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war der Schlüter, nach wie vor, und der malte den Stundenplan an die Tafel. Montag: Sport, Sport, Franz, Deutsch, Englisch. Dienstag: Reli, Deutsch, Mathe, Geschi, Franz, Franz. Mittwoch: Chemie, Chemie, Mathe. Donnerstag: Deutsch, Geschi, Physik, Physik, Englisch, Reli. Freitag: erste frei und dann Mathe, Englisch, Franz und Deutsch. Und samstags zwei Stunden Kunst und noch eine in Franz.

      »Und was ist mit Erdkunde?« fragte der Bohnekamp.

      Erdkunde fiel aus.

      Vorne in dem neuen Geschichtsbuch prangte ein Bild von Ludwig XIV. Das war ein Fettsack mit Perücke und hochhackigen Schnallenschuhen und ’nem Umhang, der wie zwei dicke Bettdecken aussah. Und Hosen hatte der Lackel an, wie ’ne Ballerina im neunten Monat. Der Sonnenkönig! Selten so gelacht. Als dessen Untertan hätte ich mich auf dem kürzesten Seeweg nach Lummerland ausgeschifft.

      Im Englischbuch hatte ein Abschnitt die Überschrift »Stop to think«, was Hermann witzig fand, weil er dachte, das heiße »Hör auf zu denken«. Wir sollten aber alle mitdenken und auch den Zweck der Massenkommunikationsmittel hinterfragen.

       TV, like radio and newspapers, is a means of informing and entertaining people. In fact, it is the greatest mass medium of communication ever invented …

      Am gegenüberliegenden Ende der U-Form saß eine Schülerin, die so schön war, daß ich’s kaum aushielt. Michaela Vogt. Ich mußte mich zusammenreißen, um die nicht immer anzustarren, aber wohin hätte ich denn sonst kucken sollen, wenn die mir geradewegs gegenübersaß? Und wie sollte ich das ein Jahr lang ertragen, ohne überzuschnappen?

      In der neuen Zeit stand mein Geschreibsel über die Fragwürdigkeit von Sportzensuren. Da konnte ich mich also wieder mal auf 25 Eier freuen. Leider fiel mir auch zu der neuesten Frage, was Ostdeutsche und Westdeutsche noch verbinde, nichts ein, weil ich keine Ostdeutschen kannte. Außer Papa.

       Uff …

      Mit diesem Grunzlaut fing Michael Gerlachs neuester Brief an. Dieser Sauhund befand sich ja jetzt im Urlaub in Österreich.

       1. Tag: Nach elf Stunden Fahrt sind wir glücklich in Sölden angekommen. Das Nest liegt 1300 m hoch und ist zwischen kahlen Bergriesen eingeklemmt, die es abermals um 1000 m überragen (wenn nicht mehr). Da die Berge für uns dem Anschein nach unbesteigbar sind und sich diese Gebirgslandschaft etwa 20 bis 30 km nach allen Himmelsrichtungen hin ausdehnt, komme ich mir vor wie in einer Mausefalle. Nur mit dem Unterschied, daß die Maus durch baldigen Tod erlöst wird, während ich hier noch drei Wochen hocken muß.

       Außerdem ist das Wetter saumiserabel: Die Berggipfel sind in Wolken gehüllt, es nieselt, und es weht ein eisiger Wind.

       Wenigstens sind die Unterkünfte einigermaßen ungezieferfrei, und es läßt sich leben, wenn man darüber hinweghört, daß sämtliche Türen, Wasserhähne und Fenster nach einem Tropfen Öl schreien, und wenn man großzügig darüber hinwegsieht, daß sich die mittelalterlichen Zimmerdecken so cirka in Holgers Schulterhöhe befinden.

       Dann wäre da noch das Problem mit den Schillingen. Die ewige Umrechnerei – mal 7? durch 14? durch 7? mal 14? – macht einen ganz konfus. Am Ende weiß man nie genau, wieviel man ausgegeben hat.

       2. Tag: Die Sonne scheint! Welch eine Veränderung! Es ist zwar nicht sehr warm, aber schön hell. Gefrühstückt haben wir in der Pension, jeder zwei Brötchen, die sehr gut geschmeckt haben. Dann sind wir mit dem Auto losgefahren. Erstmal akklimatisieren. In »Hochgurgl« sind wir ausgestiegen, so in 2100 bis 2300 m Höhe. Tolle Luft. Die Kühe liefen frei rum und blockierten die Straße, zusammen mit hungrigen Pferden (eines hat nach meinem Vater getreten, weil es leer ausgegangen war). Auf der Alm rumzurennen hat auch nicht schlecht Spaß gemacht. Schön steil und alles voller Bäche. Kein einziger Baum, nur Krüppelkiefern. Beim Rumrennen selber war ich gar nicht müde, aber nachher im Auto bin ich fast eingepennt.

