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noch rüstig, und wenn er sich ein wenig mehr pflegen würde, wäre er sogar eine stattliche Erscheinung. In St. Johann erzählte man sich, daß der Brandhuber-Loisl in jungen Jahren so mancher Dorfschönen den Kopf verdrehte. Geheiratet hatte der alte Schwerenöter aber nie. Früher hatte er ein Stück Land besessen, das er beackerte. Heute hauste er in einer alten Tagelöhnerkate am Rande von St. Johann und lebte von einer kleinen Rente und dem Verkauf seiner obskuren Heilmittel.

      »Du brauchst nur Rezepte zu schreiben. Ich dagegen muß die Zutaten für meine Medikamente mühsam suchen«, fuhr er fort. »Aber das weißt du ja…«

      Er warf Toni einen finsteren Blick zu und zog das rechte Hosenbein hoch. Der Arzt sah eine böse Verletzung.

      »Du lieber Himmel, wie ist denn das passiert?«

      Das Bein war dick geschwollen und blustverkrustet.

      »Ich hab’s ja sagen wollen. In Ausübung meines Berufes«, brummte der Alte und bequemte sich endlich, zu erzählen, wie und wo er sich die schlimme Verletzung zugezogen hatte.

      Es war ja Vollmond, und das war, nach dem alten Buch, aus dem Loisl sein ›Geheimwissen‹ bezog, die beste Zeit, um bestimmte Pflanzen zu suchen, die nur am Oberlauf des Gebirgsbaches, unterhalb des Höllenbruchs wuchsen.

      Zu seinem Pech hatte Loisl an diesem Abend etwas zu tief in die Biergläser des Löwenwirtes geschaut und war dann ziemlich angesäuselt über Felder und Wiesen gewankt. Dabei war er über einen Stacheldrahtzaun gestolpert und hatte sich das Bein verletzt.

      Toni half dem Alten auf die Liege und besah sich die Verletzung näher.

      »Tja, Brandhuber, das sieht bös’ aus«, sagte der Arzt, nachdem er die Wunde gesäubert, und einen Verband angelegt hatte. »Wenn ich’s recht bedenk’, dann müßt’ ich dich eigentlich ins Krankenhaus einweisen.«

      Der Brandhuber-Loisl richtete sich mit einem Ruck von der Liege auf.

      »Ins Krankenhaus? Das kommt überhaupt net in Frage«, polterte er. »Ich bin mein Lebtag noch net in einem Krankenhaus g’wesen.«

      »Also, da ist net mit zu spaßen«, schüttelte Toni bedenklich den Kopf. »Weißt’, immerhin kann Schmutz in die Wunde gekommen sein. Was sogar sehr wahrscheinlich ist, wenn der Draht alt und rostig war. Na ja, und eine Blutvergiftung ist weitaus schmerzhafter, als ein paar Tag’ in einem Krankenhaus. Sie kann sogar tödlich sein. Willst’ das wirklich riskieren?«

      Der alte Quacksalber war blaß geworden.

      »Ist das wirklich so schlimm, Doktor?« fragte er argwöhnisch. »Oder willst’ mich verkohlen?«

      »Nein, nein. Also, wie ich schon sagte – mit so ’was spaßt man net«, erwiderte Toni Wiesinger. »Ich meine, du weißt ja selbst, wie gefährlich solche Verletzungen sein können. Gerade du, der du doch so etwas wie ein Kollege bist…«

      Bei den letzten Worten hatte der Arzt sich weggedreht, damit der Alte nicht sah, wie er sich das Lachen verkneifen mußte. Dies war die Stunde, die er herbeigesehnt hatte.

      Rache kann so köstlich schmecken!

      »Ja, Doktor…, wenn du meinst…«, kam es zögernd über Loisl’s Lippen.

      »Sieh’ mal, so ein Aufenthalt im Krankenhaus ist fast wie ein kleiner Urlaub«, tröstete Toni den Alten. »Dir wird’s Essen ans Bett gebracht, und du brauchst dich um nix zu kümmern. Sogar das Rasieren wird dir abgenommen. Wenn du im Bett liegst und net aufstehen kannst, kommt eine nette Schwester und seift dich von oben bis unten ein. Oder sie bringt dir die Bettpfanne…«

      Loisl sah ihn mißtrauisch an und machte Anstalten, von der Liege zu springen.

