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Alles Geld der Welt. Gerhard Loibelsberger
Читать онлайн.Название Alles Geld der Welt
Год выпуска 0
isbn 9783839265789
Автор произведения Gerhard Loibelsberger
Издательство Автор
»Net aufhören … weitermachen … ja … so is brav.«
*
»Die Herren wünschen zu trinken?«
Heinrich von Strauch blickte über den Tisch zu seinem Freund Gustav von Boschan und dem Zeitungsherausgeber Moritz Szeps und stellte folgende Frage:
»Wie wäre es mit einem trockenen Sherry? Bei der Kälte wärmt das den Magen.«
Boschan und Szeps nickten zustimmend, der Ober eilte davon. Strauch beugte sich über die Speisekarte, überflog sie und sagte jovial:
»Mein lieber Szeps, mein lieber Gustav, ihr seid heute meine Gäste. Also bestellt euch was Ordentliches. Einen Tafelspitz oder ein Beefsteak.«
Szeps erwiderte mit ironischem Lächeln auf den Lippen:
»Zu gütigst, Herr Baron. Aber wenn ich auf ein Beefsteak Gusto hab’, kann ich mir das auch selbst leisten.«
»Ich wollt’ Ihnen nicht nahetreten, mein Lieber. Selbstverständlich können Sie sich als Herausgeber des Neuen Wiener Tagblatts ein gutes Papperl14 leisten. Ich hab’ das vorher ja nur g’sagt, weil ich möcht’, dass es Ihnen gut geht.«
»Sehr liebenswürdig, Herr Baron.«
Der Ober servierte den Aperitif und fragte:
»Zu speisen, die Herren?«
»Der Herr Herausgeber, der Herr von Boschan und meine Wenigkeit nehmen dreimal das Beefsteak. Dazu ein paar Braterdapferln, eine Buttersauce und ein Spiegelei drüber.«
»Wollen die Herrschaften Kohlsprossen15 dazu?«
»Ja, warum denn nicht. A bisserl was Grünes am Teller ist immer fesch.«
Moritz Szeps räusperte sich und sagte leise:
»Verzeihen Sie, aber das ist mir a bisserl zu üppig. Ich nehm’ einen Tafelspitz mit Apfelkren und Gerösteten.«
»Wünschen der Herr auch eine Schnittlauchsauce dazu?«
»Nein, nur Apfelkren.«
Nun schaltete sich Gustav von Boschan ein:
»Sei mir nicht bös’, Heinrich, aber ich hab’ heut’ Lust auf Fisch. Deshalb nehm’ ich die Forelle Müllerin mit Salzerdapferln.«
Der Ober notierte die Speisen und fragte dann:
»Wünschen die Herren eine Suppe?«
Szeps überlegte kurz und entschied sich für eine Bouillon mit Ei, Strauch und Boschan bestellten Frittatensuppe. Zur Begleitung der Speisen wurde ein halber Liter Weißer vom Nussberg geordert.
»Nun, was macht die Börse, Herr Baron?«
»Sie prosperiert, sie prosperiert. Die Geschäfte laufen glänzend. Und deswegen sitz ma ja auch zusammen.«
»Gründen S’ am End schon wieder eine neue Gesellschaft?«
»Nicht irgendeine Gesellschaft, mein lieber Szeps.« Heinrich von Strauch nahm einen Schluck vom Weißwein.
