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zweite Kapitel mit dem Titel Die koranische rationale Theologie von Ibn Taymiyya und seine Kritik der Mutakallimun beruht auf einem Artikel von M. Sait Özervarli, der sich nicht scheut, das Anliegen von Ibn Taymiyya, nämlich Vernunft und Offenbarung in ihrem Einklang aufzuzeigen, sogar mit der Überschrift des koranischen Rationalismus zu versehen. Dieser koranische Rationalismus sollte zugleich eine Alternative zum traditionellen kalām (islamische Theologie) bieten, der sich allzu einseitig auf eine noch dazu falsch verstandene Vernunft stützt. Denn Ibn Taymiyya erkannte eine Verbindung zwischen der geistigen Krise seiner Zeit und dem Denken, das im Kalam Gestalt annahm. Die Wurzeln dieser Krise verortete er in den philosophischen Tiefen des islamischen Denkens. Zur Überwindung dieser Krise, die eine Wiederbelebung des islamischen Denkens erforderte, war daher eine Doppelbewegung erforderlich: eine Besinnung auf die Grundlagen des Islam, auf Koran und Sunna, in Verbindung mit einer Anknüpfung an den aktuellen Stand des islamischen Denkens. Sollte die islamische Tradition wiederbelebt werden, so nicht in abstrakter, rückwärtsgewandter Gestalt, sondern konkret vermittelt mit dem zeitgenössischen Denken. Aus diesem Spannungsfeld heraus betrieb Ibn Taymiyya die Entwicklung eines Denkens, das, durch eine Kritik der Philosophie vermittelt, das islamische Denken wahrhaft erneuerte. Dieses Denken ist bis heute nicht wirklich verstanden worden, obgleich es mit seiner Verbindung von Vernunft und Offenbarung auch für unsere Gegenwart Maßstäbe setzen könnte und mithin äußerst lehrreich zu sein verspricht.

      Das dritte Kapitel mit dem Titel Vernunft, Offenbarung und die Rekonstitution der Rationalität: Ibn Taymiyyas Darʾ taʿārudh ist nach den eher knappen ersten beiden Kapiteln, die als bündige Einführungen in die Thematik gelesen werden können, der mit Abstand längste Text des Bandes. Er stellt die ausführliche Untersuchung von Carl Sharif El-Tobgui vor, in der Ibn Taymiyyas vielbändiges Meisterwerk Darʾ taʿārudh al-ʿaql wa an-naql unter der als roter Faden dienenden Fragestellung nach dem Verhältnis von Vernunft und Offenbarung in vielen Einzelheiten dargestellt wird. Ibn Taymiyyas Projekt, den Widerstreit von Vernunft und Offenbarung, der das islamische Denken seiner Zeit – und freilich weit darüber hinaus – zutiefst prägte, einer harmonischen Auflösung zuzuführen, tritt dadurch in viel schärferen Konturen hervor. Ibn Taymiyya weist in seiner grundsätzlichen Kritik der falsafa (Philosophie) und des kalām (Theologie) deren Bestreben, den vermeintlichen Widerspruch zwischen Vernunft und Offenbarung durch eine Überordnung der Vernunft zu lösen, entschieden zurück, indem er die Wurzeln des diesem Vorhaben zugrundeliegenden Begriffs der Vernunft in der griechischen Philosophie aufsucht und einer gründlichen Untersuchung unterzieht. Statt dabei, wie oftmals unterstellt wird, einem blinden Irrationalismus zu verfallen, zeigt Ibn Taymiyya ganz im Gegenteil den Mangel an Vernünftigkeit dieser vermeintlich überlegenen Rationalität auf und schickt sich an, eine rekonstituierte Rationalität an deren Stelle zu setzen. Und sein Bestreben ist schließlich auf den Nachweis gerichtet, dass diese erneuerte und erweiterte Vernunft mit der wahrhaften Offenbarung und den tiefsten Aspirationen des menschlichen Lebens in harmonischem Einklang steht. El-Tobgui bemüht sich dabei zudem um den Nachweis, dass sich die verschiedenen Aspekte in Ibn Taymiyyas Verständnis von Ontologie, Epistemologie und Sprachtheorie in einer Synthese zusammenfügen, die zwar einen Bruch mit der philosophischen Tradition bedeutet, aber nichtsdestoweniger den Titel einer Philosophie verdient, die durch das Feuer der philosophischen Kritik und Selbstkritik hindurchgegangen ist. Freilich mag es dafür erforderlich sein, die Landkarte der Philosophie um die bislang unerkannte oder auch lediglich verleugnete Landschaft zu erweitern, die Ibn Taymiyyas Denken mit dieser umwälzenden Blickwende erschließt.

