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an dieser Stelle auf einige Andeutungen beschränken, die gleichfalls der eben erwähnten Textsammlung entnommen sind. Für weitere Einzelheiten sei auf die hervorragende Darstellung von Ibn Taymiyyas Leben in dem kürzlich erschienenen Buch Ibn Taymiyya und die Attribute Gottes von Farid Suleiman verwiesen, das den aktuellen Kenntnisstand berücksichtigt und zudem zahlreiche weiterführende Literaturhinweise enthält.7

      »Taqī ad-Dīn Ahmad Ibn Taymiyya wurde 1263 in eine hanbalitisch geprägte Gelehrtenfamilie geboren. Seine Geburtsstadt Harrān liegt im Südosten der heutigen Türkei und gehörte damals zum Mamlukenreich (1250–1517). Wegen der mongolischen Invasionen war seine Familie 1269 zur Flucht gezwungen. Sie ließ sich in Damaskus nieder, das eines der geistigen Zentren der damaligen muslimischen Welt war. Ibn Taymiyya wuchs in Damaskus auf und studierte dort. Sein Vater starb früh, und Ibn Taymiyya übernahm im Alter von 18 oder 19 Jahren von seinem Vater den Lehrstuhl in der größten hanbalitischen Moschee in Damaskus. Ibn Taymiyya war vielseitig gebildet und meisterte alle Wissenschaften des Islam.

      Ibn Taymiyya unterscheidet sich in entscheidender Hinsicht von allen früheren hanbalitischen Gelehrten. Denn er tat, was diese nie getan haben: Er las die Werke seiner Gegner. Er studierte jede Philosophie und Ideologie, die es damals gab: kalām (Theologie), tasawwuf (Sufismus), falsafa (Philosophie), griechische Logik, Werke des Aristoteles usw. Dadurch erwarb er einen einmaligen Geist und Stil, den es bis dahin nicht gegeben hat. Und darauf gründete er sein originelles Denken mit seinem ganzen Reichtum und seiner tief verwobenen Vielschichtigkeit, das sich zugleich immer wieder auf die wahren Grundlagen des Islam – Koran und Sunna – besann. Von da aus unterzog er alle Denkweisen und Philosophien einer strengen, oftmals als polemisch empfundenen, aber meist argumentativen Kritik, die sich keineswegs Vernunft und Rationalität entzog oder widersetzte. Ganz im Gegenteil, denn es war ihm dabei stets und mit unermüdlicher Leidenschaft darum zu tun, den Einklang von Vernunft und Offenbarung im islamischen Denken aufzuzeigen. Seine Kritik richtete sich vor allem gegen die falāsifa (Philosophen) wie Ibn Sīnā und die philosophierenden mutasawwifa (Sufis) wie Ibn al-ʿArabī, sparte aber keineswegs den aschʿaritischen kalām aus, denen er allesamt ein ungenügendes Verständnis der harmonischen Beziehung zwischen Vernunft und Offenbarung vorhielt, das zur einseitigen und mitunter extremen Betonung des einen oder anderen Pols führte.

      Ibn Taymiyya war stets ein entschiedener Unterstützer des mamlukischen Sultanats in Ägypten und Syrien, insbesondere im Widerstand gegen die wiederholten Einfälle der Mongolen nach Syrien in den Jahren 1299-1303. Doch sein unabhängiges Denken und Wirken brachte indes zuweilen die etablierte Gemeinschaft der Gelehrten und die politischen Herrscher gegen ihn auf. Dies trug ihm mehrere öffentliche Prozesse, Gefängnisstrafen und ein siebenjähriges Exil in Ägypten (1306-1313) ein. Auch nach seiner Rückkehr nach Damaskus kam es aufgrund seiner Ansichten zu Fragen der Scheidung und der Heiligenverehrung wiederholt zu Konflikten mit den herrschenden Autoritäten. Infolgedessen wurde er 1326 in der Zitadelle von Damaskus in Haft genommen. Der Aufenthalt im Gefängnis hatte ihn nicht davon abgehalten, seiner Schreibtätigkeit unablässig nachzugehen. Doch nun verstarb er 1328 in der Zitadelle von Damaskus, nachdem man ihn, der einen großen Teil seines Lebens damit zugebracht hatte, seine Gedanken auf Abertausenden von Seiten zu Papier zu bringen, seiner Feder und anderer Schreibwerkzeuge beraubt hatte.

      Ibn Taymiyya war einer der größten, scharfsinnigsten und produktivsten muslimischen Gelehrten in der Geschichte des islamischen Denkens. Seine Wirkung in all ihren Verästelungen ist so umfangreich und gewaltig, dass sie schier unermesslich erscheint und kaum zu überschätzen ist. Daran und an seiner unabgegoltenen Bedeutung und Aktualität ist nicht zu zweifeln. Bei allem Streit um Ibn Taymiyya sind sich darin wohl alle einig.«8

      Farid Suleiman weist darauf hin, dass Ibn Taymiyyas Schriften allerdings zunächst »in den Jahrhunderten nach seinem Tod weitgehend unbeachtet« blieben und fährt fort:

      Ihre Wiederentdeckung nahm im 11./17. Jahrhundert ihren Anfang und wurde von muslimischen Gelehrten verschiedenster Ausrichtung vorangetrieben. Das Ausmaß seiner Rezeption hat sich seitdem kontinuierlich gesteigert, sodass man von einer gefühlten Omnipräsenz Ibn Taymiyyas im jüngeren sunnitischen Denken sprechen kann. Zu Recht identifiziert ihn daher Lutz Berger in seinem Einführungswerk über die islamische Theologie als den »heute sicher einflussreichste[n] aller islamischen Theologen des Mittelalters«.9 Trotz dieses Umstands hat man sich in der europäischsprachigen Forschung noch bis vor einigen Jahren – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht eingehend mit dem Leben und Werk Ibn Taymiyyas beschäftigt. Zudem haben ihn die dortigen Forschungsbeiträge, wie Birgit Krawietz kritisch bemerkt, überwiegend »als Gegner religiöser Toleranz und spekulativen Denkens, Proto-Fundamentalisten bzw. den oder einen der ersten islamischen Fundamentalisten, als gewaltbereiten Aktivisten, Gegner von Volksreligion und Synkretismus, Sufi-Kritiker, radikalen Anthropomorphisten, wenn nicht gar als Streithansel jedweder Art«10 porträtiert. Obgleich in den letzten Jahren fundierte Forschungsbeiträge u. a. von Yahya Michot, Jon Hoover und Ovamir Anjum zu dezidiert gegenteiligen Einschätzungen gelangt sind,11 besteht dieses Bild hartnäckig fort.12

      Farid Suleimans ausgezeichnete Studie selbst reiht sich in die Reihe der Arbeiten ein, die dieses entstellende und geradezu karikierende Bild durch ein getreueres zu ersetzen bestrebt sind. Sie nimmt dabei allerdings eine Sonderstellung ein, da sie in deutscher Sprache verfasst ist und daher der deutschsprachigen Leserschaft ganz besonders zur Lektüre empfohlen sei. Sie räumt nicht nur mit vielen Vorurteilen und falschen Vorstellungen auf, sondern bietet eine scharfsinnige und tiefschürfende Darstellung von Ibn Taymiyyas Denken, die weit über das durch den Titel bezeichnete Thema hinausreicht, nämlich Ibn Taymiyyas Attributenlehre, die hier erstmals einer tiefergehenden Analyse unterzogen wird. Sie ist zudem nicht nur von his - torischem und insbesondere theologie- und philosophiegeschichtlichem Interesse, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Wiederbelebung des islamischen Denkens, dem fürwahr eine zeitgemäße Anknüpfung an seine eigene Tradition angelegen sein muss.

      In deutscher Sprache liegen bisher kaum Arbeiten über Ibn Taymiyyas Denken vor. Farid Suleiman listet die »wichtigsten deutschsprachigen Veröffentlichungen, die Aspekte von Ibn Taymiyyas Denken behandeln« in einer Anmerkung auf, auf die hiermit verwiesen sei.13 Neben den oben erwähnten Werken von Yahya Michot, Jon Hoover und Ovamir Anjum gibt es, außerhalb der deutschen Sprache, in europäischen Sprachen seit einigen Jahren freilich eine ganze Reihe von sehr wertvollen Untersuchungen zu Ibn Taymiyyas Denken. Farid Suleiman gibt auch hiervon eine nützliche Aufstellung in einer Anmerkung, die übernommen sei; und zwar »wurden die europäischsprachigen Forschungsbeiträge zu Ibn Taymiyya überwiegend auf Englisch und Französisch verfasst,14 […].«15 Diese in der Anmerkung angeführte Liste ist noch um die jüngst erschienene Monographie von Jon Hoover mit dem Titel Ibn Taymiyya - Makers of the Muslim World zu ergänzen.16

      Im vorliegenden Band 3 haben wir uns zur Aufgabe gesetzt, eine Auswahl aus der jüngeren englischsprachigen Literatur, die uns besonders wertvoll und wichtig erscheint, der deutschsprachigen Leserschaft vorzustellen. Die inhaltlichen Schwerpunkte, die dieser Auswahl zugrunde liegen, sind dabei vor allem durch die Themen Vernunft und Offenbarung sowie Kritik der Philosophie bestimmt, die sich weithin überschneiden und gegenseitig durchdringen. Die Auswahl fiel dabei auf die bereits genannten Autoren Yasir Qadhi, Carl Sharif El-Tobgui, Wael Hallaq und Yahya Michot sowie M. Sait Özervarli.

      Das erste Kapitel mit dem Titel Versöhnung von Vernunft und Offenbarung in den Schriften von Ibn Taymiyya stützt sich auf einen Vortrag von Yasir Qadhi, in dem seine umfängliche Studie zu Ibn Taymiyyas großem Werk Darʾ taʿārudh al-ʿaql wa an-naql (Vermeidung des Konflikts von Vernunft und Offenbarung) in großen Zügen vorstellt wird. Der Vortrag bietet somit nicht nur einen Einblick in eines der größten und bedeutendsten Werke von Ibn Taymiyya, sondern zugleich eine Einführung in einige grundlegende Fragen des islamischen Denkens, die um das Verhältnis von Vernunft und Offenbarung kreisen. Nicht zuletzt wird es dabei auch immer wieder um Ibn Taymiyyas Kritik der Philosophie gehen. Dieser Text kann als knapper Einstieg in diese Thematik gute Dienste leisten, da er wichtiges Hintergrundwissen bereitstellt, einige Positionen von muslimischen Denkern darlegt und philosophische Themen von größter Bedeutung anspricht. Er hat dabei den Vorzug,

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