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richtig.“

      „Um wie viel Uhr soll diese Harsfeld erstochen worden sein?“

      „Gegen siebzehn Uhr, schätzt unser Arzt, die Obduktion steht noch aus.“

      „Wo haben sich der oder die Täter von siebzehn bis vierundzwanzig Uhr aufgehalten?“

      „Das wissen wir noch nicht.“

      „Ich habe den Eindruck, Sie haben noch viel zu tun, Frau Koschwitz.“

      „Das fürchte ich auch.“

      „Dieser Schröder scheint, Gunda doch gut gekannt zu haben.“

      „Ja, aber das ist vorbei, und weil er ein loyaler Mann zu sein scheint, wird er mit der vollen Wahrheit über Gunda Harsfeld, soweit er sie kennt, nicht herausrücken.“

      „Und diese Frau, die angeblich bei der Harsfeld ein- und ausging?“

      „Die habe ich heute noch nicht erreicht.“

      Jemand klopfte energisch.

      „Herein.“

      Kai Ringel stampfte herein, grüßte und gähnte.

      „Etwas Neues, Herr Ringel?“ Heike Saling schaute nicht zärtlich, aber doch ausgesprochen wohlwollend zu dem müden Kommissar. „Nein, noch nicht. Die Harsfeld-Wohnung ist die reinste Fingerabdruck-Sammlung. Ich habe noch mit einigen Nachbarn gesprochen, die von der Arbeit nach Hause gekommen sind. Niemand will nachmittags oder gegen Mitternacht etwas bemerkt haben. Die Tatwaffe war höchstwahrscheinlich ein Messer aus diesem Küchen-Block. Aber Konrad wollte sich noch nicht festlegen.“

      Konrad war der Rechtsmediziner, ein tüchtiger, aber übervorsichtiger Mann, bei dem alles etwas länger dauerte.

      „Wer sagt uns eigentlich, dass die Beziehung Schröder – Harsfeld tatsächlich beendet war?“

      „Wenn dem nicht so wäre, hätte er die Leiche nicht finden und nicht auf uns warten müssen. Es gibt mehrere Wege von seiner Wohnung in die Studios.“

      „Na schön“, resignierte Saling. „Wie ich sehe, bleibt noch etwas Arbeit für morgen.“

      10

      Lisa lud Kai Ringel zum Essen ein. Plötzlich legte er Messer und Gabel zur Seite und kicherte. „Ich wollte es nicht in Heikes Gegenwart erzählen.“

      „Du meinst, nicht in Gegenwart der Frau Staatsanwältin. Was wolltest du nicht erzählen?“

      „Ich erlaube mir, unter vier Augen und privatim die Staatsanwältin zu duzen. Halt, halt, kein Grund, gleich wieder an die Decke zu gehen. In dem Gebäudekomplex dieses Studios gibt es eine kleine Bar, und mit einer der Bardamen bin ich seit Längerem – hm – befreundet.“

      „Deswegen kommst du morgens immer zu spät.“

      „Lisa! Mach nun bitte mal halblang. Ich habe mir erlaubt, dort während der Dienstzeit einen Cappuccino zu trinken und mich nach Gunda Harsfeld zu erkundigen. Diese Gunda war sehr bekannt. Sie hieß die Leiche vom Dienst oder auch die Nackte vom Dienst.“

      Lisa musterte ihn strafend. „Kai!“, tadelte sie scharf.

      „Wirklich, das ist so, die Namen stammen nicht von mir. Es gibt noch einen dritten Namen, der noch hässlicher ist. Die Matratze vom Dienst.“

      „Pfui. Und wer hat sie weshalb umgebracht?“

      „Keine Ahnung. Beliebt war sie unter den Kollegen und Kolleginnen nicht, aber auch nicht verhasst.“

      „Ich verstehe nicht, warum man sie an der Rahlau abgelegt hat.“

      „Vielleicht sollte sie rasch gefunden werden.“

      „Mag sein, aber warum?“

      Sie aßen schweigend zu Ende, und weil sie zuerst an seiner Wohnung vorbeikamen, lud er Lisa noch zu einem Glas Rotwein ein. „Vergiss das Ladegerät für dein Handy nicht“, mahnte er. Sie schmollte immer noch, und entspannte sich erst, als er sie behutsam auszog und in sein Bett trug.

