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der Regel, wenn sie an einer Beerdigung teilnehmen.“

      „Denke ich auch. Deswegen rufst du die Friedhofsverwaltung an, wer an Gundas Todestag über Mittag beerdigt worden ist und auf welchem Gräberfeld.“

      Zwei Stunden später schlich Ringel in ihr Zimmer und prustete anerkennend. „Deine Ahnungen möchte ich haben.“

      „Danke, also bist du fündig geworden?“

      „Ja, könnte sein, an dem Dienstag ist gegen Mittag Anna-Maria Funke, geborene Wehlern in der Ohlsdorfer Familiengruft beigesetzt worden.“

      „Wehlern, Wehlern – woher kenne ich den Namen?“

      „Die Import- und Exportfirma am Ballindamm. Der erste Wehlern stammte aus Pöseldorf, deshalb die Gruft in Ohlsdorf. Die Familie residiert seit zwei Generationen standesgemäß an der Elbchaussee.“

      „Nasse Seite wahrscheinlich“, ergänzte Lisa und grinste über Ringels verdutztes Gesicht. „Auf der Wasserseite, zur Elbe hin.“

      „Weiß ich nicht.“

      „Das werden wir gemeinsam feststellen. Wie finden wir die Familiengruft?“

      „Das habe ich mir beschreiben lassen.“

      „Worauf warten wir dann noch?“

      18

      Ringel beharrte nach dem Studium des Stadtplanes, den er immer im Auto mitführte, darauf, über die Bramfelder Chaussee zu fahren und dann in den Bräsigweg abzubiegen. Lisa schwieg und dirigierte ihn später über die Cordesallee zur Kapelle 6. Von dort war die Familiengruft der Wehlern nicht schwer zu finden, die Kränze, Gebinde und großen Sträuße auf dem frischen Grabhügel waren nicht zu übersehen. Meiner geliebten Frau Anna-Maria Funke geborene Wehlern, unserer geliebten Tochter Anna-Maria. Nach der Blumenmenge zu urteilen, war es ein großer Leichenzug gewesen. Eine ältere Frau blieb neben ihnen stehen und musste unbedingt ihre Weisheit loswerden. „Was nutzt das ganze schöne Geld, wenn das Schicksal es anders will.“

      Lisa musterte sie ungnädig. „Was soll das heißen?“

      „Brustkrebs, zu spät entdeckt.“

      Lisa und Ringel gingen Hand in Hand los, zogen immer größere Kreise um die Familiengruft der Wehlern und standen nach einer halben Stunde vor einem älteren Grab mit einem kleinen, rötlichen Stein. In einer Grabvase steckten orangene Gerbera, Nelken und Rosen. An der Einmündung des Weges musste Gunda Harsfeld den Trauerzug, der von der Wehlern-Gruft kam, gesehen haben. Lisa hatte einen schmalen Mund bekommen und stöhnte plötzlich: „Verdammt, ich muss unbedingt auch mal wieder zur Vorsorge.“

      „Bitte bald.“

      „Warum?“

      „Ich würde dich gerne noch etwas behalten.“

      „Danke. Jetzt links.“ Lisa dirigierte Ringel an ein freies Feld heran, auf dem nur große Tafeln mit den Namen von Hamburger Stadtteilen standen.

      „Was ist das, Lisa?“

      „Das Ehrenfeld der Bombenopfer.“

      „Gibt es einen Grund, weshalb du mir das jetzt zeigst?“

      „Ein Großteil meiner Familie ist 1943 bei dem Feuersturm umgekommen.“

      Ringel schwieg, bis sie wieder im Präsidium waren, und erst beim Mittagessen sprach er aus, was sie beschäftigte. „Du vermutest also auch, dass Gunda Harsfeld an dem Dienstag auf dem Friedhof ihrem früheren Ehemann begegnet ist?“

      „Möglich. Aber der Name Funke ist nicht so selten.“

      „Reden wir mit ihm?“

      „Langsam. Selbst wenn Gunda ihrem früheren Ehemann begegnet ist, was wäre daran so schlimm gewesen?“

      „Vielleicht hatte er seiner zweiten Frau und seinen Schwiegereltern verheimlicht, dass er schon einmal verheiratet war.“

