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Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band. Gerhard Henschel
Читать онлайн.Название Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9783455005011
Автор произведения Gerhard Henschel
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
Papa sagte, Seifenlauge könne man auch selber machen, aus Wasser und Palmolive. Aber man brauchte auch was, wodurch man pusten konnte. Dafür klemmte Papa im Keller ein altes Teesieb in den Schraubstock und hatte damit zu tun, bis es dunkel wurde.
Uwe hatte rausgefunden, daß in den Betonschächten links und rechts von der Auffahrt zur Tiefgarage unterm Ladenzentrum leere Flaschen lagen, für die man bei A&O Geld bekam.
Ein Duplo kostete zwanzig Pfennig und ein Mars fünfunddreißig, und beim Bäcker gab es für jeden Pfennig ein Gummibärchen. Wenn wir keine Pfandflaschen fanden, schickten wir Heinz los, Leute anbetteln: »Können Sie mir einen Pfennig geben?« Wir warteten hinter der Ecke. Von den Pfennigen kauften wir uns Gummibärchen, ohne Heinz was abzugeben.
Das petzte er Claudia. Die sagte, daß wir gemein seien, und Uwe sagte doofe Kuh zu ihr.
Als wir nachhause kamen, stand Frau Strack schon keifend vorm Haus: »Uwe, küste bej misch!«
Uwe rannte über das Beet vor der Tür bis zum Zaun. Erst wollte Frau Strack ihm nach, aber dafür hätte sie auch über das Beet gemußt.
»Dau damische Sau do!« rief Uwe.
Das werde sie dem Papa sagen, brüllte Frau Strack und drohte Uwe mit der Hand, da sei aber was fällig! Dann stampfte sie ins Haus und knallte die Tür zu.
Wir liefen ins Wäldchen. Das werde er Claudia noch heimzahlen, sagte Uwe.
Unten in der Hausruine stand ein Mann und schoß mit einem Gewehr auf Zielscheiben aus Papier. Wir sahen zu. Dann fragte ich den Mann, ob er Platzpatronen benutze. Er zeigte mir einen Vogel und sagte: »Mit Platzpatronen kann man nicht schießen, die knallen nur.«
Wir gingen wieder hoch und schmissen Steine in die Schlucht, bis Bezaubernde Jeannie anfing.
Ich war froh, daß ich nicht Uwe war.
Uwe hatte Hausarrest. Ich ging alleine ins Wäldchen, um eine Falle zu bauen. Mit der Sandkastenschippe buddelte ich ein Loch in einen der Pfade. Da sollte jemand reinstolpern.
Die Erde war hart, und ich stieß auf Baumwurzeln.
Nachmittags nahmen Volker und Kalli mich in den Wald mit. Waldi war auch dabei. Er hatte es gern, wenn man ihn hinter den Ohren kraulte. Im Wald nahm Kalli ihm die Leine ab, und Waldi rannte kläffend ins Dickicht, hinter Karnickeln her oder hinter Ratten. Sieben Hundejahre würden einem Menschenjahr entsprechen, sagte Kalli, und deshalb sei Waldi schon vierzehn Jahre alt.
Kalli konnte Fährten lesen. Er wußte, wie man Eichelhäher, Bussarde, Falken und Habichte unterscheidet, daß Bäume eingehen, wenn man die Rinde abschält, und daß Laubbäume durch die Blätter atmen. Er konnte auch Schmetterlinge unterscheiden: Admiral, Zitronenfalter, Tagpfauenauge und Nachtpfauenauge.
Hin und wieder waren am Himmel Bananenhubschrauber zu sehen.
Wenn Waldi angehechelt kam, dann nie mit Beute, aber er brachte Stöckchen zurück, die man geworfen hatte. Die legte er einem vor die Füße. Dann bellte er laut und wedelte mit dem Schwanz.
Neben einem der Wege war ein Bach und weiter oben ein Tümpel mit grünem Zeug drauf. Da gab es Fliegen, die auf dem Wasser laufen konnten. Aus dem Tümpel kuckten Äste.
Unter einer Bank fanden wir ein Schlüsselbund mit Etui. Einer von den Schlüsseln hatte oben ein VW-Zeichen, wie der von Papa, aber Papas Schlüsseletui sah anders aus. Kalli sagte, wir könnten ja mal kucken, ob der Schlüssel zu einem VW auf der Horchheimer Höhe paßt, und dann ’ne kleine Spritztour unternehmen. Kalli war schon mal Auto gefahren, ein kleines Stück auf der Schmidtenhöhe, mit seinem Vater zusammen.
Volker sagte, daß der Besitzer uns Finderlohn geben müsse, aber weil wir nicht wußten, wie wir den Besitzer finden sollten, legten wir das Schlüsselbund wieder unter die Bank. Wenn der Besitzer dann ankäme und das Etui da liegen sähe, wäre der völlig aus dem Häuschen vor Freude.
