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besten Start hatte Hertha BSC erwischt – drei Treffer gegen Karlsruhe, kein Gegentreffer, 2:0 Punkte und Platz 1. Aber nicht für lange! Darüber brauchten sich die Herthaner keinen Täuschungen hinzugeben.

      Die Gedenksendungen zum 15. Jahrestag des Mauerbaus im Fernsehen konnte ich mir nicht ansehen, weil Mama und Papa abends Gäste empfingen, zwei ortsansässige Ehepaare, die fast eine halbe Stunde lang brabbelnd im Flur herumstanden, bevor sie sich von Mama ins Wohnzimmer lotsen ließen, zu den Sherry-, Bier- und Weinvorräten und den Häppchentellern.

      Zum eigenen ersten Match nach der Sommerpause mußten wir in Schwefingen antreten. Ich heftete mich an die Fersen des Mittelstürmers, der aber von vorsichtigem gegenseitigem Abtasten noch nie etwas gehört zu haben schien. Der rannte blindlings auf einen zu und probierte es dann mit Absatzkicks und solchen Scherzen. Weil er damit bei mir nicht durchkam, stieß er mich, nachdem ich ihm den Ball abgeluchst hatte, von hinten um, und ich schrammte mir im Sturz das rechte Knie auf und verlor den Ball an einen anderen Schwefinger Stürmer, der die Chance nutzte und die Steilvorlage aus dem Stand zum Führungstor verwandelte.

      Das vorausgegangene Foul an mir hatte der Schiedsrichter ignoriert.

      Mit der Knieverletzung war ich nicht mehr ganz so wendig wie zuvor, aber sobald der Superarsch von Mittelstürmer auf mich zugerannt kam, mobilisierte ich meine Kraftreserven. Der sollte mich kennenlernen!

      Freistoß.

      Mauerbau.

      Abgewehrt.

      Und Gegenangriff. Alles nach vorne! Aufrücken, Kombinationsspiel – vorne halbrechts lief sich Didi frei!

      »Hinten alles raus!« schrie Uli Möller.

      Auf dem rechten Flügel setzte sich Didi durch, lief mit dem Fuß am Ball direkt aufs Tor zu, ließ einen weiteren Verteidiger aussteigen und wurde im Strafraum mit gestrecktem Bein gelegt.

      Den Elfmeter schoß Didi selbst, aber an den Pfosten, und aus dem anschließenden Gerangel ging der Torwart als Sieger hervor, und beim Konter griff unser eigener zum zweitenmal daneben.

      In der Pause schiß Uli Möller uns alle zusammen und lobte nur Didi in den höchsten Flötentönen.

      Die zweite Halbzeit war Schwerstarbeit. Ich verlor mehrere Zweikämpfe und lief meiner Form von früher hinterher. Spürte ich da eine Verhärtung im rechten Oberschenkel?

      Mit einem Volleyschuß traf Didi bloß die Latte.

      Beim Abpfiff stand es 6:0 für Schwefingen, und wir schlichen in die Umkleidekabine wie begossene Pudel.

      Auf der Rückseite einer Ansichtspostkarte aus dem Alpenhochland teilte Michael Gerlach mir seine neuesten Urlaubserlebnisse mit.

       Jodltiroh!

       Damit Du mal einen Eindruck davon bekommst, wie das hier so aussieht, schick ich Dir diese Karte. Nach Rofen – so heißt das Kaff – haben wir heute ’nen Ausflug gemacht. Das ist der höchstgelegene Ort in Österreich (2014 m). Na ja, Ort ist übertrieben … ’n paar olle Holzhütten stehn da rum, aber sie sind bewohnt. Dann gibt’s noch ’ne verschimmelte Kirche, und basta. Als wir da waren, hat’s geregnet. Sehr unangenehm. Über die Brücke sind Harald und ich trotzdem rübergegangen. Die war noch verschimmelter als die Kirche, und das will was heißen. Mittendrin war sie zweimal durchgebrochen. Da lagen dann einfach Bretter drüber. An ein paar Nägeln hing also unser Leben. Das Bild untertreibt noch. Es war viel fieser, schmaler und höher da oben.

       Tschüß, der Platz ist alle.

      Mit der gleichen Post war ein Kärtchen von Renate und Olaf aus Biarritz einegetroffen: Der Rotwein schmecke gut, obwohl er billig sei, und die Landschaft sei schöner als die am Rhein.

      Vorne auf der Karte sah man aber ziemliche Betonklötze am Strand herumstehen.

      Als ich einmal früher wach geworden war als alle anderen, lief mir auf der Terrasse ein rotbraunes Kätzchen zu. Ich servierte ihm Milch und Cervelatwurst und lockte es dann in mein Zimmer und sperrte es in meinem Schiebeschrank ein. Mama brauchte nichts davon zu wissen.