       In der Pension erhielten wir die frohe Botschaft, daß wir in eine Ferienwohnung nebenan umziehen könnten. Ganz modern, nichts quietscht, und die Decken sind hoch genug. Wir haben gleich umgeräumt. Ist schon doll, daß wir nicht mehr in dem Quietsche-Verlies wohnen.

       Tschüß, Dein bergwandernder Michael!

      Wenn ich als dessen Zwillingsbruder geboren worden wäre, hätte ich da mitwandern können, statt im Emsland zu verrotten.

      Volker schimpfte über die Belastungen in der reformierten Oberstufe: Die Lauferei von einem Kurs zum andern würde ihn völlig wuschig machen. Das Maristengymnasium sei das reinste Labyrinth.

      Im DFB-Pokal spielte der SV Meppen gegen Rot-Weiß Essen und verlor 2:3 nach Verlängerung. Da fehlte eben noch einer wie ich, oder nicht? Mit dem SV Meppen durchmarschieren im DFB-Pokal, bis zum Sieg im Endspiel und dann in der nächsten Saison im Finale des Europapokals den FC Barcelona in die Knie zwingen oder Inter Mailand oder von mir aus auch Feyenoord Rotterdam oder Hajduk Split. Die denken dann erst wunder was, wie leicht sie’s hätten, weil sie zur Halbzeit schon mit 6:0 in Führung liegen, aber in den letzten zehn Spielminuten bäumt sich der Abwehrrecke Martin Schlosser auf und brilliert mit einem doppelten Hattrick und läuft nach einem Foul des gegnerischen Kapitäns auch mit Rippenfraktur und gebrochenem Nasenbein wieder auf, erzielt mit einem kolossalen Weitschuß aus dem eigenen Strafraum das allesentscheidende Tor und sichert sich damit einen Platz in der ewigen Ruhmeshalle des Rasensports. Günter Netzer in der Sportschau: »Heute haben wir den neuen Fußballgott gesehen.« Gerd Müller widerruft die Erklärung seines Rücktritts aus der Nationalmannschaft, um mit mir gemeinsam stürmen zu dürfen, und Pelé kommt eigens angereist, um mich bei der Siegesfeier in Meppen auf seinen Schultern durch die Innenstadt zu tragen …

      Den Kunstunterricht erteilte ein bärtiger Lehrer namens Lorber in einem Neubautrakt mit riesigen Fenstern. Wenn ich mich nicht verhört hatte, standen einem da praktische Übungen mit dem Werkstoff Ton bevor, und nach der Pause ging’s im Gänsemarsch zum Sprachlabor, wo man sich Kopfhörer aufsetzen, Knöpfe drücken und verwickelte, auf französisch gestellte Fragen beantworten sollte. Das beste an der Stunde waren die vielen Unterbrechungen. Beim Albers wackelte der Stuhl, beim Dralle überlagerte ein Fiepton die Stimme aus dem Kopfhörer, und beim Holzmüller funktionierte überhaupt nichts.

      Zu Oma Jevers 70. Geburtstag hatte Mama ein Gedicht geschrieben, das sie bei der Feier in Jever vortragen wollte.

       Mutti siebzig, Vati achtzig –

       Das ist mal ein Jubiläum!

       Ist man da Chronist, man sagt sich:

       Lüttjes’ Sippe, ja, die macht sich!

       Und kein Hauch da von Museum.

      Das war nur die erste von unglaublich vielen Strophen. Am Eßtisch tippte Mama ihr Gedicht ins reine, und bis sie damit fertig war, durfte man sich nicht viel lauter als ein Spinnenschatten durchs Haus bewegen: »Stör mich jetzt nicht!«

       Was in Kriegs- und Nachkriegszeiten,

       Mutti, Du bewältigt hast,

       trotz der tausend Widrigkeiten

       und der Not auf allen Seiten,

       hat man später erst erfaßt …

      Die fertigen Seiten klammerte Mama zusammen, und sie warnte mich davor, die mit Fettfingern anzufassen.

      Als Geschenk für Oma Jever hatte sie eine Kaffeemaschine gekauft. Von der Feier kamen Mama und Papa am Sonntagabend aber ohne rauschende Festlaune zurück. Beim Essen im Haus der Getreuen, sagte Mama, hätten fremde Leute einen Tischplatz im Festsaal zu besetzen versucht, und die habe Papa mit seinem finsteren Blick in die Flucht geschlagen. (»Richard, kuck mal böse!«)

      Das habe gewirkt.

      Montagmorgens ließ der Weiler die ganze Klasse über unterschiedlich hohe Kästen hoppeln,

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