Wir gingen noch mit zu Kalli. Seine Eltern waren weg. Waldi legte sich in der Küche in sein Körbchen. An den Wänden im Wohnzimmer waren Geweihe aufgehängt, und auf dem Boden lag ein Wildschweinfell als Teppich.
Kalli stellte eine Holzkiste mit Katjes auf den Tisch und sagte, daß wir uns bedienen sollten. Zu trinken gab es Karamalz aus der Flasche. Kalli hatte auch ein Tonband und massenweise Micky-Maus-Hefte. Er legte die Füße auf den Tisch und sagte, am Sonntag würde er wieder auf die Jagd gehen. Der hatte es gut. Im Frühtau zu Berge wir ziehn, fallera!
Ich wollte auch einen Dackel haben, aber Mama sagte, vier Kinder seien ihr genug, da brauche sie nicht auch noch einen Köter im Haus. Ich würde binnen kürzester Zeit jedes Interesse an dem Tier verlieren, und dann wäre sie diejenige welche, an der die ganze Arbeit hängenbleibe. Außerdem hätten Hunde Flöhe, und damit basta.
Das nächste Mal wollten Volker und Kalli ohne mich los, aber ich schlich ihnen nach. Im Wald versteckte ich mich hinter Bäumen, mit Abstand, damit Waldi mich nicht witterte.
Indianer konnten auf Zweige und Blätter treten, ohne ein Geräusch dabei zu machen. Indianer hatten aber auch Mokassins an und keine Gummistiefel.
Volker und Kalli gingen einen Weg rauf, den ich noch nicht kannte. Einmal blieben sie stehen, und Volker sah mich. Sie glaubten mir nicht, daß ich nur zufällig im Wald war. Volker sagte, ich sei eine Nervensäge, aber Kalli hatte nichts dagegen, daß ich mitkam.
Von einer Stelle am Waldrand aus konnten wir Panzer auf der Straße fahren sehen. Da, wo wir saßen, lag eine Patrone zwischen den Blättern, die grün und untendrunter golden war. Als wir in den Blättern wühlten, fanden wir noch mehr Patronen, ein ganzes Vorratslager davon. Kalli sagte, das sei Gewehrmunition. Wir wollten was davon mitnehmen, aber dann kam ein Soldat und sagte, daß wir die Patronen liegenlassen sollten. Kalli sagte, daß wir die Patronen als erste gefunden hätten, und der Soldat sagte, wir sollten die Goschen halten und Leine ziehen.
Er blieb da stehen, bis wir weg waren. Acht von den Patronen hatte Kalli gemopst. Die wollte er aufbrechen und das Zündpulver rausholen und dann irgendwas in die Luft jagen. Wir dürften ihn aber nicht verpfeifen, sagte Kalli. »Wenn mein Alter das spitzkriegt, bin ich geliefert.«
Als Uwe wieder rausdurfte, gingen wir in den Wald. Das Schlüsseletui war weg. Dafür fanden wir mitten auf dem Weg einen toten Hirschkäfer, der ganz schwarz war.
Wir gingen einen steilen Pfad rauf. An der einen Seite standen die Tannen so dicht, daß man nicht mehr durchkucken konnte. Da mußten auch irgendwo Wutzen sein. Um sie in die Flucht zu schlagen, sangen wir die Lieder, die wir kannten, auch das von Bolle, der seinen Jüngsten im Gewühl verliert, bei einer Keilerei das Messer zieht und fünfe massakriert. Das Hemd war ohne Kragen, das Nasenbein zerknickt, und am Ende wird Bolle von seiner Ollen noch ganz fürchterlich verdrescht.
Ich mußte kacken und hockte mich dazu in eine Kuhle. Uwe sagte, das sei ein Bombentrichter aus dem Weltkrieg. Als ich fertig war, brachte Uwe mir Blätter zum Abputzen und hielt sich die Nase zu.
Und was dahinten runterfällt, das ist der Duft der weiten Welt.
Die Kackwurst lockte große Schmeißfliegen an, die in allen Farben schillerten.
Oben auf dem Berg war eine Lichtung mit Hochstand. Wir stiegen die Leiter hoch. Die Tür war offen. Hier saßen sonst die Jäger und schossen auf Rehe und Wutzen.
Unten gingen ein Mann und eine Frau lang. Wir warteten, bis sie fast nicht mehr zu sehen waren, dann riefen wir: »Verliebtes Paar! Küßt euch ma!« Danach duckten wir uns. Durch die Ritzen konnten wir sehen, daß das Liebespärchen stehengeblieben war und in unsere Richtung kuckte. Als nächstes riefen wir: »Verliebt, verlobt, verheiratet!«
Simsaladim, bambaa, saladu, saladim.
Dann flog eine Hummel in den Hochstand, die so groß war, daß sie auch eine Hornisse sein konnte. Bei Hornissen genügte ein einziger Stich, und man starb. Erst nach