»Ich hab’ gemeinsam mit meinem lieben Freund Gustav die Niederösterreichische Wohnbaugesellschaft gegründet. Sie geht dieser Tage an die Börse.«
»Ich hab’ davon läuten gehört. Die Frage ist, was unterscheidet diese Baugesellschaft von den unzähligen anderen, die im Laufe des letzten Jahres gegründet wurden?«
Die Suppe wurde serviert, und Heinrich von Strauch ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Er löffelte seine Frittaten, lobte den kräftigen Geschmack der Rindsuppe und wartete, bis Szeps seine Bouillon ausgelöffelt hatte. Boschan war als Erster fertig. Er legte den Löffel zur Seite und sagte in beiläufigem Tonfall:
»Nun, die Niederösterreichische Wohnbaugesellschaft unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von anderen Neugründungen: Sie besitzt Grundstücke. Baugrundstücke.«
»Und wo?«
»Überall dort, wo Niederösterreich an das Wiener Stadtgebiet angrenzt: Matzleinsdorf, Margarethen, Meidling, Hietzing, Lainz und Ober-St. Veit. Und dazu besitzt sie Liegenschaften in Gloggnitz und St. Pölten. Alles in allem rund hunderttausend Quadratklafter16.«
»Ich bin beeindruckt. Das ist ja einmal eine Baugesellschaft, die über einige reelle Werte verfügt. Und wer ist der Präsident des Verwaltungsrats?«
Nun schaltete sich Heinrich von Strauch in das Gespräch ein:
»Mein Freund Gustav.«
»Und warum nicht Sie?«
»Nun, ich steh’ eh schon zu sehr im Rampenlicht. Ich möcht’ mich nicht noch mehr exponieren.«
Der Tafelspitz, die Forelle und das Beefsteak wurden serviert. Die Herren aßen schweigend und mit Appetit. Danach orderte Heinrich von Strauch drei Stamperln Becherovka. Nachdem Szeps einen kräftigen Schluck davon gemacht hatte, fragte er:
»Wozu erzählen Sie mir das eigentlich?«
»Na, weil wir in Ihrem Blatt werben wollen.«
»Da müssen S’ mit den für die Reklameannahme zuständigen Personen sprechen.«
»Kommt doch gar nicht infrage. Ich red’ mit Ihnen, Sie machen mir einen anständigen Preis. Und alles Weitere geht mich nichts an.«
»Und was verstehen Sie unter einem anständigen Preis?«
»Einen günstigen. Was denn sonst?«
*
Alois Pöltl war ein ehrenwerter Mann, der das Handwerk des Barbiers nach allen Regeln der Kunst und darüber hinaus äußerst profitabel ausübte. Letzteres hatte mit der Lage seines Barbierladens zu tun, der sich in unmittelbarer Nähe zur Börse, in der Wipplingerstraße, befand. Zu seinen Kunden zählten Bankiers, leitende Bankangestellte und Beamte, Börsenagenten, Großhändler, aber auch Mitglieder des Adels sowie angesehener Bürgerfamilien. Tatsächlich gehörte es in gewissen Kreisen seit Jahren zum guten Ton, sich von Maître Pöltl rasieren und die Haare schneiden zu lassen. Kurzum, Pöltls Geschäfte liefen blendend, und so hatte er vor einigen Jahren um die Hand der Tochter eines seiner Kunden angehalten. Der betreffende Herr Papa ließ sich regelmäßig von Herrn Alois verschönern und kannte dessen wohlbestallte Situation. Also hatte er dieser Verbindung zugestimmt. Da der Barbier Alois Pöltl seinem Eheweib ein angemessenes Heim bieten wollte, hatte er eine prachtvolle Wohnung in einem eben erst errichteten Haus in der Mariahilfer Vorstadt bezogen. Bald danach kamen das erste, das zweite und schließlich das dritte Kind zur Welt. Alois Pöltl hatte nun drei hungrige Mäuler zu ernähren sowie eine Frau zu erhalten, die eine glühende Bewunderin der Kaiserin17 und ihrer Schlankheit war. Das bedeutete, dass sie nach dem dritten Kind sich eine strenge Diät auferlegte und nach und nach schlank wie eine Gerte wurde. Alois Pöltl, der eher den weiblichen Rundungen als den Ecken und Kanten der weiblichen Anatomie zugetan war, musste dies mit Bedauern feststellen. Auch eine charakterliche Veränderung brachten