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      „Nein, aber so was erstaunt mich nicht sonderlich.“

      „Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wie diese Kati Holl in das Durcheinander passt.“

      „Auch dazu hab’ ich schon eine hervorragende Idee, Kai.“

      Ringel hatte gelernt, Lisas Ideen halb zu fürchten, halb zu bewundern. Sie sah seine Verwirrung und kicherte boshaft: „Du weißt doch, die meisten Morde sind Familienangelegenheiten.“

      20

      Noch am Nachmittag zog sie mit den Fotos, so nannte sie unbeirrt die Farbausdrucke, los, nachdem ein Anrufbeantworter in Berlin sie belehrt hatte, dass Kati Holl zurzeit nicht zu erreichen sei, sich aber melden wolle. Lisa hinterließ eine neutrale Botschaft. Peter Schröder schüttelte den Kopf, den Mann und die Frau hatte er nie gesehen. Sigi Bork deutete auf den Mann. „Er nennt sich Alfred Müller, aber der Name ist mit Sicherheit falsch. Er war in den letzten Wochen häufiger hier und hat sich sehr intensiv für die Schwimmerin Kati Holl – hm – interessiert.“

      Die Bewohner auf Gundas Etage erkannten beide Personen nicht wieder, Mareike Schertz dagegen wurde blass und musste sich am Türrahmen abstützen: „Woher haben Sie die Bilder?“

      „Heute Morgen gemacht, Frau Schertz. Sie kennen den Mann also?“

      „Ja, tue ich. Er heißt Werner Funke.“

      „Der Ehemann, der Ihrer Freundin Gunda, geborene Harsfeld weggelaufen ist?“

      Mareike nickte verbissen.

      „Na schön, dann werde ich zuerst mit ihm reden. Sie bekommen eine Vorladung.“

      21

      Funke wollte am Telefon den Harmlosen und Unwissenden spielen, bis Lisa ihm versprach, wenn er sich nicht sofort auf die Socken mache, werde sie zwei Streifen mit amtlichen Vorladungen in das Haus an der Elbchaussee und in die Villa seiner Schwiegereltern schicken. Sie hatte kaum aufgelegt, als Kati Holl anrief. „Was wollen Sie von mir?“

      „Ich möchte, dass Sie mir helfen, den Mörder ihrer Mutter zu überführen.“

      „Muss das sein?“

      „Sie würden so den Verdacht zerstreuen, Sie seien am Mord beteiligt gewesen.“

      „Verfluchte Inzucht.“

      22

      Werner Funke wollte anfangs alles leugnen, bis Lisa ihm die Bilder mit Mareike Schertz zeigte, wie sie das Haus in Othmarschen betrat und verließ. Danach schüttelte Funke den Kopf. „Ich hätte es mir denken können.“

      „Was, Herr Funke?“

      „Dass Mareike versuchen wird, mir den Mord anzuhängen.“

      „Wie das? Wer denn sonst hat Ihre Frau Gunda erstochen?“

      „Ich weiß es nicht, ich weiß nur – ich war es nicht.“

      „Können Sie mal der Reihe nach erzählen?“

      „Es wird eine lange Geschichte.“

      „Wir haben viel Zeit, Herr Funke. Sie sind also Katis Vater und Gundas Ehemann.“

      „Sehen Sie, da geht es schon los. Juristisch bin ich Katis Vater, weil ich in der vom Gesetz definierten Frist mit Gunda Harsfeld verheiratet war. Aber zum Zeitpunkt der Eheschließung war sie schon schwanger, und zwar nicht von mir.“

      „Sondern von wem?“

      „Sie können mich foltern, ich weiß es nicht. Ich kannte Gunda und ihre Eltern, weil meine Familie ein Haus neben den Harsfelds besaß. Ich habe mehr als einmal die störrische und aufdringliche Gunda beim Spielen im Sandkasten verhauen. Eines Tages erschien Gundas Vater bei mir – ich studierte Maschinenbau in Aachen – und bot mir ein Vermögen an, wenn ich heimlich Gunda heiraten und mich als Vater des Kindes bekennen würde, das Gunda erwartete …“

      „Von wem …?“, unterbrach Lisa resolut.

