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seine Finger an meinen Hals. Ich rolle mich zur Seite und jage ihm eine Kugel ins Kinn. Sein Blut und vielleicht auch ein Teil seines Gehirns spritzen auf den zweiten. Er greift panisch zu seiner Waffe und schießt wild drauf los. Ich bin währenddessen hinter ein Auto geflüchtet. Als er sein Magazin leergeschossen hat, renne ich auf ihn zu und schieße ebenfalls. Zu seinem Unglück treffe ich. Nun nehme ich auch noch seine Waffe und renne in Richtung Krankenhaus. Es müssten von hier noch ungefähr 1000 Meter sein. Das sollte relativ schnell zu schaffen sein.

      Ich denke an meinen Vater und meine Mutter, die sich dem CS widersetzt haben und das mit ihrem Leben bezahlt haben. Sie wurden kaltblütig abgeschlachtet. Kurz vor dem Krankenhaus verstecke ich meine beiden Waffen hinter einem Busch und versuche mir den Ort einzuprägen. Um besonders viel Aufmerksamkeit zu bekommen, renne ich in die Notaufnahme und werfe mich auf den Boden, nachdem ich wild geschrien habe. Meine Taktik funktioniert, die Ärzte kommen direkt auf mich zugerannt und fahren meine Schwester und mich auf Liegen weg. Zu meiner Verwunderung fahren wir jedoch nicht wie gewohnt nach oben, sondern nach unten. Drei der anwesenden Männer sehen außerdem nicht aus wie Ärzte oder Krankenhauspersonal. Sie verabreichen uns eine Spritze und ich schlafe ein.

      Später wache ich wegen einem kalten Eimer Wasser auf und finde mich und Laura in einem dunklen Kellerraum wieder. Ich versuche aufzustehen, aber ich werde durch dicke Ledergurte gehalten. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass wir hier nicht hingebracht wurden, damit uns geholfen wird. Die schwere Metalltür öffnet sich, und ein Mann mit verzierten Gewändern, einem riesigen Turban und Goldschmuck geht mit schweren, langsamen Schritten auf uns zu. Hinter ihm werden die drei von mir erschossenen Männer und ein Wagen mit kleinen spitzen Zangen und allerlei Werkzeug und Messern hineingeschoben.

      Der erste muss ihr Anführer sein. Auch wenn ich nicht verstehe, was sie sagen, kann ich es mir denken. Sie wollen sich an mir rächen. Der Anführer gibt ein Handzeichen und ein kleiner fetter Typ aus der Ecke nimmt sich fröhlich eine Zange vom Wagen und geht langsam auf Laura zu. Mir ist klar, ich muss mich lösen und uns hier rausholen. Da spüre ich einen leichten Druck unter mir. Es ist das kleine Schweizer Taschenmesser, was mir mein Vater zu meinem achten Geburtstag geschenkt hat. Ich trage es seitdem in meiner hinteren Hosentasche. Langsam bewege ich meine Hand und umfasse es. Ich klappe leise die Säge aus und fange an, den Gurt zu bearbeiten. Aber was mache ich, wenn ich mich lösen kann? Ich bin allein, nur mit einem mickrigen Taschenmesser, und sie sind sechs Mann mit Pistolen und Gewehren. Ich muss improvisieren, also säge ich weiter, bis die Gurte gelöst sind, stürze mich dann so schnell wie es geht auf den Bastard neben Laura und ramme ihm meine stumpfe Klinge in den Hals. Ich packe ihn, nehme seine Waffe, stoße Lauras Liege um und benutze sie als eine Art Schutzschild, um den Kugelhagel abzuwehren. Als sie endlich nachladen oder ihre Pistolen ziehen wollen, ballere ich los und drehe mich von links nach rechts, bis das Magazin leer ist. Das Schreien der Bastarde hat sich währenddessen in ein leises Röcheln verwandelt.

      Alle liegen nun regungslos am Boden, bis auf den Anführer. Er hat nur einen Schuss in sein linkes Bein abbekommen und robbt in Richtung Tür. Ich gehe auf ihn zu, stoppe ihn mit meinem Fuß, drehe ihn auf den Rücken und schlage ihm mit der Rückseite meines Gewehres den Schädel ein.

      Jetzt laufe ich zu meiner Schwester, die zum Glück nichts gesehen hat, und inspiziere sie. Sie ist nur leicht verletzt. Eine leichte Verbrennung und eine Quetschung. Ich nehme sie auf den Rücken und suche langsam und vorsichtig den Ausgang. Draußen angekommen, laufe ich zu einem Polizisten, dem ich vertraue und lasse mich von ihm zu einem richtigen Arzt bringen. Hoffentlich werden wir in Zukunft in Ruhe gelassen und leben in Frieden.

      (Aaron Holzhäuer)

       Zweite Geschichte

       „Oh wow, das war wirklich eine spannende Geschichte“, sage ich und auch die Anderen scheinen ziemlich aufgebracht. Ein Mädchen, das mir in den letzten beiden Tagen noch nicht wirklich aufgefallen ist, sagt schüchtern: „Kann ich vielleicht die nächste Geschichte erzählen?“ Natürlich stimmen alle zu. Sie nennt ihre Geschichte „Auf der Flucht mit nur 51/2“ und beginnt.

