz sog das alles in sich auf und war glücklich, dem Schusterleben entronnen zu sein. Die anderen Jungen hatten alle etwas mehr Geld zur Verfügung. Sie erfanden eine nicht ganz saubere Vermehrung ihres Geldes – Schmuggeln. Zigaretten schmuggeln schien ein einträgliches Geschäft zu sein. Das war Fritz zu heiß. Vor allem machten das inzwischen alle. Der „Markt“ schien ihm auch nicht lohnenswert.

      Ihm fiel ein, dass in dem Kiosk vor dem Bahnhof im Schaufenster Postkarten mit der Ansicht vom Schulschiff Deutschland angeboten wurden. In seiner Freizeit nichts wie hin zum Kiosk. „Was kosten die bitte?“ Fünfzehn Pfennige war der Preis pro Stück. „Und wenn ich 70 kaufe?“ Der Preis war dann nur zehn Pfennige. Gekauft, und das Beste, mehr hatten die nicht. Man könne aber nachbestellen. Allerdings bat er auch um die Karte aus dem Schaufenster. So konnte erst mal kein anderer auf die Geschäftsidee kommen. Natürlich hielt er seine Bezugsquelle geheim.

      Zurück an Bord. In 3 Stunden waren alle Karten für 50 Pfennige das Stück verkauft, weil jeder eine solche Postkarte nach Hause schicken wollte. Somit waren 35 DM im Sack. Flugs zog er los und kaufte 70 Briefmarken. Für 0,20 DM das Stück. Mehr kostete das damals nicht. Das machte 14 DM. An Bord verlangt er 0,30 DM. Sein Konto wuchs jetzt um 21 DM. Der Handel war perfekt.

      Fritz orderte weitere 70 Postkarten und kaufte das entsprechende Porto. Wieder war alles in kurzer Zeit verkauft. Fritz leistete sich sein erstes Bier und eine Zigarre. Er kam sich wie ein König vor. Aber sonst blieb er bescheiden. Trotzdem, etwas stolz war er schon. Endlich mal Erfolg!

      14 Tage vor Ende der Ausbildung auf dem Schulschiff Deutschland bewarb er sich bei der Deutschen Dampfschifffahrtsgesellschaft (DDG) „Hansa“ in Bremen. Die nahmen ihn auch. Sein erstes Schiff war die MS Lichtenstein. Gleich nach dem Ende der Vorausbildung konnte er in Bremen anmustern. Ihm standen 12 Monate als Moses (Schiffsjunge) bevor, 12 Monate Jungmann, 12 Monate Leichtmatrose und dann endlich die Matrosenprüfung.

      3 Tampen = Leinen-Ende

      4 Schäkel = Mit Bolzen verschließbarer, U-förmiger Haken zum Verbinden von Ketten, Seilen und Tauen

      5 Wanten = Taue zur seitlichen Abstützung der Masten eines Segelschiffs

      6 Coffeynagel = Belegnagel: ein durch ein Brett gesteckter Holz- oder Metallstift, an dem Leinen befestigt (belegt) werden.

      7 Gei = Flaschenzug zum Stellen („Aufgeien“) der Ladebäume

      8 Preventer = Starker Draht von der Ladebaumnock zu einer Klampe an Deck niederführend, um den Ladebaum in einer Stellung zu fixieren.

      9 Backschaft = Arbeiten in der Messe, Abwasch; zum Teil auch Küchendienst.

      10 Backen und Banken = Den Tisch (die Back) zum Essen decken, das Auftragen der Speisen, die Einnahme der Mahlzeit, das Abdecken des Tisches und die Reinigung des Essgeschirrs.

