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Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band. Gerhard Henschel
Читать онлайн.Название Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9783455005011
Автор произведения Gerhard Henschel
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
Ein paar Seiten weiter trieb es ein anderer Gangster im Stehen mit seiner Braut:
Ihre Hand schloß sich um eine ungeheure, blutgeschwollene Muskelmasse, die in ihren Fingern pulste wie ein Tier. Fast weinend vor dankbarer Ekstase lenkte sie ihn in ihr feuchtes, geschwollenes Fleisch. Der Schock des Eindringens, das unglaubliche Lustgefühl ließ sie keuchen, ließ sie die Beine fast bis hinauf an seinen Hals schieben, und dann empfing ihr Körper wie ein Köcher die wilden Pfeile seiner blitzschnellen Stöße; zahllos, quälend. Höher und höher bog sie ihr Becken, bis sie zum erstenmal in ihrem Leben eine erschütternde Klimax erreichte, bis sie spürte, wie seine Härte zerbrach, und dann die langsame Flut seines Spermas sich auf ihre Schenkel ergoß …
Und sowas stand bei uns im Bücherschrank!
Auf den Fotos, die ich von ihm kannte, sah der südafrikanische Präsident Johannes Vorster wie ein Schwein aus. Dieser Übelmann stattete der Bundesrepublik jetzt eine inoffizielle Visite ab. Was er hier wollte, wußte außer seinen engsten Kontaktleuten niemand so genau. Wickelte der hier heimlich irgendwelche Waffengeschäfte ab?
Aus der Meppener Tagespost erfuhr man darüber nichts.
Abends meldete sich Oma Jever: Sie mache sich Sorgen um Kim, die in London arbeiten wolle, ohne eine Ahnung, worauf sie sich da einlasse.
»Bei meinem ersten Trip nach London bin ich ja selbst kaum flügge gewesen«, sagte Mama. »Man muß die Youngster auch mal ihre eigenen Erfahrungen machen lassen …« Oma sei da manchmal etwas überängstlich.
Ach nee. Und Mama selbst? Die ging ja schon an die Decke, wenn man als Youngster mit dem Rad nach Jever fahren wollte!
Auch im EM-Finale gegen die Tschechoslowakei mußten wir ein 0:2 aufholen, aber darin war die deutsche Elf geübt, da war mir nicht bange. Was sollte schiefgehen in Franz Beckenbauers einhundertstem Länderspiel? Und peng – in der 28. Minute verkürzte Dieter Müller auf 1:2. Noch keine siebzig Minuten hatte dieser Joker für Deutschland gespielt und bereits vier Tore geschossen!
Wie sinnig, daß er auch noch Müller hieß.
Dann kam leider lange nichts mehr, und je länger nichts mehr kam, desto schlechter wurden unsere Chancen. Bei Einwürfen ließen die deutschen Spieler sich viel zu viel Zeit, da hätten sie hinrennen sollen zum Ball und nicht schlurfen und sich’s dann auch nicht noch dreimal anders überlegen, wem sie den Ball zuwerfen! Und bis die mal einen Angriff aufgebaut hatten, einen vernünftigen, das dauerte Jahre.
»Gib doch endlich ab, du Kackarsch!« Das entfuhr mir so, und Mama sagte, wenn ich mich zu so etwas noch einmal unterstünde, wäre Feierabend.
Die Tschechen mauerten natürlich, um ihren Vorsprung über die Runden zu retten. Ein schönes Spiel sah anders aus, aber die wollten ja auch keinen Schönheitspreis gewinnen. Mit ihrer Defensivtaktik konnten sie sich allerdings keine neuen Torchancen erspielen, und das mußte sich irgendwann rächen, wenn der Fußballgott nicht schlief.
»Ich weiß wirklich nicht, wozu diese Torhüter den Ball immer so weit nach vorne dreschen«, sagte Mama. »Der landet doch jedesmal beim Gegner!«
Und da waren’s bloß noch drei Minuten.
Papa kam rein, mit dem üblichen Stullengebirge auf dem Teller und dazu noch Radieschenvierteln und Gewürzgurken, die beim Zerkauen krachten wie ’ne Mischmaschine.
Mein Rad hatte ich wohlweislich schon am frühen Abend nach unten gebracht.
»Welche Uhus spielen denn da?« fragte Papa mit vollem Mund.
Und da geschah das Wunder, kurz vor Ablauf der regulären Spielzeit – 2:2 durch Hölzenbein! Yappadappadu! In der allerletzten Minute! So wie damals Karlheinz Schnellinger im Jahrhundertspiel gegen Italien oder anno ’66 Wolfgang Weber im Wembleystadion! Und das auch noch mit dem Hinterkopf, so wie einst Uwe Seeler im Viertelfinale gegen England in Mexiko!