      „Unangenehme Situation, ja. Aber Grund für einen Mord? Können wir ihm überhaupt nachweisen, dass er einmal in Gundas Wohnung am Wöschenhof gewesen ist?“

      „Bis jetzt nicht. Aber wir haben noch eine Reihe nicht identifizierter Fingerabdrücke.“

      „Klar, und wie kriegen wir auf legalem Wege Funkes Abdrücke zum Abgleich?“

      Ringel kratzte sich den Kopf. „Ein kleines Problem, zugegeben, vielleicht fällt dir was ein?“

      Lisa hatte immer Ideen, aber diesmal besprach sie sich lieber mit Heike Saling. Die Staatsanwältin schoss auch prompt an die Decke. „Sind Sie verrückt geworden? Die Wehlern sind eine geachtete und einflussreiche Hamburger Familie, die sich nicht einschüchtern oder herumschubsen lässt.“

      „Ich bin nicht so verrückt, das war Ringels Einfall“, log Lisa schamlos.

      „Was?! Ich hatte Kai immer für einen vernünftigen Mann gehalten.“

      „Man kann sich in allen Krawattenträgern täuschen“, murmelte Lisa zufrieden. Ihrem Kai verschwieg sie den hässlichen Trick und schickte ihn am nächsten Tag mit seiner Kamera zur Elbchaussee. Das Wetter war gut, eine kraftlose Sonne schien hell aus einem wolkenlosen Himmel, und Ringel konnte den Mann in dem dunklen Anzug mit der schwarzen Krawatte mühelos aufnehmen.

      Doch dann irritierte ihn etwas; ein Chauffeur trat auf den Trauernden zu und zog höflich die Mütze. Der Mann sagte etwas, und der Chauffeur zog sich zurück zu seinem großen Schlitten. Der Mann mit der schwarzen Krawatte setzte sich in einen hellen Sportwagen und startete, dass der Kies aufspritzte, und bog auf die Elbchaussee ein. Ringel hatte viele Bilder geschossen, konnte den Flitzer mühelos verfolgen und erkundigte sich nun über Handy, auf wen der helle Wagen zugelassen war.

      Wie erwartet: Werner Funke.

      Der trauernde Witwer bog von der Elbchaussee nach Othmarschen ab und kurvte zielstrebig in eine kleine Sackgasse auf zwei scheußliche Hochhäuser zu. Dort parkte er und lief eilig ins Haus, zum Glück durch sonnige Stellen, sodass Ringel ihn eifrig knipste. Im Feldstecher registrierte Ringel, dass der Mann – Werner Funke? – für die Haustür einen Schlüssel benutzte.

      19

      Lisa brummelte am Telefon: „Was soll ich in Othmarschen? Den Stadtteil kenne ich schon, Teufelsbrück auch.“

      „Auch die Häuser, die Witwer morgens aufsuchen, statt in die Firma zu fahren?“

      „He, he, was ist da los?“

      „Überzeuge dich selbst.“

      „Es dauert aber etwas.“

      „Ich warte geduldig wie immer.“

      Bis Lisa eintraf, hatten mehrere Personen das Haus verlassen oder betreten, und Ringel hatte alle brav geknipst. Im Präsidium begann Inge, Lisas treue Dienstzimmerseele, schon zu fluchen, weil Ringel immer neue Halterabfragen stellte. Doch dafür konnte er die etwas unwirsche Lisa überraschen.

      „Der helle Flitzer ganz links ist auf Werner Funke zugelassen. Und der dunkle Uralt-Kadett mit den vielen Beulen drei Stellplätze weiter rechts auf Mareike Schertz.“

      „Das gibt’s doch nicht, Kai. Das hast du gut gemacht.“

      „Und was machen wir jetzt?“

      „Gar nichts. Wir warten. Der gute Polizist lernt als Erstes Warten und Geduld. Wenn Funke rauskommt, fährst du ihm nach, bis er das nächste Mal parkt. Ich folge Mareike, wenn sie wieder Richtung Tonndorf gondelt.“

      Lisa bereute ihre klugen Worte, denn sie musste zwei Stunden warten, bis Mareike aus dem Haus kam und in den verbeulten Kadett stieg. Dafür fuhr Mareike zügig, ohne Umwege nach Tonndorf und parkte vor ihrem Haus in der Kuehnstraße. Ringel meldete sich über Handy: „Funke ist in

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