      Das vierte Kapitel mit dem Titel Ibn Taymiyya über die Existenz Gottes ist ein Artikel von Wael B. Hallaq, der der Frage nachgeht, ob es in Ibn Taymiyyas Werken einen Beweis für die Existenz Gottes gibt. Wael Hallaq stellt zunächst fest, wie einfach Ibn Taymiyyas Rede über die Existenz Gottes ausfällt. Denn er geht davon aus, dass jeder Gläubige in gesunder Verfassung ohne jegliche Reflexion weiß, dass Gott existiert. In Ibn Taymiyyas Werken findet sich daher kein ausgeführter Beweis für Gottes Existenz. Hallaq bemüht sich gleichwohl, die relevanten Aussagen über Gott in Ibn Taymiyyas mannigfaltigen Abhandlungen, die Themenbereiche wie Logik, Recht, dialektische Theologie und Metaphysik behandeln, zusammenzustellen und nach einem Argument für die Existenz Gottes abzuklopfen. Voraussetzung dafür ist freilich, Ibn Taymiyyas Haltung gegenüber Metaphysik, Epistemologie und – nicht zuletzt – Logik, wie sie von vielen Philosophen und Theologen vertreten werden, sowie seine eigenen Positionen auf diesen Gebieten zu verstehen. So wird die Suche nach einem Gottesbeweis zu einer spannenden Reise durch eine Vielzahl von Landschaften im Denken Ibn Taymiyyas, die die Schwierigkeiten und Probleme einer solchen Bestrebung markant hervortreten lässt. Die Frage nach der Existenz eines Gottesbeweises bei Ibn Taymiyya, die keiner einfachen Lösung zugeführt werden kann, eröffnet zugleich einen Ausblick auf den weiten Horizont seines reichen, vielgestaltigen und eben auch philosophischen Denkens.

      Das fünfte Kapitel mit dem Titel Ibn Taymiyyas Historiographie der falsafa lässt Ibn Taymiyya selbst ausführlich zu Wort kommen. Es besteht aus einigen Texten Ibn Taymiyyas, die Yahya Michot aus dem Arabischen übersetzt, kommentiert und erläutert hat. Ibn Taymiyya präsentiert sich darin in einem ungewohnten und für manche überraschenden Licht, nämlich als Philosophiehistoriker. Durch seine scharfsinnige Wahrnehmung der Gesellschaftsgeschichte erweist er sich geradezu als Vorläufer von Ibn Khaldūn. Er sieht, wie sich die Geschichte in den Gesellschaften um ihn herum entfaltet, und er möchte ihrer Vergangenheit Sinn abgewinnen, indem er sie kritisch untersucht, jenseits von Erdichtungen und Mythen. Ideen werden mithin für ihn zu Hauptakteuren auf der menschlichen Bühne, und es gelingt ihm, sie miteinander in Beziehung zu setzen und ihre legitimen wie illegitimen Abstammungslinien nachzuzeichnen, im Auf und Ab der Jahrhunderte, in Ost und West, unter Heiden und Gläubigen, Häretikern und Heiligen, Theologen, Mystikern und Philosophen. Die hier vorgestellten fünf Texte wurden ausgewählt aufgrund des Lichtes, das sie auf die historischen und ideologischen Kontexte der Übersetzungsbewegung sowie auf die Ursprünge, die Entwicklung und die mannigfaltigen Facetten von falsafa (Philosophie) und tafalsuf (Philosophieren) im Islam bis zum Ende des 7./13. Jahrhunderts zu werfen vermögen.

      Das sechste Kapitel mit dem Titel Al-Ghazālīs Esoterik gemäß Ibn Taymiyyas Bughyat al-Murtād ist ein Artikel von Yahya Michot, der mehrere von ihm aus dem Arabischen übersetzte Texte Ibn Taymiyyas samt Erläuterungen und Kommentaren vorstellt. Sie können, wie die Texte im fünften Kapitel, als Beiträge zur Philosophiegeschichtsschreibung betrachtet werden, und darüber hinaus als kritische Auseinandersetzung mit bestimmten Inhalten der Philosophie, die hier in der Gestalt der philosophischen Esoterik al-Ghazālīs behandelt wird. Ibn Taymiyya lässt dabei erkennen, dass er über ein erstaunlich breites Wissen über das Werk al-Ghazālīs verfügt. Seine Darstellung und Kritik des Denkens al-Ghazālīs ist daher sowohl von philologischem Interesse, da er lange Abschnitte aus al-Ghazālīs Werken anführt, als auch von philosophischem Interesse, da er es immer wieder versteht, ins – insbesondere esoterische – Herz dieses Denkens einzudringen und wichtige Erkenntnisse daraus zu gewinnen.

      Die einzelnen Kapitel lassen sich unabhängig voneinander lesen. Einstieg und Abfolge der Lektüre mögen also Vorlieben und Interessen gemäß erfolgen. Das erste und das zweite Kapitel können gleichwohl als Einführungen und somit als Hinführungen zum dritten Kapitel gelesen werden, das die Thematik wesentlich ausführlicher und vertiefter behandelt. Die Texte für die verschiedenen Kapitel wurden im Laufe der letzten Jahre zu verschiedenen Anlässen und Zwecken verfasst. Die Spuren davon habe ich nicht zu beseitigen versucht, da es sonst nur darauf hätte hinauslaufen können, sie in erheblichem Maße umzuschreiben. Dieser Versuchung musste ich freilich im Interesse einer alsbaldigen Veröffentlichung widerstehen. Dadurch kommt es auch zu manchen Wiederholungen und Überschneidungen, die sich aufgrund der Unabhängigkeit der Texte nicht immer vermeiden ließen und sich hoffentlich als für das Verständnis eher zuträglich erweisen.

      Mein Dank gilt all denen, die mich durch ihre anregenden und bereichernden Beiträge in Diskussionen und anderweitig bei der Arbeit an diesem Projekt, mitunter über viele Jahre, unterstützt haben und die viel zu zahlreich sind, um namentlich aufgeführt werden zu können. Besonders bedanken möchte ich mich bei den Mitgliedern des VDM17, die mir mit ihrer großmütigen

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