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      Die nächsten Tage fuhren Lisa Koschwitz und Kai Ringel viel herum, kamen aber im Fall Gunda Harsfeld nicht einen Schritt weiter. Von der Bank lernten sie, dass Gunda in der Tat herzlich wenig Honorare verdient, aber monatlich mehr an Zinsen und Erträgen aus dem geerbten elterlichen Vermögen bezogen hatte, als Lisa brutto verdiente.

      Eine Neuigkeit konnte Lisa mitnehmen. Die Mutter war vor dem Vater gestorben. Gunda hatte zweimal geerbt, zur großen Freude des Finanzamtes.

      Sie fanden keine Freunde oder Freundinnen, Gunda hatte früher in München und Berlin gelebt und sich dort völlig unauffällig verhalten. Das Blut in der Badewanne der Wöschenhof-Wohnung stammte von Gunda, die Haare aber nicht, die fehlende Kleidung war nicht auffindbar.

      Lisa begann zu knöttern und über alles zu meckern, was ihnen auch nicht weiterhalf. Sie und Kai hatten sich angewöhnt, beim abendlichen Rotwein in seiner Wohnung regelmäßig die Filmaufnahmen, die ihnen Peter Schröder besorgt hatte, in denen die winzigen Szenen mit Gunda Harsfeld enthalten waren, anzuschauen.

      Sie hörten damit auf, als sie die Szenen praktisch auswendig kannten. Auch eine gründliche Vernehmung aller Hausbewohner brachte sie nicht weiter. Allein Sigi Bork, Eigentümer des Clubs Exotisch und Erotisch, wurde als häufiger Besucher identifiziert, der sich aber in letzter Zeit rar gemacht hatte.

      Die etwas ängstliche Gunda hätte nach übereinstimmendem Urteil aller Nachbarn nie einen fremden Menschen in ihre Wohnung gelassen, doch das Schloss ihrer Wohnungstür war weder aufgebrochen noch mit einem Dietrich geöffnet worden. Die meisten Fingerabdrücke aus der Wohnung führten in eine Sackgasse.

      Als einzige regelmäßige Besucherin in der Harsfeld-Wohnung stand nur Mareike Schertz fest, die nach einiger Zeit auch zugab, dass Gunda ihr immer wieder einmal Geld geschenkt hatte. „Schauen Sie sich doch meinen Schuppen an. Er braucht ein neues Dach, neue Fenster, eine neue Fassade. Die Heizung ist defekt, eigentlich müssten alle Wasserleitungen ersetzt werden, von den Fliesen in Küche und Bad ganz zu schweigen. Meine Eltern wollten mir etwas Gutes tun, als sie mir diese Fast-Ruine vererbten, aber wer noch keine Sorgen hat, sollte sich ein eigenes Haus, besser noch einen Altbau, zulegen. Das weiß ich allerdings erst jetzt.“ Sie fügte nicht hinzu, was Lisa und Ringel in dem Moment dachten: Warum die Gans schlachten, die für Mareike goldene Eier legte.

      Peter Schröder war aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschieden, auch Sigi Bork mussten sie streichen, nachdem sich seine Alibizeugen als korrekt herausgestellt hatten. Dass er in einem Sperrgebiet einen Edelpuff betrieb, fiel nicht in ihr Ressort, und dass er gegen Honorar gesuchte schwere Jungs versteckte, ebenfalls nicht. Ringel meinte sogar, unbezahlte Küchenarbeit sei Strafe genug, ein solches Maß an Quälerei sei in Santa Fu vom Gesetz leider verboten.

      Doch Sigi Bork atmete tief durch, als sie ihm mitteilten, dass gegen ihn kein Mordverdacht mehr bestand. „Dann kann ich Ihnen ja auch helfen“, sagte er fest. „Wahrscheinlich wissen Sie noch nicht, dass Gunda mal verheiratet war, und zwar mit einem Werner oder Walter Funke. Dieses kleine Hürchen Kati Holl ist Gundas Tochter. Das Früchtchen hat immer wieder Geld gebraucht, was Gunda ihr nur unter der Bedingung gegeben hat, dass sie sich nicht mehr Harsfeld oder Funke nennt.“

      „Sie spinnen doch“, fauchte Lisa los.