      „Das weiß ich bis heute nicht, das müssen Sie mir einfach glauben. Bodo Harsfeld, Gundas Vater, hat mit mir einen Vertrag aufgesetzt. Ich würde ein Vermögen für die Heirat bekommen, allerdings nur unter der Bedingung, dass nie ein Mensch von diesem Geschäft erfahren dürfe, und ich nie versuchen würde, den Vater – den Erzeuger – des Kindes herauszufinden.“

      „Moment mal!“, stoppte Lisa energisch. „Das muss doch viele Jahre zurückliegen, wenn Kati Holl oder Funke heute etwas über zwanzig Jahre alt ist.“

      „Richtig.“

      „Zu der Zeit war ein uneheliches Kind doch kein moralischer oder gesellschaftlicher Genickbruch mehr.“

      „Nein. Es sei denn, der Erzeuger hätte sich strafbar gemacht oder ein gesellschaftliches Tabu gebrochen und wollte nicht entdeckt werden.“

      „Haben Sie da einen Verdacht?“

      „Nein. Ich habe mir nach dem Angebot zurechtgelegt, dass es etwas mit einer Erbschaft und irgendwelchen Testamentsbestimmungen zu tun gehabt hat. Aber wissen tu’ ich das bis heute nicht.“

      „Na schön. Fahren Sie fort, Herr Funke.“

      „Wir haben in Südfrankreich geheiratet, sind nach der Geburt noch einige Zeit in Sète geblieben und als glückliches Paar mit einer hübschen, gesunden Tochter von neun oder zehn Wochen nach Deutschland zurückgekehrt.“

      „Glücklich …?“, zweifelte Lisa.

      „Nein, ich war nicht glücklich, Frau Hauptkommissar.“

      „Gab es dafür einen bestimmten Grund?“

      „Oh ja, ich durfte meine Ehefrau nicht anfassen, geschweige denn mit ihr schlafen.“

      „Hat sie dafür einen Grund angegeben?“

      „Nein, und wenn ich mich beschwerte, hieß es nur: ‚Du bist großzügig bezahlt worden‘ – was auch stimmte – ‚aber ich war und bin in diesem Handel nicht inbegriffen‘. Also begann ich fremdzugehen. Ganz diskret natürlich. Aber eines Tages, kurz vor Ende meines Studiums, habe ich meine angetraute Frau mit ihrem Vater im Bett erwischt, und da ging mir auf, dass ich doch ein sehr schlechtes Geschäft gemacht hatte. Gunda wollte sich um keinen Preis scheiden lassen. Mit meinem Schwiegervater habe ich dann ausgehandelt, dass ich ohne Aufsehen verschwinden und keine Scheidung einreichen würde, und über das, was ich gesehen hatte, immer schweigen würde. Bodo Harsfeld hatte mir zugesichert, dass Gunda ebenfalls schweigen, ihre Karriere als Schauspielerin aufgeben und sich sozusagen aus der Öffentlichkeit zurückziehen würde.

      In früheren Jahrhunderten hätte man solche missratenen Töchter wohl ins Kloster gesperrt, das ging ja leider nicht mehr. Also habe ich mich verdünnisiert und meine Freiheit genossen. Bis ich auf einem Trip durch Brasilien dort die Unternehmer-Familie Wehlern kennenlernte; die Tochter Anna-Maria, ein blasses Mauerblümchen, schlief bald mit mir, und die Eltern waren nicht böse, dass wir in Belo Horizonte heirateten. Im Gegenteil.

      In Deutschland ging alles glatt, ich hatte zwar kräftig Muffensausen, als wir nach Hamburg zogen; denn aus einer Zeitung wusste ich, dass die Schauspielerin Gunda Harsfeld ebenfalls in Hamburg lebte.“

      „Zurückgezogen …?“, warf Lisa ein.

      „Nein. Im Gegenteil. Wer abends Zeit hatte fernzusehen, konnte Gunda fast jede Woche in einer Minirolle bewundern. Mal mit viel, mal mit wenig Garderobe.“

      „Haben Sie Gunda auch bewundert?“

      „Nicht bewundert. Ich habe sie gesehen, nicht oft, aber einige Male.“

      „Mir haben viele Leute erzählt, es sei bei ihr wie ein Drang gewesen, vor der Kamera

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