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gestorben, und Gunda musste sich danach nicht länger verstecken – oder konnte sich an ihrem Vater rächen, der sie so lange missbraucht hatte, während die Mutter wegsah, um einen Skandal zu vermeiden.“

      „Kannten Sie Kati Funke?“

      „Nein, ich habe eine Kati Holl erst kurz vor Gundas Tod kennengelernt – ja, im Bordell Exotisch und Erotisch von Sigi Bork – und da hat sie mir aus heiterem Himmel gebeichtet, dass sie eines Tages einen Brief von ihrem Großvater Bodo Harsfeld bekommen habe. Nur wenn sie sich vor aller Welt ab sofort Kati Holl nennen würde, könne sie damit rechnen, ihn, Bodo Hardfeld, einmal zu beerben. Das Argument hat bei Kati gezogen.“

      „Haben Sie sich Kati Holl als ihren Vater zu erkennen gegeben?“

      „Bin ich verrückt?! Erstens wollte ich mit ihr eine Nummer schieben und zweitens hätte sie mich umgehend erpresst. Sigi hatte mich vorgewarnt. Kati war für ihre Kunden gefährlich.“

      „Apropos verrückt? – Ist oder war Kati normal?“

      „Keine Ahnung. Überspannt, überdreht und hektisch, meinetwegen auch hysterisch – aber geisteskrank – nein. Sie möchten wissen, ob der Inzest etwas ausgelöst hat?“

      Lisa nickt bei dem Wort Inzest verlegen und Ringel bewunderte, wie elegant sie es geschafft hatte, dass Funke als Erster das Wort aussprach. Funke hustete: „Keine Ahnung, Frau Koschwitz. Ich wollte es auch gar nicht wissen. Für Kati habe ich nie väterliche Gefühle aufgebracht. Erst recht nicht, als ich ahnte, wer ihr Erzeuger war.“

      „Und Hamburg ist groß, man muss sich nicht begegnen.“

      „Besonders nicht, wenn man in so unterschiedlichen gesellschaftlichen Kreisen verkehrt“, brummte Ringel unfreundlich.

      „Haben Sie nie befürchtet, wegen Bigamie aufzufliegen?“, wollte Lisa wissen.

      „Doch. Vor allem, als feststand, dass meine Frau unheilbar an Krebs erkrankt war. In der Familie Wehlern besaß und besitze ich nicht nur Freunde, und es ist ja eine Menge zu vererben. Und dann stand eines Tages eine recht hübsche, dreiste, skrupellose und geldgierige Frau in meinem Büro. Ihre Freundin Gunda Harsfeld hätte ihr eine Menge über ihren Ehemann Werner Funke erzählt. Was sie wollte, war klar, und deshalb habe ich ein Verhältnis mit ihr angefangen.“

      „Das verstehe ich nicht“, sagte Lisa verwirrt.

      „Sie wollte Geld, und ich wollte sie etwas unter Kontrolle behalten. Ein Verhältnis schien mir da eine passable Möglichkeit, sie bei Laune zu halten.“

      Ringel schnaufte. „Sagen wir es doch offen. Sie wollten wenigstens eine kleine Gegenleistung für das, was Sie abdrücken mussten.“

      „So können Sie es auslegen, wenn Sie möchten. Wie haben sie mich überhaupt gefunden?“

      „Durch einen ungewöhnlichen Blumenstrauß in einer Grabvase in Ohlsdorf.“

      „Ja, das war vielleicht ein Schlag in den Nacken, da in Ohlsdorf auf dem Friedhof. Gunda hat mich sofort erkannt, wir konnten uns nur in aller Eile für den Nachmittag in ihrer Wohnung verabreden. Ich musste doch mit den Trauergästen vorher noch essen gehen.

      Im Wöschenhof lief mir dann Mareike Schertz über den Weg. Ich habe ihr in Kurzform die Katastrophe zugeflüstert und sie hat mir vorgeschlagen, am Berliner Platz Kuchen und Pralinen zu kaufen und dann erst bei Gunda zu klingeln. Das habe ich getan.

      Auf dem Rückweg hat mich Mareike an der Einmündung in die Kuehnstraße abgefangen, alles sei in Ordnung, sie hat mich in ihr Häuschen geschickt, weil sie bei Gunda noch aufräumen und duschen wollte, und Mareike hat mir zugeflüstert, sie hätte meine Sorgen ein für alle Mal beseitigt.“

      „Haben Sie das verstanden?“, fragte Ringel scharf und Funke schüttelte den Kopf:

      „Nein, aber so genau wollte ich es auch nicht wissen. Sie wollte, dass ich erbe, um sie weiterhin monatlich bezahlen zu können. Kurz vor Mitternacht sind wir gemeinsam in Gundas Wohnung gegangen. Mareike hatte die Schlüssel. Es war fürchterlich. Dieser schreckliche Gestank nach Blut, und in der Küche lag Gunda tot auf dem Boden, das Messer in der Brust, rings um sie herum eine Blutlache.