      „Nein, warum sollte ich. Fragen Sie doch Kati einmal.“

      Ringel zupfte Lisa am Ärmel ihrer Bluse. „Lisa, wir ärgern uns noch über ein paar nicht identifizierte Fingerabdrücke aus der Wohnung.“

      Sie knurrte, gab aber nach und versuchte, Sigi einen moralischen Tritt zu verpassen. „Erst mit der Mutter, dann mit der Tochter ins Bett. Bork, das ist nicht die feine hanseatische Art.“

      „Das habe ich Kati auch gesagt, aber die verabscheute ihre Mutter so sehr, dass sie es als besondere Art der Rache empfand.“

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      Borks Tipp erwies sich als goldrichtig. Zuerst leugnete Kati, den Namen Harsfeld je gehört zu haben, knickte aber ein, als die erzürnte Lisa ihr androhte, sich eine richterliche Verfügung für einen DNA-Vergleich zu besorgen. Und siehe da, Kati Holls Fingerabdrücke fanden sich in Gunda Harsfelds Wohnung. Mit dem Tod ihrer Mutter, der sie keine Träne nachweinte, wollte Kati freilich nichts zu tun haben. Nach ihrer Aussage hatte sie Gunda drei Wochen vor deren gewaltsamen Ende besucht, um von ihr über Peter Schröder ans Fernsehen vermittelt zu werden, was Gunda aber abgelehnt habe. Stattdessen habe sie Kati Namen und Anschrift von Siegfried Bork gegeben.

      „Das ist doch kein Restaurant, sondern ein Puff“, sagte Lisa ungläubig.

      „Sicher, so blöd bin ich nicht. Und was ist dabei? Sigi hat ordentlich gelöhnt, damit ich im Schwimmbecken ein paar Runden drehte, zur Freude der Gäste und zum Appetit anregen.“

      „Und Ihre Mutter glaubte also, da gehörten Sie hin?“, staunte Ringel.

      „So habe ich das ausgelegt.“

      „Sie sollten dort nackt schwimmen?“, vergewisserte er sich.

      „Na klar doch. Da finden keine kirchlichen Modenschauen statt.“

      Ringel verstummte. Diese Kati Holl hatte ein Mundwerk, mit dem er sich nicht gerne auf Debatten einließ.

      „Was sagt den Ihr Vater zu Ihrem Lebenswandel?“, erkundigte sich Lisa.

      „Meinen Vater kenne ich nicht. Der ist spurlos verduftet, als ich vier oder fünf Jahre alt war, und hat sich nie um mich gekümmert.“

      „Hatte Ihre Mutter denn noch Kontakt zu ihrem Ex-Mann?“

      „Nein, keinen – jedenfalls nicht, dass ich wüsste.“

      „Diese Beleidigung, an ein Bordell vermittelt zu werden, haben Sie sich also ohne Widerrede von Ihrer Mutter gefallen lassen?“

      Hatte sie.

      An Gundas Todestag war Kati angeblich mit ihrem Auto von Berlin nach Hamburg unterwegs und kurz hinter dem Dreieck Wittstock in einen stundenlangen Stau wegen eines Bus-Unfalles geraten. Den Unfall hatte es gegeben, ob Kati in der Schlange Richtung Hamburg gestanden hatte, blieb offen. Vorerst konnte sie gehen.

      „Kann stimmen, muss aber nicht“, brummte Lisa abends. Ringelschnitt, Käse in Würfeln. Rotwein machte sie beide hungrig.

      „Was sagt denn die Busenfreundin Mareike zu dieser Geschichte?“

      „Die windet sich wie ein Aal. Dass Gunda einmal ein Kind geboren hat, wusste sie angeblich. Aber soviel ihr Gunda erzählt habe, sei das Kind noch vor seiner Einschulung gestorben.“

      „Und der flüchtige Ehemann?“

      „Von dem will Mareike nicht einmal Vornamen oder Beruf wissen.“

      Am Telefon wurde sogar Staatsanwältin Saling ungeduldig. „Bei Ihren anderen Fällen hat es nicht so lange gedauert, Frau Koschwitz.“

      „So ein Biest“, murrte Ringel, als Lisa ihm davon erzählte. Er war noch einmal bei Mareike Schertz gewesen.

      „Ist dieser geldbedürftigen Mareike denn wenigsten eingefallen, wie die Ex-Kollegin heißt, deren Grab Gunda an ihrem Todestag besuchen wollte?“

      „Nein.“ Danach grinste Lisa so hässlich, dass Ringel, der sehr schnell schalten konnte, laut aufheulte.

      „Das tust du mir nicht an.“

      „Was soll ich dir nicht antun?“

      „Den ganzen Ohlsdorfer Friedhof nach einem Strauß orangener, gedrahteter Gerbera mit weißen Nelken und einigen roten Rosen abzusuchen.“

      „Nicht den ganzen Friedhof. Das wäre in der Tat auch bei schönem Wetter eine Zumutung. Was wollen wir denn herausbekommen?“

      „Nicht wir, sondern was willst du Dickkopf herauskriegen? Wem könnte

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