      »Das meinst’ net ernst – oder? Ich kann mich immer noch allein’ rasieren!«

      »Ich glaub’s dir ja. Natürlich hab’ ich nur gescherzt. Aber, die Wunde ist net ungefährlich. Wir müssen sie im Aug’ behalten. Ich geb’ dir noch ein Antibiotikum mit. Davon nimmst’ einmal täglich eine Tablette. In ein paar Tagen bist wieder ganz gesund. Zwischendurch komm’ ich und seh’ mir das Bein an. Dann mach ich dir auch einen neuen Verband.«

      Erleichtert setzte sich der Alte auf. Er war sein Lebtag noch net im Krankenhaus gewesen, und die Aussicht darauf hatte ihn schon erschreckt. Er reichte dem Arzt die Hand.

      »Dann dank’ ich schön, Doktor. Eigentlich bist ja doch ein feiner Kerl. Vielleicht sollten wir beide ein biss’l mehr zusammenarbeiten. Was hältst davon?«

      Zu diesem Vorschlag sagte der junge Arzt lieber nichts.

      *

      Christel und Maria Hornhauser konnten vor Aufregung nicht schlafen, denn der große Tag stand bevor. Sie hatten sich im Löwen einquartiert, die Tiere auf der Alm versorgte indes ein Senner aus der Nachbarschaft.

      Schon in aller Herrgottsfrühe waren die beiden Frauen auf den Beinen. Zu einem, weil sie es von ihrer Arbeit her gewohnt waren, zum anderen natürlich, weil die Aufregung so groß war.

      In dem Zimmer, das sie beide bewohnten, hing das Brautkleid außen am Kleiderschrank. Es war dasselbe, das auch Maria zu ihrer Hochzeit getragen hatte. Ein wunderschönes Trachtenkleid mit aufwendiger Stickerei und silbernen Ketten verziert. Dazu gehörte ein Kopfschmuck mit roten und grünen Bändern. Maria hatte Tränen der Rührung in den Augen, als sie das Kleid an ihrer Tochter sah.

      »Ich wünsch’ euch beiden alles Glück der Welt«, sagte sie und umarmte Christel.

      Dann nahm sie eine schwarze Schatulle aus ihrer Handtasche und öffnete sie. Sie war innen mit rotem Samt ausgeschlagen, und darauf ruhte eine silberne Halskette mit einem wunderschönen, kunstvoll gearbeiteten Rosenanhänger.

      »Die hat der Vater mir zu unserer Hochzeit geschenkt«, sagte sie und legte Christel die Kette um den Hals. »Schau.«

      Sie zog das Madel vor den Spiegel. Christel war sprachlos, so schön hatte sie sich selber nie gesehen.

      Es klopfte.

      »Das wird die Friseuse sein«, meinte Maria Hornhauser und öffnete die Tür.

      Die Friseurmeisterin kam aus dem Nachbarort. Dort waren Mutter und Tochter vor zwei Tagen gewesen, um sich für den festlichen Anlaß frisieren zu lassen. Die Meisterin hatte versprochen, heute herzukommen und die Haare noch einmal zu richten.

      »Wunderschön!« war ihr einziger Kommentar, als sie die Braut sah. »Ich glaub’, wir müssen uns sputen. D’runten läuft ein ziemlich nervöser junger Mann herum. Dem festlichen Anzug nach zu schließen, ist es der Bräutigam.«

      Christel schlang die Arme um ihre Mutter.

      »Ich bin so aufgeregt«, flüsterte sie.

      »Das ist wohl jede Frau in dieser Situation«, sagte ihre Mutter und drückte sie an sich. »Das geht vorüber.«

      *

      Tobias wartete. Ungeduldig schaute er die Treppe hinauf, die die beiden Frauen jeden Moment herunterkommen mußten. Endlich hörte er Schritte. Sie kamen aber von draußen. Monika und Vinzenz Leitner. Die Bäuerin und ihr Mann sollten die Trauzeugen sein. Sie richteten auch den anschließenden Hochzeitsschmaus aus, der auf dem Leitnerhof stattfinden sollte. Jetzt warteten sie mit dem Bräutigam an der Rezeption.

      »Wo bleiben Sie denn nur?« fragte Tobias verzweifelt. »Das kann doch net so lang’ dauern.«

      »Wart’s ab«, meinte Vinzenz Leitner. »Kommst’ noch früh genug zu deiner Hinrichtung.«

      Monika gab ihm einen Knuff.

      »Hör’ net auf ihn«, sagte sie an Tobias gewandt. »Auf unserer Hochzeit mußte er sich erst Mut antrinken, bevor er ja sagen konnte.«

      »Eine gute Idee«, griff Vinzenz auf und wandte sich an Sepp Reisinger, der eben an den Empfang kam. »Geh’, Sepp, bring dem Tobias einen Schnaps, damit er ruhiger wird.«

      Er schielte zu seiner Frau.

      »Und

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