      Von der Unfallversicherung der Tante, die ihr in Koblenz reingefahren war, verlangte Mama mehr als eintausend Mark, obwohl die Reparatur weniger als die Hälfte gekostet hatte. Den Rest forderte Mama für die »merkantile Wertminderung« und den »Nutzungsausfall«, und dann knallte sie noch eine »Unkostenpauschale« drauf und behauptete: »Durchschrift dieses Schreibens mit Ablichtung der Anlagen und des Vorgangsschreibens habe ich vorsorglich meinem Anwalt übergeben.« Was gelogen war, denn Mama hatte gar keinen Anwalt.

      Versicherungen, sagte sie, müsse man rotzfrech gegenübertreten, sonst nähmen die einen nicht für voll.

      Abends spielte ich mit dem Kätzchen herum, als es satt war vom Fressi-Fressi aus Aufschnitt und Milch. Nach lose baumelnden Wollknäuelfäden zu schnappen, die man ihm hinhielt, das gefiel dem Tierchen gut, und es schnurrte genüßlich, wenn man es auf den Schoß nahm und es im Nacken kraulte oder am Bauch.

      Ein halbes Honigbrötchen überließ ich dem Kätzchen morgens und machte die Schiebeschranktür wieder zu.

      Nach der Schule stellte Mama mich zur Rede: Wo dieses Katzenvieh herkomme, das ich in meinem Zimmer gefangenhielte. »Ich geh da nichtsahnend rein, um zu staubsaugen, und dann jault da diese Kreatur und kratzt von innen an der Schranktür!« Um die Katze wieder loszuwerden, gab Mama eine Anzeige auf:

       Kleines Kätzchen (braun/weiß) zugelaufen. Georg-Wesener-Str. 47.

      Die Katze durfte dann bis auf weiteres im Keller hausen und zwischen Papas Werkzeugen herumginstern.

      In der »Zeit-Lupe« wurde danach gefragt, wie sich die Sexualkunde aus Schülersicht darstelle. Auch darüber wollte ich mich nicht öffentlich äußern, obwohl ich ziemlich scharf gewesen wäre auf die 25 Mark.

      Für das Zeitmagazin hatte der Schriftsteller Walter Kempowski Helmut Kohl gefragt, was er so lese, und Kohl hatte gesagt: »Also, wenn Sie mich so fragen – ganz vornean, alles andere totschlagend, das war Hölderlin.«

      Hölderlin als Totschläger?

      »Der ist doch nicht ganz gar gebacken, dieser Kerl«, sagte Mama.

      In dem Interview hatte Kohl auch noch anderen Stuß von sich gegeben: »Ich bin einer, der Politik sehr stark aus der Geschichte heraus begreift.« Ja, wie denn sonst?

      Mit dem Begrifferätsel ganz hinten im Zeitmagazin, »Um die Ecke gedacht«, verbrachte Mama jedesmal Stunden, und wenn sie irgendwas nicht rauskriegte, rief sie Tante Dagmar oder Tante Luise an, die sich mit der Lösung desselben Rätsels abrackerten. »Hilf mir doch mal bei vierzehn waagerecht auf die Sprünge: ›Tanker können, wenn sie beim Auslaufen da rauslaufen, auslaufen.‹ Fünf Buchstaben, erster R.«

      Woraus mochten denn wohl Tanker beim Auslaufen rauslaufen? Aus dem Hafen? Falsch. Mit R sollte das Wort anfangen und fünf Buchstaben haben.

      Rickeracke, Hühnerkacke. Wie konnte man sich nur über solchen Mist den Kopf zerbrechen?

      Um die richtige Lösung zu finden, mußte Mama erst noch einen Haufen anderer Begriffe erraten, und dann rief sie: »Ruder! Tanker können auslaufen, wenn sie beim Auslaufen aus dem Ruder laufen!«

      Da wär ich in hundert Jahren nicht drauf gekommen.

      Auf Renates Wunsch rief Mama jeden Tag bei den Menschen vom Arbeitsamt Bielefeld an, um sich nach einem Job für Renate zu erkundigen, aber die hatten nix.

      Mein Relief mit dem Schwimmer und dem Hai gab mir der Lorber mit der Note Vier zurück. Ich hätte das »Thema verfehlt«.

      Aha. Das Schwimmen auf der Flucht vor einem Hai stellte also keine Arbeit oder Tätigkeit dar. Im Pazifik, mit ’nem Haifisch hinter sich, da hätte ich den Lorber gern mal sehen wollen: Ob er dann wohl ohne echten Arbeitseifer ausgekommen wäre?

      »Nimm dir ein Beispiel an mir«, sagte Hermann,

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