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halbiert und gespiegelt. Mit der verdoppelten linken Gesichtshälfte sah Eichmann aus wie ein gramzerfressener Uropa und mit der verdoppelten rechten wie ein kerngesunder Olympionike. Mit diesen kraß verschiedenen Ausdrücken in einem und demselben Gesicht war Eichmann herumgelaufen, bis ihn die Israelis geschnappt hatten.

      Im Badezimmerspiegel sah ich mir mein eigenes Gesicht an und hielt die Hand mal vor die linke und mal vor die rechte Hälfte, aber große Unterschiede konnte ich dabei nicht feststellen. Links ’n Milchbubi, rechts ’n Milchbubi. Und von Bartwuchs keine Spur. Beim Albers und beim Bohnekamp sproß immerhin schon dürrer Oberlippenflaum, und Volker, der mir ja auch nur knapp drei Jahre voraus war, hatte sein Radiergummibärtchen bereits als Konfirmand gepflegt.

      Die neueste Frage in der Rubrik »Zeit-Lupe« lautete: »Ist die Universität zu wenig praxisorientiert?« Ich hätte gern darauf geantwortet, um mir weitere 25 Mark zu verdienen, aber leider war die Frage dafür zu wenig an meiner persönlichen Praxis als Schüler orientiert.

      Papa pflasterte den Gartenweg rechts vom Haus mit Steinplatten. Das hätte eigentlich ein Handwerker machen sollen, der jedoch nicht erschienen war.

      Den Abendbrotstisch deckte Mama draußen auf der Terrasse. Wiebke biß aus Neugier von einer Schnitte mit Zungenwurst ab und rannte dann mit vor den Mund gehaltener Hand zum Klo, eben noch rechtzeitig, bevor Papa sich auf seinem Chefstuhl niederließ.

      Das wäre noch die Frage, sagte Papa, ob wir’s jemals wieder irgendwo so schön hätten wie hier. »Verglichen mit diesem Garten ist der in Meppen ein einziges Tohuwabohu.«

      Von mir aus hätten wir ja gern sofort wieder nach Vallendar zurückziehen können, aber Mama brachte das Gespräch auf die Finanzen, und dann drehte es sich bald um Oma Schlosser und das Problem ihrer künftigen Unterbringung. Ganz allein würde sich Oma Schlosser nicht mehr lange behelfen können. Welche Herbergseltern da in Frage kämen: Rudi und Hilde? Ausgeschlossen. Gertrud und Edgar? Die hätten genug mit ihrer Baustelle in Sennestadt zu tun. Tante Doro könne man das auch nicht zumuten, Onkel Walter wohne selber nur zur Miete, und mit Onkel Dietrichs Ehegespons stehe Oma Schlosser auf Kriegsfuß.

      »Am besten wär’s, meine Mutter würde sich ’ne kleine Wohnung in Meppen nehmen, in Fußweite von uns«, sagte Papa, und nur wenig später ging schon wieder alles um das liebe Geld.

      »Tante Hanna schulden wir ja auch noch so einiges«, sagte Mama, und da fuhr ihr Papa über den Mund: Solche Themen müßten ja nun nicht in Gegenwart der Kinder aufs Tapet gebracht werden.

      »Ihr habt’s gehört«, rief Mama. »Händewaschen, Zähneputzen! Aber wie der Blitz!«

      Wenn man dann nicht gleich parierte, kriegte man Saures. »Wird’s bald, Freundchen?«

      Die Information, daß zwei Handwerker die Garage verputzen sollten, verstand Wiebke so, daß die die Garage aufessen müßten. Weiß der Henker, was da los war in Wiebkes unterentwickeltem Kleinmädchengehirn.

      Beim Mittagessen hatten wir am nächsten Tag Herrn Lohmann zu Gast, der mit Kennermiene die Beete musterte und dann von Mama mit dem Polo nach Koblenz zum Bahnhof gefahren wurde, und da krachte ihr beim Einparken ein Mercedes rein.

      Eine ältere und ziemlich zitterige Frau habe in dem Mercedes am Steuer gesessen, sagte Mama. Die habe ihren Wagen zurückgesetzt, ohne nach hinten zu kucken, und der Lohmann sei der sofort aufs Dach gestiegen: »Halten Sie den Mund, Sie freche Gans! Die Dame hier ist im Recht!«

      Der Polo hatte an der Motorhaube eine Delle, und der Lohmann hatte die Mercedesfahrerin an Ort und Stelle dazu herbeigekriegt, einen Wisch zu unterschreiben, in dem sie sich zur Bezahlung sämtlicher Werkstattkosten verpflichtete.

      Olaf bot mir für zehn Mark eine LP von Insterburg & Co. an, »Musikalisches Gerümpel«, und die kaufte ich ihm ab. Mit Michael und Holger unterhielt ich mich über die Gefahren, die einem blühen könnten, wenn man sich beim Arzt irgendwann mal ganz nackt ausziehen müsse. Wenn man dann zufällig ’ne Latte hätte, und es käme eine Sprechstundenhilfe rein. Da würde man doch bestimmt sterben vor Scham. Todesursache: Gehirnschlag. Oder Herzinfarkt.