      Mein Name ist Greta. Ich bin 15 Jahre alt und lebe in Berlin. Ich wohne mit meinem Vater im Prenzlauer Berg in einer Wohnung. Für mich ist es normal, dass ich ein Dach über dem Kopf habe oder mir immer etwas aus dem Kühlschrank nehmen kann, wenn mir danach ist. Mein Kleiderschrank platzt aus allen Nähten, aber dennoch kann ich mir immer neue Klamotten kaufen. Ich habe ein Zuhause, in dem ich mich wohl und geborgen fühle und wohin ich immer wieder zurückkehren kann. Jedoch gilt das, was für mich selbstverständlich ist, nicht für jeden. Viele Menschen mussten aus den verschiedensten Gründen fliehen oder müssen es heutzutage immer noch. So hatte es auch meine Oma getroffen, die im Zweiten Weltkrieg ihr Zuhause unfreiwillig, mit nur fünfeinhalb Jahren verlassen musste. Das hat sie mir darüber erzählt:

      „Ich wohnte mit meiner Familie in Schlesien. Es war im Januar 1945. Ich weiß noch ganz genau, wie wir an einem Sonntagmittag mit der ganzen Familie, bestehend aus Uroma, Oma, Opa, Mutter und Onkel, Klöße und Rouladen aßen, als russische Soldaten in unser Haus gestürmt kamen. Ihre Gewehre richteten sie auf uns. Wir mussten alles sofort stehen und liegen lassen und durften nur kurz ein paar Kleinigkeiten zusammenpacken. Alle Schlesier wurden vertrieben. Nun begann die Flucht Richtung Westen, ins Ungewisse. Wir waren lange unterwegs, meistens zu Fuß. Manchmal war auch ein Pferdegespann unsere Rettung. Ich war noch so klein, dass ich nicht verstanden habe, warum wir nicht nach Hause konnten. Ich weinte und schrie, doch das hat meiner Mutter keine bessere Laune gemacht. Meine Beine taten mir schrecklich weh, auch wenn ich oft getragen wurde, weil ich zu langsam für die Anderen lief. Das viele schutzlose und ziellose Laufen endete oft mit Erschöpfung und leerem Magen. Geschlafen haben wir sehr oft in Scheunen im Stroh. Wir haben tagelang nicht genug, bis gar kein Essen bekommen. Der Hunger war unser ständiger Begleiter. Es gab immer wieder Bauern, die uns kein Essen geben oder uns nicht bei sich schlafen lassen wollten. Einige wollten einen Gegenwert, wie Bettwäsche, Besteck oder Schmuck, doch den konnten wir ihnen nicht bieten. Uns blieb nichts anderes übrig, als zu betteln. Es gab zum Glück auch immer wieder Menschen, die uns ein wenig abgaben, worüber wir mehr als glücklich waren. Doch da Essen allgemein sehr knapp war in der Zeit, gab es viele Tage ohne auch nur einen Bissen Brot oder einen Schluck Wasser.

      Wir waren zu sechst unterwegs: meine Uroma, Oma, Opa, Mutter, Onkel und ich. Mein Vater war nicht dabei, weil er schon lange davor als Soldat in den Krieg geschickt worden war. Meine Uroma machte es uns auch nicht besonders leicht, da sie Alzheimer hatte und immer wieder in ihrer Verwirrung weglief. Die Suche nach ihr hat meinen Onkel oft Stunden und viele Nerven gekostet.

      Ganz besonders erinnere ich mich noch an das durchdringende Heulen der Sirenen, die die Bomberflieger ankündigten. Dieses Geräusch werde ich wohl nie vergessen. Auch wenn ich noch sehr jung war, spürte ich deutlich die Angst und Furcht, die dieser Klang in mir und jedem Einzelnen auslöste. Wenn sich ein Bunker in der Nähe befand, waren wir froh und versuchten so schnell wie möglich dort unterzukommen. Meine Mutter packte mich immer fest an meinem Arm, damit ich in den Menschenmassen nicht verlorenging. Die Bunker waren beängstigend eng und stickig. Man konnte die Angst, Panik und Unsicherheit in den Augen der Leute sehen. Man hörte, wie die Bomben den Boden trafen und alles zerstörten, und jeden Moment hätte eine Bombe über uns einschlagen können und alles wäre zugeschüttet gewesen. Das Einzige, was wir machen konnten, war hoffen, dass es bald vorbeiging. Doch die Zeit in den Bunkern schien endlos langsam zu vergehen. Und draußen lauerte der Tod. Sobald es eine längere Zeit ruhig war, begannen die Leute nach rechts und links zu den Anderen zu gucken und abzuwägen, ob man es jetzt wieder wagen konnte rauszugehen. Denn wenn man zu früh rausging, kann sich jeder ausmalen, was hätte passieren können.

      Als wir draußen waren, ging der Marsch gleich wieder los. Laufen, laufen und immer weiterlaufen. Unser Weg führte durch die verschiedensten Städte und Dörfer, doch wir fanden keine Unterkunft, es schien alles hoffnungslos. Unterwegs geschahen schreckliche Dinge, die ich selbst meinem Erzfeind nicht wünsche. Eines Nachts bekam ich mit, wie russische Soldaten anfingen, meine Mutter zu belästigen. Die Anderen schliefen seelenruhig und ich war zu jung, um zu verstehen, was da gerade vor sich ging, und selbst wenn, hätte ich nichts gegen drei große, starke Männer tun können. Ich musste also zusehen, wie meine Mutter vor meinen Augen von ihnen vergewaltigt wurde. Dieses

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