      Mareike hatte Gunda schon ausgezogen und die Kleidung in einen Müllsack gesteckt, außerdem Bilder von den Wänden genommen und Papiere und Unterlagen aus aufgebrochenen Schubladen zusammengetragen. Mareike hat mir geholfen, die Wohnung gründlich zu durchsuchen und alles zu beseitigen, was auf mich hinwies.

      Außerdem hatte sie eine alte Wolldecke bereitgelegt, auf die wir Gunda gelegt haben. Mit der Decke sind wir dann im Aufzug nach unten gefahren. Mareike hatte Gundas Auto schon vorgefahren. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, aber wir konnten unbemerkt die Leiche in den Kofferraum legen, um die paar Meter bis zur Rahlau zu fahren. Auch dort war um diese Zeit und bei diesem Wetter niemand unterwegs, sodass wir die Leiche ungesehen auf der Böschung ablegen konnten. Als wir wieder in Sicherheit waren, habe ich Mareike gefragt, warum sie dieses Risiko eingegangen sei, und sie hat ziemlich kaltschnäuzig geantwortet: ‚Für die Hälfte dessen, was dir deine Frau Anna-Maria dank meiner Hilfe hinterlassen wird‘.“

      Funke schwieg erschöpft, und Lisa schickte ihn in eine Arrestzelle. War es so abgelaufen? Oder hatte er geschickt die Chance genutzt, dass er früher als Mareike aussagen konnte, um alle Schuld auf sie zu schieben?

      23

      Mareike wurde wenig später vorgeführt und erzählte ihre Geschichte, die sich von Funkes Version nur an einem wichtigen Punkt unterschied. Sie war bei Gunda in der Wohnung gewesen, hatte sie aber nicht erstochen. Lisa und Ringel gaben sich alle Mühe, aber Mareike ließ sich nicht erschüttern. Erpressung, Beihilfe, ja, kein Protest, aber den tödlichen Stich hatte Funke ausgeführt. Ja, Gunda hatte eines Abends etwas viel Rotwein getrunken und von ihrem gekauften Ehemann Werner Funke erzählt, der wenige Jahre nach der Heirat aus „unerfindlichen Gründen“ das Weite gesucht habe, worauf ihr Vater, um einen Skandal zu vermeiden, sie gezwungen habe, die Schauspielerei an den Nagel zu hängen und Hausmütterchen zu spielen.

      Mit dem Namen, der letzten Adresse und Funkes Beruf war es für Mareike nicht allzu schwierig gewesen, Werner Funke in Hamburg aufzutreiben, der zu ihrer Verwunderung wieder verheiratet war, obwohl Gunda hoch und heilig versichert hatte, sie sei nie von Funke geschieden worden.

      Lisa und Ringel traten bei der Staatsanwältin an, die sehr interessiert zuhörte, aber zum Schluss den Kopf einzog: „Was sagt denn unser verehrter Leichenschnitzer?“

      „Ein einziger kraftvoller Stich, es kann ein Zufallstreffer gewesen sein.“

      „Wo sind die Kleidungsstücke?“

      „Irgendwo in einem großen Müllcontainer. Funke hat Gundas Wagen auf einen Parkplatz an den ehemaligen Kasernen an der Sieker Landstraße abgestellt und seine eigenen Klamotten Stück für Stück in Mülltonnen versenkt.“

      „Gibt es keinen objektiven Hinweis darauf, wer Gunda Harsfeld erstochen hat?“

      „Bis jetzt nicht“, seufzte Lisa unglücklich, und eine so kleinlaute Hauptkommissarin Lisaweta Koschwitz hatte die Staatsanwältin Heike Saling noch nicht erlebt. Beinahe hätte sie so was wie Mitleid verspürt. Kai Ringel zuckte ratlos die Schultern.

      24

      Kati Holl meldete sich am nächsten Tag bei Lisa. Ja, sie hatte ihre Mutter an deren Todestag noch besucht, um fünfzehn Uhr waren sie verabredet, und Gunda erzählte, dass sie über Mittag in Ohlsdorf am Grab einer früheren Kollegin gewesen sei und auf dem Friedhof einen „alten Bekannten“ getroffen habe, der sie heute Nachmittag noch besuchen wolle.

      „Was wollten Sie eigentlich bei Ihrer Mutter?“, fragte Ringel spitz.

      „Ein Journalist will eine Zeitschriftenserie über mich schreiben, und ich wollte von Gunda einiges wissen: Warum uns mein Vater verlassen hatte. Warum Gunda mich ins Internat gesteckt hatte. Warum

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