      Gerlachs planten, in den Sommerferien nach Österreich zu fahren. Deren Ferien hatten noch gar nicht angefangen, während meine sich schon wieder ihrem Ende zuneigten, und womit sollte ich mir bis dahin die Zeit vertreiben?

      Mein erster und einziger Versuch, den Olympischen Spielen am Radio irgendwas abzugewinnen, schlug fehl. Das Eintausend-Meter-Zeitfahren der Radsportler dauerte nur gut eine Minute, und dann gab es Gold für Dänemark, Silber für Australien und Bronze für die DDR. Als Viertplazierte hatten wir das Nachsehen.

      Die Nachricht, daß eine Weltraumsonde der Amis auf dem Mars gelandet sei, ging mir erst recht am Arsch vorbei.

      Gut war bloß, daß die Polizei die ausgebrochene Terroristin Monika Berberich wieder einkassiert hatte.

      Dem Menschen, der unser Haus käuflich erwerben wollte, zeigte Papa alle Räume, vom Keller bis zum Dachgeschoß. Vorher hatte Mama mich oben von der Matratze gescheucht und mit spitzen Fingern eine schwarze Bananenschale unter der Heizung hervorgezogen und zum Kompost getragen.

      Abends kam Renate wieder. Am Vormittag hatte sie noch ’ne Klausur geschrieben und in der Zwischenzeit auch die theoretische Führerscheinprüfung bestanden. Die praktische war wegen einer Erkrankung des Prüfers abgesagt worden.

      Bei Gerlachs im Wohnzimmer kuckten Michael und ich uns im Fernsehen welche von den Kunststücken der rumänischen Turnerin Nadia Comaneci an. Drei Goldmedaillen hatte die schon abgestaubt und war gerade mal so alt wie wir, und jetzt machte sie Flickflack, halbnackt, auf dem Schwebebalken. Ganz, ganz früher hatte ich ja mal Anita attraktiv gefunden, die zusammen mit Roy Black im Fernsehen aufgetreten war, aber im Vergleich mit Nadia Comaneci schnitt Anita nicht gut ab.

      Michael band ich es nicht auf die Nase, daß ich Nadia Comaneci gern mal im Mondschein begegnet wäre. Spätere Heirat nicht ausgeschlossen: Nadia Schlosser, geborene Comaneci. Und die Verwandten dann alle total aus dem Häuschen: »Was ist los? Martin heiratet diese rumänische Olympiasiegerin? Das ist ja ’n Ding!«

      Mit der hätte ich mich gut verstanden, aber wie zum Teufel hätte ich an die rankommen sollen?

      Mama machte Fotos von Renate, die im Hobbykellerfensterschacht am Pinseln war, mit Kopftuch auf, und auf der Terrasse setzte Olaf einen Grill in Gang. Zur Feier von Olafs und Renates Abreise nach Frankreich sollten Steaks gefressen werden. Olaf und Renate hatten vor, zur französischen Atlantikküste zu fahren, mit Olafs neuem VW-Bus. Aber was hieß neu? Auch der neue war gebraucht. Baujahr 1966.

      Von dieser Exkursion riet Papa Olaf und Renate ab, und als Olaf gegangen war, machte auch Mama ihre Bedenken dagegen geltend: Von dem gemeinsamen Urlaub solle Renate sich mal lieber keine zu romantischen Vorstellungen machen. Wenn man so lange aufeinanderhocke, zerstreite man sich irgendwann automatisch.

      »Mit Olaf hab ich mich noch nie gestritten«, sagte Renate.

      »Na, dann wart’s mal ab.«

      Das seien ihm die Richtigen, sagte Papa: Politologie studieren und in den Semesterferien ohne einen selbstverdienten Pfennig in der Gegend herumzigeunern. Auf Renates Einwand, daß Olaf sich das Geld für den Urlaub als Zeitsoldat bei der Bundeswehr verdient habe, erwiderte Papa, daß vernünftige Menschen ihre Spargroschen eisern beisammenhielten, statt sie auf irgendwelchen Lustreisen durchzubringen. »Und dein komischer Olaf ist noch nicht mal immatrikuliert und hält sich schon für urlaubsreif!«

      Die Wandverkleidung in der Küche wollte Papa komplett erneuern lassen und die Kosten dem Käufer in Rechnung stellen.

      Zurück fuhr Papa über Hilden, um Oma Schlosser zu besuchen, und ich fuhr in Mamas Polo mit. Ein Kollege von Papa hatte sich dazu erbarmt, das blöde Moped in einem Auto-Anhänger zurück nach Meppen zu transportieren, und nun saß Volker vorne auf dem Beifahrersitz, und ich saß hinten neben Wiebke. Die wußte überhaupt nicht, wie gut sie’s hatte. Von einem Fensterplatz im Auto hätte ich in Wiebkes Alter nicht mal zu träumen gewagt.

      Wir

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