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Volker, und weil ich Linkshänder war, kamen wir uns immer mit den Ellbogen ins Gehege, bis wir ein für allemal umgesetzt wurden, Volker nach rechts und ich nach links, damit wir uns nicht mehr benahmen wie die Botokuden.

      Den Eßtisch hatte Papa selbst gebaut. Ein schwarzes Metallgestänge, zusammengeschweißt, und obendrauf eine weiße Schleiflackplatte, groß genug für sechs Leute. Da hätten auch acht Leute drangepaßt.

      Wiebke sabberte in ihr Lätzchen. Ich selbst durfte schon eine Serviette benutzen.

      Nachtisch gab es erst, wenn der Teller leer war. Auch die letzten Soßenreste mußten weg sein. Papa prampte da bei sich mit der Gabel immer eine Kartoffel rein. Ich versuchte das auch, aber so blank wie Papas Teller wurde meiner nie. Einfacher wäre es gewesen, den Teller abzulecken, aber das war verboten.

      Quarkspeise mochte ich am liebsten und am zweitliebsten Vanillepudding. Wenn Mama fragte, wie es schmecke, sagte Papa: »Wie Zement.«

      Stracks aßen früher als wir. Wenn wir uns gesegnete Mahlzeit wünschten, turnte Uwe oft schon wieder im Kletterbaum rum, und ich löffelte eilig meinen Nachtischteller aus.

      »Erster!«

      Vor dem Aufstehen wurde nochmal gebetet: Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte wäret ewiglich. Amen.

      Im Wäldchen brachen Uwe und ich uns Speere ab, um Karnickel zu jagen. Ein Karnickelloch hatten wir schon gefunden, und wir legten uns auf die Lauer. Als wir keine Lust mehr hatten, auf Karnickel zu warten, schleuderten wir die Speere in die Schlucht. Ich kriegte einen Splitter in die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger und lief nachhause. Mama zog mir den Splitter mit der Küchenpinzette raus, machte die Stelle mit Wasser und Seife sauber und streute ein Puder drauf, das brannte.

      »Hab dich nicht so.«

      Auf der Müllkippe hatte jemand eine große Ladung Schalen mit Fleischsalat abgeladen. Die durchsichtigen Deckel konnte man abmachen. Mit den Fingern holten Uwe und ich die Fleischwurststückchen raus und aßen sie auf, bis wir genug davon hatten. Auf die restlichen Schalen ließen wir große Steine fallen, damit es spritzte.

      Auf dem Nachhauseweg wurde mir schlecht. Auch Uwe wurde schlecht. Ich mußte ins Klo brechen. Mama wischte mir mit Klopapier den Mund ab. Ich wollte nie wieder Fleischwurst essen. Ich wollte überhaupt nie wieder was essen.

      Mama brachte mich ins Bett und sagte, daß morgen früh alles wieder gut sein werde, aber als sie das Licht ausgemacht hatte, dachte ich an den Fleischsalat und mußte ins Bett brechen. »Herr des Himmels!« sagte Mama und ging wieder mit mir aufs Klo und steckte mir den Finger in den Hals, aber diesmal kam nicht mehr viel.

      Weil das Kinderzimmer so nach Gebrochenem roch, durfte Volker auf dem Wohnzimmersofa schlafen und ich auf einer Luftmatratze im Handarbeitszimmer.

      An einem heißen Sonntag fuhren Stracks an die Lahn zum Baden. Ich durfte mit. Im Auto saßen wir hinten zu fünft. Ein Fensterplatz war für mich reserviert, weil ich nach Claudia das zweitälteste Kind war. Am anderen Fenster saß Claudia. Zwischen uns quetschten sich Uwe, Heinz und Kurt. Sie stritten und hauten sich, bis Herr Strack anhielt und Backpfeifen verteilte. Frau Strack, die vorne die brüllende Vera auf dem Schoß hatte, sagte, Volker und ich, wir seien doch bestimmt nicht solche Rotzlöffel.

      Um mich nicht nackt ausziehen zu müssen, hatte ich meine Badehose schon angezogen. Daß ich noch nicht schwimmen konnte, wollte Herr Strack nicht glauben, aber Uwe konnte auch noch nicht schwimmen.

      Da sitzt sie nun bei Wasserratzen, muß Wassernickels Glatze kratzen.

      Claudia sagte, daß ihr das Wasser zu kalt sei. Herr Strack hatte Haare auf der Brust und auf dem Rücken.

      Uwe sagte, sein Vater sei stärker als meiner, aber meiner war im Krieg gewesen und seiner nicht.

      Als ich Claudia ein Beinchen gestellt hatte, schnauzte Herr Strack mich so an, daß ich mir fast in die Hose machte.

      Im Ufergebüsch fanden Uwe und ich leere Colaflaschen und Zeitungspapier, mit dem sich jemand den Arsch abgewischt hatte.