      11 Die Balkonen ähnelnden Nocken sind der offene Teil der Brücke zu beiden Seiten.

       Fritz fährt zur See

      Die MS Lichtenstein war brandneu. Sie machte erst ihre zweite Reise. Es ging in den Persischen Golf, unter anderem mit all den Geschenken, die der Schah von Persien und seine Frau Soraya bei ihrem Deutschlandbesuch erhalten hatten. Die Lichtenstein war ein ganz neuartiges Schwergutschiff. Sie konnte mit eigenem Ladegeschirr 150 t heben. Zwei große Lokomotiven und Güterwagons wurden mit unendlich viel anderem sperrigen Stückgut an Deck genommen.

      Fritz musste zuvor zum Seemannsamt, um in die Musterrolle und ins Seefahrtbuch eingetragen zu werden. Die Gesundheitskarte hatte er schon. Ohne sie keine Anmusterung.

      Mit allem ausgerüstet kaufte er sich einen Seesack und entsorgte seinen Koffer. Fritz sollte sich beim Bootsmann melden. Mit Herzklopfen stieg er mit seinem Zampel (Seesack) über eine lange Gangway an Bord. Einige finster aussehende Matrosen begegneten ihm, bis er endlich den Bootsmann fand.

      „So, du bist der neue Moses. Komm, ich zeig dir deine Kammer.“

      Auf dem Weg dahin fragte er: „Hauptschule oder Abitur?“

      „Hauptschule.“

      „Dann kriegst du die Unterkoje in einer Zweimannskammer, dann Koje bauen und Arbeitszeug an takeln.“

      Er zeigte Fritz die Mannschaftsmesse, in der er eine Woche lang „auf- und abbacken“12 müsse. Jeden Tag die Waschhäuser putzen samt Toiletten, die Mannschaftsmesse und den Betriebsgang sauber halten. Inzwischen war der zweite Moses eingetroffen. Er kam von einer anderen Schiffsjungenschule. Er musste sich für die Decksarbeit klar machen. Der Bootsmann stellte die beiden Neuen abends in der Messe der übrigen Decksbesatzung vor, die das schweigend zur Kenntnis nahm. Jedenfalls war das alles keine sonderlich freundliche Begrüßung. Schlussendlich ging er noch mit den beiden zum ersten Offizier. Der nahm die Jungen schweigend zur Kenntnis. Irgendwie hatte Fritz sich das alles anders vorgestellt. Sein Reich war für eine Woche die Pantry13, die zwischen Kombüse14 und Messe15 lag.

      Zum Abendbrot war schon Aufbacken, Bedienen, Abbacken, Geschirrspülen, Pantry und Messe sau- bermachen angesagt. Jede Menge Kakerlaken gab es auch. Die Biester waren blitzschnell und verschwanden in unerreichbaren Ritzen, Ecken oder an anderen unzugänglichen Stellen. So wurde er mit mäßigem Erfolg zum Kakerlaken-Jäger. Er hatte nicht den Eindruck, dass die Viecher sich reduzieren ließen.

      Schließlich hieß es: „Klar vorne und achtern.“ Lotse und Schlepper kamen. Gangway an Bord, Leinen los, und los ging es weserabwärts.

      Sein Kollege Johnny wurde vorne, also am Bug, eingeteilt. Das sei auch sein zukünftiger Platz beim Ein- und Auslaufen Er bekam die 12/4 Seewache (12: 00 bis 16: 00 Uhr und 00: 00 bis 04: 00 Uhr).

      Auf der Revierfahrt auf der Weser bis Bremerhaven wurde seeklar gemacht. Das hieß Ladebäume zurren, Luken schließen, Trossen und Tampen verstauen und alles, was an Deck herumlag, in die Deckshäuser sauber aufräumen. Die Laschings16 der Deckslast wurden noch einmal geprüft und die Gangway verzurrt. Das sah alles nicht nach leichter Arbeit aus. Die Kammer der Jungen lag offenbar über einem Hilfsdiesel. Das musste dem Lärm nach zu urteilen eine gewaltige Maschine sein.

      Erschöpft, verunsichert und auch etwas verängstigt stieg Fritz in seine Koje und schlief bald ein. Morgens um halb sechs hieß es fortan „Reise, reise“ – aufstehen. Duschen,

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