      „Du brauchst ein breiteres Bett“, teilte sie ihm mitten in der Nacht mit, und er knurrte.

      „Dann brauche ich zuerst eine größere Wohnung, Lisa. Denk an die Miete, woher nehmen und nicht stehlen?“

      „Als Oberkommissar verdienst du bald mehr.“

      „Klar, ungeheuer viel mehr!“, murrte er.

      11

      Seine bewegte Klage hatte sie nicht vergessen, deshalb stand sie auf und holte aus einer Bäckerei um die Ecke frische Brötchen, während er noch gewaltig schnarchte. Nach dem Frühstück mussten sie sich trennen, er fuhr ins Amt und sie verabredete sich mit Peter Schröder und Mareike Schertz.

      Schröder schnitt eine betrübte Grimasse, als Lisa ihm berichtete, welche Spitznamen der verblichenen Gunda sie erfahren hatte. Er widersprach aber nicht, sondern nickte traurig und gestand, dass er sich deshalb von ihr getrennt hatte: Bei aller Zuneigung ertrug er es nicht länger, von allen möglichen Kollegen hämisch-höhnisch-verächtlich angesehen zu werden.

      „Warum zum Teufel musste sie um jeden Preis vor der Kamera stehen oder liegen?“, erkundigte sich Lisa.

      „Das weiß ich bis heute nicht“, seufzte Schröder. „Sie hat zu einer Zeit mit dem Theater angefangen, als es für sie noch viele andere Jobs gegeben hätte. Zumal sie ja gar nicht arbeiten musste, bei dem, was sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Sie hat mir einmal verraten, dass ihre Mutter als Opernsängerin gescheitert war. Die Eltern wollten ihre Mutter, deren einzige Tochter, von der Bühne fernhalten, zumal das Talent objektiv nicht ausreichte. Da machte sich Gunda übrigens nichts vor.

      Sie war fleißig, zuverlässig und jederzeit bereit, auch kleinste Rollen zu übernehmen. Sie wohnte extra hier in der Nähe des Studios, um auch einmal ganz schnell einspringen zu können. Aber das Talent, das gewisse Etwas, das man weder kaufen noch erlernen kann, fehlte ihr. Ein Trauerspiel.“

      „Haben alle Männer so gedacht, die mit ihr zusammengelebt haben?“

      „Die anderen Männer kenne ich nicht.“

      Lisa hatte schon die Hand an der Türklinke, als er sich räusperte.

      „Es gibt eine Anekdote aus dem Leben von Thomas Mann, Frau Koschwitz. Er hatte eine ungewöhnlich schöne Mutter, Julia, und die Töchter, respektive Schwestern, haben sich geärgert, wenn die Mutter sie auf einen Ball begleitete, weil die potentiellen Verehrer sich nicht entscheiden konnten, ob sie der Mutter oder den Töchtern den Hof machen sollten.“

      „Ja, und?“

      „So was Ähnliches muss sich zwischen Gunda und ihrer Mutter Annabella Harsfeld abgespielt haben.“ Lisa schüttelte den Kopf. Die Tochter war zweiundvierzig Jahre alt, als sie starb. In dem Alter sollte sie sich von der Mutter auch seelisch abgenabelt haben.

      12

      Zu Lisas großem Erstaunen trug Mareike Schertz eine ähnliche Interpretation und Erklärung für Gundas Drang zur Kamera vor.

      „Wissen Sie das oder vermuten Sie es nur?“

      „Teils – teils, ich habe ihr mal geraten, sie würde sich verzetteln; sie hätte doch genug Geld, um auf ein richtig gutes Angebot zu warten. Da hat sie abgewinkt, das verstünde ich nicht, es sei wichtig, dass sie möglichst oft auf der Mattscheibe erscheine, wobei es egal sei, ob in einer großen oder in einer winzigen Rolle; Hauptsache, man gebe niemandem eine Chance, sie zu vergessen oder aus der Erinnerung zu tilgen …“

      „Und warum soll das so wichtig gewesen sein?“

      „Eben

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