Beim 2:2 blieb’s auch nach zweimal fünfzehn Minuten Verlängerung, und dann ging das Elfmeterschießen los. Fünf Schuß für jede Mannschaft, immer abwechselnd. Da hätten wir Breitner gebraucht! Das dachte in dem Augenblick bestimmt auch Helmut Schön.
Die Tschechen fingen an. 1:0. Na und?
Kein Problem für Rainer Bonhof: 1:1.
Dann wieder die Tschechen: 2:1.
Flohe war der Nächste … 2:2!
Und wieder ein Tscheche … 3:2. Verflucht!
Für uns lief Hannes Bongartz an und verwandelte den Schuß. 3:3. Uff uff!
Sepp Maier hätte ruhig mal einen Elfer halten können, aber auch gegen das 4:3 war er machtlos, und nun durfte uns kein Fehler mehr unterlaufen.
Als Schütze Nummer vier legte sich Uli Hoeneß den Ball zurecht. Wieso nicht Dieter Müller? Oder Dietz? Oder Hölzenbein? Uli Hoeneß hatte doch schon 1974 versagt, in der Frankfurter Wasserschlacht. Da war er an Polens Elfmetertöter Tomaszewski gescheitert.
Und was machte Hoeneß diesesmal, die alte Pflaume? In die Wolken schoß er! Meilenweit über das Tor!
Jetzt ging’s um alles oder nichts. Noch ein Treffer, und die Tschechen wären Sieger. Konnten die nicht auch mal danebenhauen? Oder den Ball verstolpern? Oder ihn Sepp Maier in die Arme schießen?
Leere Hoffnungen! Die Tschechen gewannen das Elferschießen mit 4:3, und das war’s. Gute Nacht, good evening, bon soir.
Was ich noch zu sagen hätte,
dauert eine Zigarette …
Dieter Müller war überhaupt nicht mehr zum Zug gekommen.
Ich lag noch lange wach, aus Ärger über Helmut Schöns kapitale Fehler bei der Mannschaftsaufstellung, und als ich endlich eingeduselt war, polterte Mama ins Zimmer: »Was denkst du dir eigentlich? Hier nachts um halb zwei noch das Licht brennen zu lassen?«
Bevor ich begriff, was überhaupt los war, haute Mama wütend auf den Ausknopf meiner Leselampe, stürmte wieder raus und zog die Tür hinter sich zu, und ich saß im Dunkeln, mit Herzklopfen, hellwach.
Hatte ich nicht eben noch davon geträumt, daß mir ein Mädchen aus der Parallelklasse bei uns im Kellerabgang einen Kuß geben wollte? Irgendwas Anrüchiges hatte sich da angebahnt, aber die Erinnerung an den Fehlschuß von Uli Hoeneß machte alles zunichte.
Hätte Mama mich nicht weiterschlafen lassen können? Was kostete denn so ’ne 45-Watt-Birne an Strom, wenn man die brennen ließ? Und war die Ersparnis eine schlaflose Nacht wert?
Ich knipste die Lampe wieder an und überlegte, womit ich mich müde lesen könnte. Edgar Allan Poe?
Elend ist mannigfach. Die irdische Erbärmlichkeit vielgestaltig. Dem Regenbogen gleich überspannt sie den weiten Horizont …
Das war nicht ganz das richtige zum Einpennen, wenn man von etwas Schönerem zu träumen hoffte als von Nachtgespenstern. Also Buch zu und Licht wieder aus. Das Gehirn konnte man leider nicht so leicht ausknipsen.
Licht aus, Licht aus,
Vater holt den Dicken raus,
einmal rein, einmal raus,
fertig ist der kleine Klaus.
Woher kannte ich diesen Spruch überhaupt? Aus der Straßburger Straße?
Der neue Mieter unseres Hauses auf dem Mallendarer Berg war Jurist, und den wollte Papa vor der Vertragsunterzeichnung persönlich kennenlernen, weil er mit Vertretern dieses unseriösen Berufsstandes schon zu viele schlechte Erfahrungen gesammelt hatte. Nach Papas Meinung waren die Juristen Halunken, alle miteinander. Wenn’s Spitz auf Knopf stehe, vor Gericht, dann würden sie zusammenhalten, auch entgegen den Interessen ihrer Mandanten. Eine Krähe hacke der anderen kein Auge aus.