      Wir sahen auch eine Libelle, die ganz blau war und in der Luft stillstand. Libellen würden nicht stechen, sagte Uwe, aber wir waren froh, als die Libelle weiterflog.

      Bevor wir zurückfahren konnten, mußten wir Heinz seine Brille suchen helfen.

      Mama saß am Eßtisch und klebte Fotos ein. Das hellblaue Zackenband aus der Schachtel mit den Fotoecken hing auf den Boden runter.

      Mein Album. Ich als Baby, in der Wanne, auf der Waage und wie ich die Flasche kriege. Auf dem Topf, im Laufstall, bei der Suche nach Ostereiern und vorm Weihnachtsbaum. Mein fünfter Geburtstag. Renate in ihrem Karokleid, und auf dem Wohnzimmertisch steht eine Flasche Bier.

      Die neuen Fotos hatte ich mir aufgespart bis zum Schluß. Die Wattwanderung und dann Gustav, Oma, Renate, Opa und ich in Hooksiel vor dem verschlossenen Strandkorb, der zu teuer gewesen war für Normalsterbliche wie uns.

      Wiebke hing in ihrer Schaukelhose, und Volker hatte den Jeep in der Mangel. Da ging das Licht nicht mehr an. Nebenan schimpfte Herr Strack, und man hörte Kurt heulen. Oder Heinz.

      Was hängt an der Wand, macht tick-tack, und wenn’s runterfällt, ist die Uhr kaputt?

      Mainzelmännchen kucken, Kaba mit Schmelzflocken trinken und Reklame raten: Erstmal entspannen, erstmal Picon. Bauknecht weiß, was Frauen wünschen. Hoffentlich Allianz versichert. Ei ei ei Verpoorten, Afri-Cola, der Gilb und die Kellergeister, die aus dem Kühlschrank getanzt kamen. Wiebke wollte immer nur den Bärenmarkebären sehen. Ich hatte Bärenmarke mal probiert, aber das schmeckte nicht.

      »Nimm deine Käsemauken da weg!« sagte Volker.

      Pistolen und Petticoats, Abenteuer im Wilden Westen, Bonanza und Rauchende Colts kuckte auch Uwe immer. Aber wenn wir Rauchende Colts spielten, wollten wir beide Marshall Matt Dillon sein und keiner Festus, auch wenn Festus einer von den Guten war.

      Bei Bonanza wollten wir beide Little Joe sein. Kurt war manchmal Hoss und Heinz gar nichts.

      Im Wilden Westen wurden die Pferde vor dem Saloon immer nur lose angeleint. Wieso liefen die nicht weg?

      Neckermann macht’s möglich.

      Weil ich Kopfweh hatte, schickte Mama mich hoch, das Fieberthermometer aus Papas Nachtschränkchen holen, aber im Elternschlafzimmer fand ich den Lichtschalter nicht. Auf Papas Bett lag was Schwarzes, das wie ein Wolf aussah. Ich ging wieder nach unten und sagte, daß auf Papas Bett ein Wolf liege.

      Volker tippte sich an die Stirn und ging selber hoch.

      »Das war kein Wolf, das war Papas Jackett, du Spinner«, sagte er, als er wieder runterkam.

      Dann kriegte ich das kalte Thermometer in den Po. Ich hatte Temperatur, aber Mama sagte, das sei kein Grund, das Zähneputzen ausfallen zu lassen. Danach kam sie zum Gutenachtgebet zu mir. Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.

      Das arme Jesuskind. Das mußte jeden Tag Essen bescheren und segnen und ganz allein wohnen. Wahrscheinlich hatte das Jesuskind nicht mal Spielzeug.

      Ich hatte Kater Mikesch, den Hasen Mumpe, einen Teddy, einen Schlumpf, neun Indianer, vier Mainzelmännchen und das weiße Schaf, das immer umfiel, weil das eine Bein ab war. Dann hatte ich noch die Kasperfiguren, auch wenn die mir nicht alleine gehörten: Kasper, Rotkäppchen, Schutzmann, Krokodil, Großmutter, König, Prinzessin, Teufel, Hexe, Gespenst und Tod. Beim Käppchen von Rotkäppchen blätterte aber schon die Farbe ab. Im dicken Krokodil fing einem immer die Hand an zu schwitzen, und der Schutzmann schielte und hatte einen weichen Kopf, den man von innen mit dem Finger gut verknautschen konnte. Der Totenkopf vom Tod war viel härter.

      Volker mußte auch schon ins Bett, weil die Schule wieder angefangen hatte. Als Mama gegangen war, machten wir das Licht wieder an und deckten alle Spielzeugtiere zu, auch die Mensch-ärgere-Dich-nicht-Figuren noch, und dann stand mit einemmal Mama im Zimmer: »Ich seh wohl nicht recht!«

      Papa

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